Zweimal waren die Grasshoppers chancenlos. Einmal im Derby gegen den FCZ und dann gegen die Herausforderer des FCB, die Young Boys. Punkt- und torlos waren sie, als sie am vergangenen Sonntag erstmals in dieser Saison auf Reise gingen. Und dass sie mit einem 2:2 aus Luzern heimkehrten, war zwar eine Enttäuschung, weil die Grasshoppers selbst in Unterzahl bis tief in die Endphase des Spiels 2:0 und bis zur 90. Minute wenigstens noch 2:1 geführt hatten. Doch hatte dieses Ergebnis auch sein Gutes: GC fährt nun wenigstens nicht als punkt- und torloser Habenichts nach Basel.
Aber klar ist auch, drei Pflichtspiele reichten noch nicht annähernd, diese neue Mannschaft der Grasshoppers mit halbwegs gutem Gefühl einzustufen. Je fünf Neue begannen gegen den FCZ und YB, mal einer, mal zwei wurden eingewechselt. In Luzern waren es noch drei Neue plus einer, der im Laufe des Spiels hinzukam. Man konnte sagen, Luzern sei ein Fortschritt in Sachen defensiver Stabilität gewesen und – dank den beiden Toren – auch ein erster Hinweis auf offensive Wirkungskraft.
Man konnte auch sagen, die Systemumstellung habe sich positiv ausgewirkt. Bernegger folgte dem aktuellen Trend, mal mit drei Innenverteidigern zu spielen. Es war mit zwei tief spielenden Aussenläufern eine sehr defensive Ausrichtung des Systems.
Davon abzuweichen, dafür gab es nach dem eher glückhaft entstandenen frühen Führungstor keinen Anlass. Und erst recht nicht, nachdem der ehemalige FCB-Nachwuchsmann Charles Pickel schon nach einer halben Stunde die rote Karte erhielt. Fortan wars kein 3-4-3 mehr, sondern ein 5-4-0, mit der Viererreihe meist 20, 25 Meter vor dem eigenen Tor.
Wicky erwartet ein blauweisses Bollwerk – die Vorschau aus Basler Sicht
Zu sehen war da immerhin, wie aufopfernd die Mannschaft um ihren ersten Punktgewinn kämpfte und dass die drei Innenverteidiger gut spielten. Aber Schlüsse auf ein nachhaltigeres Leistungsvermögen von GC waren umständehalber nicht zu ziehen. Begreiflich aber war, dass Bernegger von «zwei klar verlorenen Punkten» sprach. Weil seine Mannschaft zuerst die sichere Chance zum 3:0 vergeben und danach das 2:2 in letzter Minute kassiert hatte.
Aber eben, die Fragezeichen sind noch immer so zahlreich wie vor der Saison. Zum Beispiel was die Transfers wirklich wert sind, die der neue Sportchef, der Baselbieter Matthias Walther, bewerkstelligte. Was bringen die sieben Neuen aus sechs Ländern, die bisher spielten? Fördern sie einen Verein, der durch die Finanzlage gezwungen wird, Transfereinnahmen zu machen, die der sportlichen Entwicklung schaden?
Mathias Walther – zum zweiten Mal Sportchef der Grasshoppers
Zuletzt hat der 45-jährige Walther, der aus Bubendorf stammt, beim FC Rapperswil-Jona als Technischer Leiter Nachwuchs fungiert. Früh wurde seine Spielerlaufbahn durch Asthma gestoppt; bis dahin hatte er für den FC Basel unter dem damaligen Trainer Ernst-August Künnecke (2002 verstorben) 15 Spiele im FCB-Dress absolviert. Danach folgten noch Stationen in Pratteln und Höngg, und mit 28 Jahren wird Walther, ein sportlicher Ziehsohn von Erich Vogel, erstmals Sportchef bei den Grasshoppers (2001 bis 2003, in der Zeit der Mäzene Gut und Gerber). Es schloss sich ein Jahr als Trainer des FC Liestal an, von 2004 bis 2009 arbeitete Walther als Trainer und Sportchef in Personalunion beim FC Winterthur in der Challenge League. Von 2010 bis 2012 war er Talent-Manager und Trainer im GC-Nachwuchs, danach verdingte sich der studierte Ökonom vorübergehend beim mazedonischen Club Shkendija Tetovo und gehörte dem Berater-Team von Xherdan Shaqiri an. (cok)
Denn Munas Dabbur und Caio waren die wichtigsten Stützen des bisherigen Teams, Jan Bamert galt eigentlich als gutes Produkt der eigenen Nachwuchsarbeit – und wurde jüngst schon als 19-Jähriger nach Sion verkauft.
Die wenigsten haben sich schlüssig empfohlen
Zufrieden sein kann man mit Heinz Lindner (27), einem aus Marcel Kollers österreichischem Nationalkader, in Frankfurt allerdings nicht eingesetzt. Er ist zwar nicht der Riese, der den Strafraum dominiert, aber auf der Linie ein guter Torhüter. Ein verlässlicherer Wert als zuletzt Joël Mall und Vaso Vasic, in Darmstadt auf der Bank jetzt der eine, Nummer 2 bei GC der andere.
Alle andern haben sich noch nicht schlüssig empfohlen. Der Linksverteidiger Souleyman Doumbia, ein knapp 21-jähriger Franzose aus der italienischen Serie B, und der 29-jährige venezolanische Offensivspieler Jéffren, mit Jugend beim FC Barcelona und letzter Station in der ostbelgischen Provinz, haben wie Lindner alle drei Matches begonnen.
Sie sind Spieler, wie sie Walther seit jeher gerne verpflichtet. Er sieht in ihnen etwas, vor allem technische Fertigkeit. Aber oft setzen sie sich dann nicht durch, weil es ihnen sonstwo fehlt, etwa an der Mentalität.
Der slowakische Mittelfeldspieler Michal Fasko (23) wirkte bei seinen zwei Auftritten sehr diskret. Der Österreicher Marco Djuricin (25) und der aus Vaduz zurückgekehrte Albion Avdijai (23) teilten sich die Rolle der zentralen Spitze – mehr schlecht als recht.
Nabil Bahoui: Vergangenheit bei Christian Gross
Und noch überhaupt nicht zu beurteilen ist Nabil Bahoui (26), ein Schwede marokkanischer Abstammung, der noch später kam als manch anderer – nämlich am Vorabend des Derbys. Er hat eine Vergangenheit unter Christian Gross bei Al Ahli Dschidda.
Gross holte ihn, den schwedischen Nationalspieler von AIK Stockholm, weil der Trainer in seinem saudiarabischen Umfeld moslemische Spieler bevorzugte. Bahoui sei ein «sehr schneller und technisch sehr guter Spieler», sagt Gross. Weniger gelte das fürs Kopfballspiel. Vor allem aber, sagt Gross noch, «muss er sich mal mental beweisen.» Das gelang ihm nicht in Dschidda, dann auch nicht beim Hamburger SV. Den Platz im Nationalteam hat er verloren.
Bei Al Ahli war seine Zeit nach nur gut einem halben Jahr und 13 Einsätzen vorbei, nur einer davon ging über 90 Minuten. In Hamburg gabs dann im Frühjahr 2016 sechs Teileinsätze, in der ganzen vergangenen Saison nur noch 67 Minuten gegen Bayern München. Zuletzt wurde er genauso ausgemustert wie Johan Djourou.
Bei GC unterschrieb er nun für drei Jahre, gegen YB und Luzern wurde er eingewechselt. «Seine beste Position ist links in der Offensive, er kann aber auch hinter der Sturmspitze spielen», sagt Gross. Das wäre durchaus das Profil für einen Nachfolger Caios.
Walther: «Wir brauchen noch Kilometer»
Ob Bahoui dazu taugt, lässt sich noch nicht sagen – genauso wenig wie manch anderes. «Wir brauchen noch Zeit,» sagt Walther. Oder in der Sprache der Ausdauersportler: «Wir brauchen noch Kilometer.»
Walthers Optimismus unterliegt keinem Zweifel. Aber so wie ein künftiger Kandidat auf einen der fünf Europacup-Plätze sieht GC bisher sicher nicht aus. Eher wie eine Mannschaft, die zufrieden sein muss, wenn sie nichts mit dem Abstiegskampf zu tun hat. Und als Verein wirkt der Rekordmeister und Rekordcupsieger weiterhin wie einer, der auf Suche nach (zumal finanzieller) Stabilität ist.