Viel hat nicht gefehlt, aber eben doch das gewisse Extra – deshalb verliert der FC Basel gegen Real Madrid mit 0:1. Diese Sonderklasse bot Real an einem spannenden Champions-League-Abend mit dem Tor in der 35. Minute, blendend vorbereitet von Benzema und vollendet von Cristiano Ronaldo. Der zweite Achtelfinalist aus dieser Gruppe wird am 9. September ermittelt, in Liverpool, das in Sofia gegen Razgrad 2:2 spielte.
Im Nachhinein ist es noch ärgerlicher als es schon in der 35. Minute wirkte. Wie Real Madrid über einen ordinären Torwartabschlag und ein gewonnenes Kopfballduell von Karim Benzema gegen Fabian Schär sein Spiel auslöste. Wie James Rodriguez erneut Benzema lancierte, wie Schär das Laufduell gegen den Franzosen aufnahm und verlor. Wie Benzema wenige Meter vor dem Basler Tor zur Grundlinie kam, wie Marek Suchy im Zentrum stehen blieb, wie sich Cristiano Ronaldo absetzte, wie Benzema den Querpass spielte, wie Tomas Vaclik ins Leere hechtete.
Ronaldo drückte den Ball schliesslich aus kurzer Distanz über die Linie. Sein 71. Tor in der Champions League, womit der Superstar vorerst drei Längen hinter dem Dauerrivalen Lionel Messi bleibt.
Paulo Sousa ist stolz – auf alle
1:0 für Real Madrid. Das schien zu diesem Zeitpunkt normal, zumal durchaus dem Kräfteverhältnis auf dem Platz entsprechend. Aber gut 60 Minuten später, als der serbische Schiedsrichter Milorad Mazic abpfiff, stand es immer noch 1:0. Und Basel trauert einer verpassten Chance nach. Gegen ein Real Madrid, das nach dem Seitenwechsel zwar noch zweimal die Torumrandung traf, aber nicht mehr die zuletzt demonstrierte Ausstrahlung besass, wäre mehr möglich gewesen.
Das ist das schwermütige Fazit eines Abends, der mit einer imposanten Choreografie begonnen hatte, in die sämtliche 36’000 Zuschauer im ausverkauften St.-Jakob-Park eingebunden waren und ein prächtiges Bild beim letzten Heimspiel des Jahres abgaben. Am Ende war Paulo Sousa zwar stolz, «stolz auf das Team, auf jeden Spieler, auf das Publikum, das uns fantastisch unterstützt hat». Und gleichzeitig war der FCB-Trainer «traurig, weil wir mehr verdient gehabt hätten».
Ancelotti sieht den FCB in Liverpool im Vorteil
Für den FC Basel stellt sich die Ausgangslage vor dem letzten Gruppenspiel am 9. September so dar, als ob nichts passiert wäre. Die Heimniederlage, erst die zweite in den letzten elf Partien vor eigenem Publikum, beeinträchtigt die Chancen auf die Achtelfinals in keinster Weise. Alles – ausser dem Gruppensieg – ist noch möglich.
Ein Unentschieden in Liverpool (4 Punkte) reicht dem FCB (6 Punkte) zum zweiten Platz und zum Achtelfinaleinzug in der Champions League. Bei einer Niederlage geriete das europäische Überwintern nur in Gefahr, wenn Ludogorets Razgrad (4 Punkte) das für Madrid mehr oder weniger bedeutungslose letzte Spiel im Bernabeu gewinnt.
Welches Stehvermögen die Bulgaren haben, zeigt ihr 2:2 gegen Liverpool, zeigten sie auch bei der knappen 1:2-Heimniederlage gegen Real. Nur gut, dass Cristiano Ronaldo in der Champions League noch einen Nebenschauplatz um die Torjägerkrone bewirtschaftet.
Carlo Ancelotti hat seine Meinung über das Endspiel um Platz 2 gemacht: «Es ist nicht einfach, an der Anfield Road zu bestehen, aber ich sehe den FC Basel im Vorteil. Die Mannschaft befindet sich nicht nur in einer besseren Situation, sondern auch in einem besseren Zustand als Liverpool.»
Die Komplimente für den Basler Auftritt
Das kann der FC Basel als Kompliment auffassen und als Mutmacher mit auf die Insel nehmen. Zumal Ancelotti dem Schweizer Meister für seinen zweiten Gang gegen Real ein Kränzlein wand: «Die Mannschaft hat eine gute Physis und ist sehr gut organisiert. Sie hat mit Herz gespielt und mit einem anderen System als in Madrid.»
Paulo Sousa hatte bis auf eine erzwungene Änderung – Philipp Degen für den verletzten Taulant Xhaka – die Startelf vom 4:0 gegen Razgrad aufgeboten. In der zuletzt gut funktionierenden und erfolgreichen Grundordnung. Also nicht mehr den Dreierblock in der Innenverteidigung wie noch beim sang- ud klanglosen 1:5 im Bernabeu.
Mit einem Mann mehr im Mittelfeld stand die Mannschaft eine Spur höher, schuf der FCB immer wieder Überzahlsituationen, es ergaben sich Anspielstationen, es gelangen ihm Balleroberungen, und mit jeder gelungenen Ballstafette, mit jeder Annäherung an das nicht von Iker Casillas, sondern von Keylor Navas gehütete Real-Tor fassten die Hausherren mehr Mut. Dementsprechend, so Ancelotti, habe Basel sein Team unter Druck setzen können.
Fakten zum Spiel FCB-Real Madrid 0:1 | ||
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FCB | Real | |
Ballbesitz (total) | 46% | 54% |
Ballbesitz Halbzeit | 41% | 59% |
Angriffe | 33 | 29 |
Schüsse | 16 | 8 |
Schüsse aufs Tor | 5 | 4 |
Aluminiumtreffer | 0 | 2 |
Eckbälle | 6 | 6 |
Abseits | 6 | 6 |
Fouls | 12 | 11 |
Gelbe Karten | 3 | 2 |
Pässe | 410 | 443 |
angekommene Pässe | 342 | 382 |
Passquote | 83% | 86% |
gelaufene Meter (Team) | 113’675 | 107’704 |
Reals Rekordsieg in Basel
Mit dem 15. Sieg in Serie hat Real zwar den Gruppensieg abgesichert und obendrein einen clubinternen Rekord eingestellt, das 1:0 von Basel wird aber nicht in der aktuellen Bestenliste landen. Nach einer dominanten Anfangsphase der Madrilenen (und 70 Prozent Ballbesitz), nach «20 wackeligen Minuten» der Basler, wie Sousa festhielt, stellte sich der FCB immer besser auf die Ballverteiler Kroos und Isco sowie auf den hinter dem Dreigestirn Ronaldo, Bale, Benzema lungernden James Rodriguez ein.
Bei jeder Kontersituation musste wohl gezittert werden, wenn Ronaldo und Gareth Bale ihren ungeheueren Speed vorzeigten und Benzema seine nicht minder beeindruckende Wucht. Aber der FCB verteidigte mit Leidenschaft. Er wehrte sich erfolgreich. Bis auf eben eine Ausnahme.
Der FCB war weit davon entfernt, ein Schlachtopfer zu sein
Bale traf zwar in der 75. Minute, als Real kurzfristig noch einmal aus einem Dämmerzustand hochschaltete, die Lattenunterkante, und Ronaldo kurz darauf den Aussenpfosten auf Vorarbeit des ansonsten abgemeldeten Bale. Das Spiel aber machte in der zweiten Halbzeit ein imponierender FCB, der weit entfernt davon war, eines der Schlachtopfer zu sein, die die Erfolgsserie der Königlichen säumen.
«Wir haben nicht gespielt wie sonst», musste Ancelotti einräumen, «unser Spiel war langsamer – aber die Mannschaft hat gut verteidigt.» Das ist vielleicht die grösste Anerkennung für den Auftritt der Rotblauen, die fast durch die Bank weg überzeugten und in Philipp Degen und auch Behrang Safari, in Mohamed Elneny und auch Fabian Frei sowie dem grossartigen Wirbelwind Derlis Gonzalez ihre herausragenden Spieler hatten.
Es war eine erneut reife Leistung des FCB, der jedoch keinen Vollstrecker hatte. Breel Embolo war es diesmal nicht, was man einem 17-Jährigen nicht zum Vorwurf machen kann. Und Topskorer Shkelzen Gashi ebenfalls nicht. Und als Embolo in 67. Minute doch durchkam, im Fallen aus spitzem Winkel den Ball Richtung Ausgleich bugsierte – da zeigte Keylor Navas mit einer famosen Parade, warum aus ihm an der WM ein Held Costa Ricas wurde.
Es waren wenige wirklich klare Abschlussmöglichkeiten, die Real Madrid dem unermüdlichen, bis in die fünfte Minute der Nachspielzeit an den Lucky Punch glaubenden FCB anbot. Nutzen konnte der Schweizer Meister keine davon.
Sousa darf sich bestätigt fühlen
So bewahrheitete sich die Fussballbinse von den Details, von den Kleinigkeiten, die auf die Seite einer Mannschaft sein müssen, die als Aussenseiter auf einen Giganten trifft. Es gab nichts Grundsätzliches am Schiedsrichter auszusetzen, aber Real genoss beim Serben den Bonus des Clubs mit dem grossen Namen.
Für den übereifrigen Tritt Fabio Coentraos in die Weichteilregion Embolos haben andere Unparteiische ohne grosse Boshaftigkeit auch schon Rot gezeigt (48.). Und es sind auch schon diskutable Handelfmeter gepfiffen worden in Szenen wie in der 56. Minute, als Shkelzen Gashis weit am Tor vorbeifliegender Schuss den ausgestreckten Arm von Sergio Ramos touchierte.
Wie auch immer: Der FC Basel hat seine Haut teuer verkauft. Das 0:1 ist zwar nicht resultatsmässig, aber vom Auftritt her eine Rehabilitation für die Abfuhr in Madrid. Und Paulo Sousa darf sich auf seinem Weg mit dieser Mannschaft trotz der Niederlage gegen die, wie er sagt, «beste Mannschaft der Welt» bestätigt sehen. «Die Überzeugung im Team in unsere Idee steigt», sagt Sousa, «und die Spieler werden immer mehr Teil davon.»