«Wer das denkt, ist ein bisschen grössenwahnsinnig»

Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, erklärt, dass er nicht an arabische Investoren im Schweizer Fussball glaubt, warum der FC Basel der Liga trotz seiner Dominanz gut tut – und wieso er das Wort Nulltoleranz nicht mehr hören mag.

Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League. (Bild: André Raul Surace)

Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, erklärt, dass er nicht an arabische Investoren im Schweizer Fussball glaubt, warum der FC Basel der Liga trotz seiner Dominanz gut tut – und wieso er das Wort Nulltoleranz nicht mehr hören mag.

Seit Dezember 2011 ist Claudius Schäfer der Chief Executive Officer der Swiss Football League. In seiner Amtszeit hat er bereits den Konkurs von Neuchâtel Xamax, einen wirren Rechtsstreit mit dem FC Sion und den Zwangsabstieg der AC Bellinzona erlebt. Trotzdem glaubt der 41-jährige Berner, dass im Schweizer Profifussball auch finanziell durchaus erfolgreich gearbeitet werden kann.

Im Interview erklärt Schäfer, warum sich die Liga in letzter Zeit dezidierter in die Diskussion um das verschärfte Hooligan-Konkordat eingemischt hat, wieso der Streit um das neue Messverfahren der Zuschauerzahlen im Schweizer TV auch die Liga betrifft – und was die Schweiz besser gemacht hat als Österreich.

Claudius Schäfer, ist die Dominanz des FC Basel Fluch oder Segen für die Super League?

Dominanz ist für mich ein volatiler Begriff. Das kann im Sportlichen sehr schnell anders herauskommen, das haben wir vergangene Saison erlebt. Wir sind immer noch im Fussball. Klar wäre es nicht schön, wenn eine Meisterschaft schon nach der Hälfte entschieden wäre. Der FC Basel mit seinen Erfolgen, auch auf europäischer Stufe, muss ein Beispiel dafür sein, wie man es machen sollte. Das ist für Schweizer Verhältnisse sehr gut, und selbst in Europa muss man wahrscheinlich lange suchen, bis man einen so gut organisierten Club findet. Mal von Bayern München und anderen Grossvereinen abgesehen, die in einer ganz anderen Dimension unterwegs sind.

In der Schweiz scheint die finanzielle Diskrepanz zwischen Basel und dem Rest jedoch zementiert.

Das ist für die anderen Mannschaften natürlich im nationalen Wettbewerb nicht einfach. Aber mit den grossen Einnahmen aus der Champions League muss man auch haushälterisch umgehen können. Und das macht der FC Basel vorbildlich. Das könnte ja auch anders sein. Man könnte das Geld vor allem in Spielerkäufe investieren und die Jugend vernachlässigen.

Claudius Schäfer

Der 41-jährige Berner liess sich erst zum Lehrer ausbilden, ehe er ein Jura-Studium anschloss. Er erwarb im Kanton Zürich sein Anwaltspatent, arbeitete danach zwei Jahre als Jurist beim Bund zum Thema Personenfreizügigkeit und wechselte Ende 2005 zur Swiss Football League. Seit Dezember 2011 ist er CEO der SFL.

Also stellt sich doch für die Liga die Frage, ob es gut ist, wenn der FC Basel regelmässig in die Champions League kommt, wo er das Geld verdient, mit dem der seine 60-, 70-, 80-Millionen-Budgets produziert.

Übers Ganze gesehen habe ich lieber Basel in der Champions League als gar keinen Club. Das hebt das Image, für die Aussenbetrachtung und auch für die anderen Clubs. Die Leute schauen Fussball, sie reden über Fussball und das spielt auch eine Rolle bei anderen Clubs auf der Suche nach Geldquellen.

Zum Beispiel Investoren. Es hiess ja mal, dass nun bald einmal ein Scheich kommt und mit seinem Geld einen Schweizer Club in die Champions League bringt.

Wer das denkt, ist auch ein bisschen grössenwahnsinnig. Wir sind immer noch in der Schweiz und nicht in England, Deutschland oder Italien. Hier werden kleinere Brötchen gebacken und man kann dennoch Erfolg haben, auch auf internationaler Ebene, wie es der FC Basel seit Jahren zeigt. Aber wir in der Liga haben nicht erwartet, dass russische Investoren oder Leute aus Nahost einsteigen. Uns ist immer noch wichtig, dass man ein nachhaltiges Modell hat. Und das ist meistens auf lokal bekannten Menschen aufgebaut. Wir haben, gerade im Tessin, ausländische Investoren, die sich schon länger engagieren. Aber an Bellinzona erkennt man, dass es keine Garantien gibt.

«Nachhaltigkeit ist ein grosses Wort. Der FC Basel beweist, dass es geht.»

Gibt es denn das nachhaltige Modell im Schweizer Fussball, oder wird mit einem Schweizer Proficlub nicht einfach Geld verbrannt?

Natürlich ist Nachhaltigkeit ein grosses Wort, das schnell einmal genannt wird. So einfach ist es nicht. Der FC Basel zum Beispiel beweist, dass es geht. Neben anderen Bausteinen gehört die Nachwuchsförderung dazu. Dann die Infrastruktur, ein Stadion, in dem sich Einnahmen generieren lassen, das ist – von wenigen negativen Beispielen abgesehen – etwas Nachhaltiges. Vergleichen wir das mit Österreich, wo im Zuge der Euro 2008 etwas zurückhaltender in die Stadien investiert wurde, dann sehen wir: Die österreichische Bundesliga hat einen Zuschauerschnitt von 6900, die Super League liegt bei 12’000. Das ist Platz 10 in der europäischen Zuschauertabelle – weit vor vergleichbaren Ligen – Österreich, Dänemark, Norwegen, Belgien sind alle bei 6000, 7000 Zuschauern im Schnitt. Für den Schweizer Fussball ist das ein grosser Erfolg. Und wir haben mit dem sehr populären Eishockey eine grössere Konkurrenz.

Und was ist dem Unken von SRF-Chef Roger de Weck, dass die Partie GC–FCB irgendwann im TV-Programm von Al-Jazira laufen könnte?

Unsere TV-Verträge laufen noch vier Saisons, und natürlich müssen wir das Thema frühzeitig wieder aufnehmen, denn diese Einnahmen sind die mit Abstand wichtigsten für die Liga. Und da sind wir um jede Konkurrenzsituation froh. Die Erlöse über die Fernsehrechte in der Schweiz sind vergleichsweise niedrig, und ich vergleiche da nicht mit Deutschland oder England: Holland bringt 80 Millionen Euro jährlich, Norwegen, Dänemark oder Österreich liegen massiv höher. Gerade in den skandinavischen Ländern liegen die Einnahmen oberhalb 50 Millionen Euro pro Saison. Davon können wir nur träumen. Deshalb ist jeder Interessent willkommen – auch wenn wir mit der Fernsehabdeckung momentan sehr zufrieden sind. Im Ausland finanzieren sich die Clubs bis zu 60 Prozent aus TV-Einnahmen. Bei uns machen die TV-Gelder fünf, sechs Prozent vom Einnahmekuchen aus.

Die Liga hat die erste Saison mit dem neuen Vermarktungsvertrag hinter sich, mit dem 28 Millionen Franken an die Liga beziehungsweise die Clubs fliessen. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Von Hauptsponsor Raiffeisen haben wir sehr gute Rückmeldungen, die sind sehr zufrieden. Im Bereich Fernsehen haben wir das Problem, dass uns die Zuschauerzahlen nicht vorliegen wegen des Streits um die neue Berechnung der Einschaltquoten durch Mediapulse. Wir haben bei der Ausschüttung der Gelder an die Clubs drei Säulen: Die Sockelbeträge, die Ranglistenprämie, und die dritte Säule sind die Zuschauerzahlen und die Werbewertigkeit eines Clubs. Die Zuschauerzahlen des Fernsehens haben also etwas mit dieser Ausschüttung zu tun.

Das heisst, die Liga kann gar nicht alles auszahlen?

Darum geht es im Moment. Es handelt sich aber eher um den kleineren Teil der Ausschüttung.

Es sind immerhin rund drei Millionen Franken. Wie gehen Sie nun vor?

Das Unternehmen, das uns die Zahlen liefert, nimmt Schätzungen vor, die der Erfahrung nach den effektiven Zahlen sehr nahe kommen. Es ist nun Sache des Komitees der Swiss Football League zu entscheiden, ob man sich auf diese Parameter stützt oder noch abwartet. Es kann noch Monate, unter Umständen Jahre dauern, bis eine Entscheidung in Sachen Mediapulse gefallen ist. Das ist eine sehr unschöne Situation.

«Ich kann eine schöne Choreografie des FC Basel zeigen – aber das interessiert niemanden.»

Apropos: Im Zuge der Diskussion um das verschärfte Konkordat hat sich die Liga zuletzt häufiger zu Wort gemeldet als auch schon und den Eindruck vermittelt, verstärkt in eigener Sache zu lobbyieren.

Das ist eine Säule unserer Strategie: Wir haben als wichtiger Player früher sicher zu wenig kommuniziert. Mit dem Konkordat kommt einiges auf unsere Clubs zu und deshalb wollen wir offen und ehrlich sein. Wir haben eine ruhige Saison gehabt. Neben der Pyroproblematik, die aber nicht nur im Fussball nicht gelöst ist, hatten wir ein paar Vorfälle an den Eingängen. Dort versprechen wir uns durch mehr Drehkreuze, die auf die neue Saison installiert sein müssen, eine Verbesserung. Ärgerlich sind die Vorfälle vor dem Cupfinal, die zum Abschluss der Saison das Bild prägen, aber auch verfälschen. Das ist schade.

Und die Liga muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sie beschönige alles.

Damit müssen wir leben in der Sicherheits- und Gewaltdiskussion. Sehr oft reden die Bilder, und wir, die versuchen darzustellen, dass es eine ruhige Saison war, dass es wenig Probleme in den Stadien gab, wir können das nicht mit Bildern belegen sondern nur mit Statistiken. Ich kann eine schöne Choreografie des FC Basel zeigen – aber das interessiert niemanden. Das ist unser latentes Problem.

Der Kampf gegen das Konkordat ist verloren?

Kampf? Wir haben uns ja immer differenziert geäussert. Es gibt durchaus positive Punkte im Konkordat, alles was Massnahmen gegen Einzeltäter betrifft, sprich: Rayonverbot, die Meldeauflagen. Das unterstützen wir. Die Bewilligungspflicht zum Beispiel klappt gerade in Basel schon seit Jahren. Wir wehren uns einfach gegen die Auflagen, die immer wieder propagiert werden und die wir nicht für zweckmässig erachten und zum Teil auch als nicht umsetzbar. So wie das Kombiticket.

Warum?

Es konnte mir noch niemand aufzeigen, wie das funktionieren soll. Das Problem ist, dass sehr viel mit Schlagwörtern argumentiert wird: Nulltoleranz – was heisst das? Sollen bei der Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz Hunderte mit Pyros rausgeholt werden? Aber wir haben keinen Kampf gegen das Konkordat geführt. Das ist das falsche Wort. Wir wollen keine Gewalttäter in und um die Stadien. Und das ist uns nicht so schlecht gelungen. Aber wir müssen dranbleiben.

«Die Clubs sind unsere Mitglieder und wir wollen sie nicht drangsalieren.»

Dann nennen wir es nicht Kampf sondern eine politische Auseinandersetzung, die in den vergangenen Monaten in den Kantonen stattgefunden hat. Und wenn man die eindeutigen Abstimmungsergebnisse wie zuletzt in Zürich anschaut, dann sind die Clubs, die Fans, die Liga mit ihren Argumenten glatt durchgefallen.

Ich glaube, die Abstimmungen zeigen, dass die Leute einfach die Gewalttäter satt sind. Ob das nun beim Fussball ist oder bei «Tanz dich frei» – wo es wahrscheinlich vielfach auch noch Überschneidungen gibt. Wenn man das Konkordat im Detail studiert, dann habe ich nicht das Gefühl, dass wir mit den Anpassungen in eine ganz andere Zukunft gehen. Wir haben in Super und Challenge League zweieinhalb Millionen Zuschauer gehabt. Das sind vermutlich die grössten Besucheraufmärsche während eines Jahres in der Schweiz. Aber man hat das Gefühl, dass da gar nichts passieren darf. Aber es ist Sport, es sind Emotionen im Spiel, das darf man nicht vergessen – ohne dass ich Gewalttäter in Schutz nehmen will.

Das ist mit Kampf gemeint: Das Konkordat gibt neue, weitreichende Instrumente in die Hand, um im Zweifelsfall zweieinhalb Millionen Stadionbesucher zu gängeln.

In St. Gallen ist das Konkordat seit einem Jahr in Kraft. Hat es dort das Kombiticket gegeben, die ID-Pflicht? Nein! Also: Da wird viel aufgebauscht in der politischen Diskussion, aber klar ist auch, dass wir vorsichtig sein müssen. Denn wenn solche Massnahmen umgesetzt werden müssen, dann kann das negative Auswirkungen haben.

Auf die neue Saison hin werden in den Eingangsbereichen die wahrnehmbaren Veränderungen stattfinden?

Das gehört zu den sieben Säulen unserer Strategie. Die Clubs und die Fanarbeit haben uns gesagt, dass wir an den Eingängen etwas verändern müssen, dass es zu lange dauert, wenn 1000 Leute durch ein, zwei Drehkreuze müssen. Dann gibt es automatisch negative Emotionen. Dort haben wir angesetzt. Im Gästesektor braucht es jetzt pro 250 Zuschauer eine Drehsperre und die meisten Clubs müssen an dieser Stelle aufrüsten. Wir wollen, dass der Eintritt schneller geht und dass die Gästefans mit dem nötigen Respekt begrüsst werden.

Vom Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause bekam die Liga kürzlich mal wieder die Senkung der Bussen für Pyros unter die Nase gerieben.

Dadurch, dass das immer wieder behauptet wird, wird es nicht besser. Diese Bussen wurden nicht heruntergesetzt, sondern sind seit Jahren die gleichen. Und mir hat noch niemand erklären können, warum es weniger Pyros geben sollte, wenn die Bussen für die Clubs höher wären. Wenn die Busse 1000 Franken pro Fackel statt 200 beträgt, heisst das nicht, dass es fünfmal weniger Pyros in den Stadien gibt. Diese Bussen wurden vor ungefähr fünf Jahren heruntergesetzt. Die Clubs sind unsere Mitglieder und wir wollen sie nicht drangsalieren, sondern aufzeigen, wo Verbesserungen anzustreben sind.

«Gut ausgebildete Schweizer Spieler werden auch in Zukunft gefragt sein.»

Noch einmal zurück zum Geld. Welche Auswirkungen hat das Financial Fairplay der Uefa auf den Schweizer Fussball?

Das wird Schweizer Clubs nicht gross betreffen. Wir kontrollieren unsere Clubs bereits so streng, dass sie selten überfällige Verbindlichkeiten haben, dass bei einem verkauften Spieler tatsächlich das Geld vom aufnehmenden Club hereinkommt. Grundsätzlich geht es beim Financial Fairplay um gleichlange Spiesse. Wenn ich in andere Ligen schaue, nach Portugal oder Spanien, wo viele Clubs seit Jahren massiv überschuldet sind, wenn ich höre, das Clubs monatelang die Löhne nicht zahlen, dann werden die Schweizer Clubs vom Financial Fairplay profitieren. Bei uns bekommt kein Club die Lizenz, der überschuldet ist. Dafür lege ich die Hand ins Feuer.

Kann das Schweizer Modell – Spieler ausbilden und ins Ausland verkaufen – durch die Fairplay-Regelung gefährdet werden, weil ausländische Clubs zurückhaltender bei Verpflichgtungen sind? Schliesslich verlangt die Uefa zusätzlich, dass die Clubs lokal ausgebildete Spieler auf ihren Kontingentslisten haben.

Da habe ich keine Angst. Es kann sein, dass der Markt irgendwann einmal nicht mehr das hergibt, was er jetzt bietet. Aber die Schweizer Clubs machen nach wie vor eine sehr, sehr gute Ausbildung, und diese Spieler werden auch in Zukunft gefragt sein.

In welchem Umfang kalkulieren die Schweizer Clubs mit Transfereinnahmen – und in welchem Rahmen dürfen sie das bei der Lizenzierung?

Die Schweiz liegt laut einer Studie auf Platz 6 jener Länder, die in den vergangenen Jahren Spieler in die fünf grossen Ligen Europas transferiert haben. Transfers sind deshalb ein ganz wichtiger Budgetposten, darauf bauen wir in der Schweiz eigentlich. Das ist erlaubt, kann aber heikel sein, wenn man versucht, im Budget die Rechnung mit noch nicht getätigten Transfers auszugleichen. Aber unser Lizenzbehörden sind da sehr streng. Sie schauen in die Vergangenheit und nehmen einen Durchschnittswert der zurückliegenden fünf Jahre, damit nicht irgendwelche Phantasiezahlen im Budget angegeben werden.

Nächster Artikel