Läuft alles rund, steht das neue Hardturm-Stadion in rund vier Jahren. Ob dort dann noch zwei Super League-Clubs spielen? Eine Bestandsaufnahme des Zürcher Fussballs vor dem Derby im Cup-Halbfinal (19.00 Uhr, SRF 2).
Der «Blick» wusste es zuerst: «Canepa entlässt Mitarbeiter»,hiess er vorige Woche. Der Präsident des FC Zürich habe das clubeigene Fernsehprogramm und das Fan-Magazin eingestampft. Ausserdem suche er neue Aktionäre für eine weitere Kapitalerhöhung. 1,6 Millionen Franken will er damit einnehmen.
Die Geldnot im FCZ ist nach den Billiglösungen für Trainer- und Sportchefposten (Urs Meier und Marco Bernet) im Winter ein nächstes Zeugnis des Niedergangs. Oder netter ausgedrückt: des Abspeckens auf die Verhältnisse eines mittelmässigen Clubs mit einem offiziellen Zuschauerschnitt von 10’000.
Die Canepas beim FCZ, «Owners Club» bei GC
Noch vor gut drei Jahren stand der FCZ in der Champions League, nahm Millionen ein. Ancillo Canepa investierte: In ein Museum, in eine Vereinschronik. Und in Spieler, die er sich nur mit regelmässigen Champions League-Teilnahmen leisten konnte. Mit dem Ziel, dem FC Basel mittelfristig die Stirn zu bieten. Der Plan ist grandios gescheitert, die Party ist schon lange vorbei.
Dafür fährt der Kater umso stärker ein. Im Team spielen noch immer Grossverdiener wie Béda oder Chermiti. Doch selbst wenn das Kader bald auf die Realitäten fernab der europäischen Honigtöpfe angepasst wird, wovon im Sommer auszugehen ist: Schwarze Zahlen schreibt der FCZ auch dann nicht.
Ähnnliches gilt für die Grasshoppers mit ihrem noch pitoyableren Zuschauerzuspruch (offizieller Schnitt 2012/23: 8500). Wie der FCZ beenden sie ihre Geschäftsjahre jeweils mit einem «strukturellen Defizit», roten Zahlen, die quasi automatisch in den Büchern stehen, wenn keine ausserordentlichen Batzen ins Haus schneien. Bei beiden Vereinen sind es Gönner, die die Löcher stopfen: Beim FC geht Canepa mit Frau Heliane vorneweg, bei GC der «Owners Club», der seine Unterstützung bis 2014 zugesichert hat.
Hürde Gemeinderat genommen
Warum aber ist es im Zentrum der Millionenagglomeration Zürich nicht möglich, wenigstens einen Super League-Club in die schwarzen Zahlen zu führen? Die Antworten sind vielfältig, in den Medien und bis zu den Präsidenten haben schon viele über die Gründe lamentiert.
Zwei wichtige Faktoren, die beide Vereine nicht beeinflussen können: Viele der Bewohner im Einzugsgebiet sind Zugezogene. Sie haben bereits ihren Verein im Heimatkanton oder – Herkunftsland. Ausserdem buhlen insgesamt fünf Proficlubs um Aufmerksamkeit und graben sich gegenseitig das Wasser ab: Neben zwei Eishockeyvereinen konkurrieren der FC Winterthur, GC und der FCZ um die Gunst des Publikums.
Eine andere Problematik dagegen könnte in absehbarer Zeit gelöst sein: das Stadion. Vor einer Woche segnete der Gemeinderat mit 101 zu 15 Stimmen den 216-Millionen-Kredit für die neue Arena auf dem Hardturm-Areal ab. Stimmt im Herbst auch das Stadtzürcher Stimmvolk zu, spielen GC und FCZ ab 2017 «ennet de Gleis» in einer reiner Fussballarena.
Der FCZ ist mittlerweile schlechter dran als GC
Sie wären damit den ungeliebten Letzigrund los, wo sie nach eigener Aussage viel weniger Geld als möglich verdienen. Zwar würden laut Hardturm-Businessplan auch die Mieten steigen, dank mehr Zuschauern, mehr Logenplätzen und selbstgeführtem Catering aber auch die Einnahmen, so hoffen jedenfalls die Clubverantwortlichen.
Bis jedoch eine neu entfachte Zürcher Fussballkraft den FC Basel angreifen kann, sind noch vier Jahre Letzigrund-Tristesse zu überstehen. Sie bedeuten weiterhin finanzielle Schwierigkeiten und Abhängigkeit von Geldgebern.
Bei den Grasshoppers darf davon ausgegangen werden, dass die Herren mit den dicken Portemonnaies ihre monetären Versprechungen über 2014hinaus erneuern, selbst wenn die kommende Saison nicht so erfolgreich sein sollte wie die aktuelle. Mit dieser Loyalität funktioniert der Grasshopper Club seit Jahrzehnten.
Die Frage beim FCZ aber ist: Was, wenn dem Ehepaar Canepa die Lust vergeht? Das Kader müsste wohl nochmals zurechtgestutzt werden. Mit dem Risiko, auch sportlich den Anschluss zu verlieren. Der FC Zürich ist aktuell noch weniger zu beneiden als sein Stadtrivale.
Was für FCZ-Fans die Frage «Wo warst du am 13. Mai 2006?» ist, lautet für den GC-Angänger: «Wo warst du beim Sächsfoif?». Viele Fans der Grasshoppers murmeln dann jeweils beschämt «Im Tram.» Und freuen sich trotzdem darüber, noch einmal erzählen zu dürfen, wie sie an einem Abend im März 2004 ins Stadion zurückeilten, nachdem sie von der Aufholjagd erfahren hatten.
2:5 lag GC nach ein paar verrückten Toren in der 83. Minute noch zurück und scharenweise waren frustrierte Hoppers bereits geflüchtet, bevor zwei Mal Eduardo und Mladen Petric noch zum Ausgleich trafen. In der Verlängerung lupfte Richard Nuñez zum 6:5 ein, kurz vor Schluss verweigerte Schiedsrichter Urs Meier dem FCZ einen indiskutablen Elfmeter.
So aber blieb jenes Cup-Halbfinale vor neun Jahren ein Spiel, das sich den GC-Fans im Gedächtnis eingebrannt hat. Egal, ob sie die entscheidenden Minuten vor dem Fernseher, im Stadion oder in der Strassenbahn verbrachten. Die Grasshoppers feiern das 6:5 denn auch immer noch ab: Dienstagabend organisierte ihr eifriger Kommunikationschef einen DVD-Abend. Und die 2011 in der Innenstadt eröffnete Fanbar heisst – drei Mal darf geraten werden.
Eine ähnliche Dramatik ist im 232. Zürcher Derby, für das der FCZ 17’500 Tickets im Vorverkauf abgesetzt hat, nicht zu erwarten: Die Sturmreihen sind nicht annähernd so illuster besetzt wie damals, die Abwehrreihen dafür umso besser. Trotzdem sagt FCZ-Coach Urs Meier: «Die vielen Tore hatten damals nichts mit den schwachen Abwehrreihen zu tun. Cup ist Cup, da können alle Dämme brechen.»
Für Meiers Club ist der Cup die einzige Möglichkeit, die missratene Saison doch noch zu retten. Mit einem Finaleinzug wäre der FCZ immerhin schon fast im Europacup dabei, weil sich Basel und Sion aller Wahrscheinlichkeit nach in der Liga für Champions League und Europa League qualifizieren werden. (kst)