Es war ein Rätsel, das Anfang der Woche im Gespräch mit Eray Cümart auftauchte. Wieso heisst Eray Cümart wie er heisst? Und wieso firmiert sein vier Jahre älterer Bruder Eren mit seiner Beratungsagentur EC Sportmanagement unter dem Namen Eren Cömert?
Der FCB-Spieler hat die Frage beantwortet und darum gebeten, mit des Rätsels Lösung zu warten, bis der Klub die Namensänderung seines Angestellten publik gemacht hat. Als die Grosseltern der Familie einst aus Erzincan in Ostanatolien in die Schweiz kamen – zuerst nach Laufen, später nach Rheinfelden – wurde in den offiziellen Papieren aus dem Nachnamen Cömert fälschlicherweise Cümart.
Nach all den Jahren unter quasi falschem Namen hat sich die Familie nun entschlossen, die beiden Buchstaben korrigieren zu lassen. Das wurde auch möglich, weil bürokratische Hürden in der Türkei abgebaut wurden, was das Verfahren vereinfachte.
«Man muss nicht sentimental werden, wenn der Trainer entlassen wird.»
Damit ist die Geschichte des Eray Cümart, die hier aufgeschrieben wird, also neu die des Eray Cömert. Und dafür, dass er noch relativ grün hinter den Ohren ist, hat er schon einiges erlebt in seiner noch jungen Karriere. Man muss es fast abgeklärt nennen, wie der 20-Jährige die vergangenen Wochen beim FC Basel und den Wechsel auf dem Chefposten beschreibt: «Man muss nicht sentimental werden, wenn der Trainer entlassen wird. Als Spieler kann man nicht viel dazu sagen. Für uns zählt der Trainer, der da ist.»
Nach dem grossen Knall sind sich Raphael Wicky und Eray Cömert nicht mehr über den Weg gelaufen. Zwei, die noch gemeinsame Jahre auf dem Nachwuchscampus verbracht haben. Der Abschied fand über die Whatsapp-Gruppe der ersten Mannschaft statt. Das wirkt tatsächlich nicht sonderlich rührselig. «Glück braucht es halt auch», sagt Cömert über die Umstände der Trennung, «und das hatten wir in dieser Phase leider nicht.»
Sieben Trainer in zwei Jahren
Und so kommt es, dass Cömert nun schon den siebten Trainer innert zweier Jahre erlebt. Unter Urs Fischer debütierte er im Mai 2016 beim FCB, dann wurde er nach Lugano ausgeliehen, wo er unter Paolo Tramezzani als19-Jähriger zum Abwehrchef einer Mannschaft wurde, die die Qualifikation für die Europa League schaffte. Er wechselte mit dem Italiener – wieder als Leihspieler – zum FC Sion, und seither ging es Schlag auf Schlag.
Tramezzani wurde in Sion im Oktober 2017 entlassen, es folgten für drei Monate der Spanier Gabri, anschliessend Maurizio Jacobacci. Und nun ist – nach Wicky und Interimscoach Alex Frei – Marcel Koller bereits der dritte Trainer, dem Cömert in den vergangenen acht Wochen beim FCB gegenübersteht. Und so kann ein junger Mann mit 31 Super-League-Spielen auf dem Buckel sagen: «Ich habe die Erfahrung des Trainerwechsels in Sion ja gleich mehrfach gemacht. Man versucht als Spieler einfach das Beste daraus zu machen, sich so schnell wie möglich anzupassen und die Anforderungen des neuen Trainers umzusetzen.»
Cömert kann vom FCB unter Koller nicht von alchemistischen Geheimnissen berichten, die vorerst einmal zum Resultatsumschwung beigetragen haben. «Ich kann es nicht erklären. Vielleicht sind wir effizienter vor dem Tor, vielleicht haben wir auch das Glück, das wir vorher nicht gehabt haben.»
Das, was man im Fussball einen «Lauf» nennt, hat Cömert auch schon erlebt: In Lugano gipfelte er in der Europacup-Teilnahme. «Wenn man einen Lauf hat, hat man wirklich einen», floskelt Cömert, «dann geht man in den nächsten Match einfach noch selbstbewusster.» Aber auch das Gegenteil kennt der junge Spieler: In Sion reihte sich nur wenige Wochen später Niederlage an Niederlage bis zur Entlassung von Tramezzani.
Mit 19 Jahren der Abwehrchef in Lugano
Das Tessin lag am Beginn zweier Wanderjahre, die Eray Cömert hinter sich hat. Er ist in Rheinfelden geboren und grossgeworden und hat wie so viele FCB-Junioren seine ersten fussballerischen Schritte beim Partnerverein FC Concordia gemacht.
Seit 2009 und der U12 spielt er für den FC Basel. In der strengen Schule von U16-Trainer Werner Mogg wechselte er vom defensiven Mittelfeld in die Innenverteidigung und galt seither als vielversprechendes Talent. Parallel zu seiner fussballerischen Ausbildung absolvierte er in Itingen bei einem IT-Unternehmen die Lehre zum Büroangestellten.
Mit seinen 1,83 Metern und seiner schnörkellosen Präsenz strahlte er schon bei seinem Debüt in der Endphase der ersten Saison unter Urs Fischer eine Ruhe und eine Klarheit aus, die sich in diesem Arbeitsbereich gut machen. In Lugano traf er dann auf Tramezzani, der dem 19-Jährigen sofort die Rolle des Abwehrchefs übertrug. «Wenn du das Vertrauen des Trainers hast, wenn du spürst, dass er auf dich setzt, dann ist es für einen jungen Spieler viel wert.»
Unmittelbar nach dem letzten Spiel mit Lugano, als schon klar war, dass Tramezzani zum FC Sion weiterziehen wird, kam der Trainer auf Cömert zu und eröffnete ihm, ihn gerne ins Wallis mitzunehmen. «Leider ist die Saison dann mies gelaufen. Aber ich habe den Schritt nicht bereut. Auch in Sion habe ich meine Erfahrungen gemacht.»
Schultergelenk raus und wieder rein – zwei Operationen waren in anderthalb Jahren unumgänglich.
Die einschneidendsten Zäsuren während der beiden Wanderjahre waren zwei Schulterverletzungen. Gleich im ersten Saisonspiel mit Lugano kugelte Cömert sich die rechte Schulter aus, wurde vier Wochen lang konservativ behandelt, aber schon bei der nächsten Grätsche rutschte der Knochen wieder aus der Gelenkpfanne. Eine Operation war unumgänglich, genauso wie im April dieses Jahres, als er nach einem Luftduell unglücklich landete und sich beim Abstützen mit dem Arm erneut die rechte Schulter ausrenkte.
Behoben wurden die Verletzungen in Basel in der Merian Iselin Klinik von Dr. Christian Mauch. Einem Spezialisten, der Cömert die Bänder an der Gelenklippe reparierte. «Die Vermutung war», erzählt Cömert, «dass die Gelenke überdurchschnittlich beweglich waren und die Bänder dadurch lockerer. Seit den Operationen ist diese Beweglichkeit eingeschränkt, die Schultern sind dadurch aber auch stabiler.»
Bei van Wolfswinkel hat Cömert noch einen gut
Profitiert hat Cömert nach beiden Operationen von einem Heilungsprozess, der schneller voranschritt, als angenommen worden war. So kehrte er in diesem Sommer in den Kreis der ersten Mannschaft zurück und war wieder voll belastbar just in dem Moment, als für Raphael Wicky die Uhr ablief. Schon im ersten Spiel unter Interimstrainer Alex Frei fand sich Cömert in Neuchâtel in der Startelf wieder.
Er war auch Teil der Mannschaft, die vier Tage später gegen Paok Thessaloniki unterging, und weitere drei Tage später flog er zum ersten Mal in seiner Kickerlaufbahn vom Platz. Gelb-Rot im Spiel gegen die Grasshoppers, weil Ricky van Wolfswinkel einen lausigen Rückpass spielte, Cömert die Grätsche auspacken musste («Sie kann immer nur die letzte Möglichkeit sein»), zu spät kam und die zweite Verwarnung kassierte.
Weil das Spiel auch in Unterzahl gewonnen wurde, senkte sich der Adrenalinspiegel bei Cömert rasch wieder, und nachtragend mit Wolfswinkel will er auch nicht sein: «Wir haben abgemacht, dass er mir etwas schuldet.»
«Wenn du kein Selbstbewusstsein hast, hast du praktisch verloren.»
Das spricht für ein gewisses Standing, das einer aus dem grossen Talentschuppen zwischen den verbliebenen Etablierten der ersten Mannschaft hat. Und an Selbstwertgefühl mangelt es dem heranreifenden, eher zurückhaltend wirkenden jungen Mann nicht. «Was ich habe, ist kein Traum. Denn ich werde es zu meiner Realität machen», heisst es über seinem Whatsapp-Account. «Wenn du kein Selbstbewusstsein hast», sagt Cömert über sich, «hast du praktisch verloren.»
Das Ziel war, als gestandener Spieler zurückzukehren
Seit er aus dem Wallis zurück ist, lebt Cömert wieder bei der Familie in Kaiseraugst. «Mein Ziel war es, als gestandener Super-League-Spieler zurückzukommen.» Er hat einen Vertrag beim FCB bis 2020, und nun läuft die Frist der Bewährung. Es gehe in Basel schneller und intensiver zu im Training als in Lugano und Sion, sagt Cömert. Es gebe weniger Ballverluste und es sei schwieriger, den Ball zu erobern: «Das bringt einen jungen Spieler Tag für Tag und Spiel für Spiel weiter.»
Seit der U15 hat Cömert alle Trikots der Schweizer Nationalteams getragen, in der U19 war er Captain und nun wird mit ihm eine neue U21-Auswahl unter Trainer Mauro Lustrinelli aufgebaut. Noch hat Cömert nicht die «schwere Entscheidung» getroffen, für welches der beiden in Frage kommenden Länder er allenfalls einmal auflaufen könnte, aber die Tendenz benennt er: «Mein Ziel ist es, für die Schweizer A-Nationalmannschaft zu spielen».
Den einen oder anderen Nachweis der Tauglichkeit wird er auf dem Weg dorthin noch bringen müssen. Zum Beispiel auch mal ein Tor zu erzielen (siehe Instagram-Video oben). Eines, das es zu Beachtung gebracht hat, glückte ihm vor zwei Jahren in der Youth League gegen Arsenal. Da traf er in Murat-Yakin-Manier aus gut und gerne 60 Metern über einen verdutzten Torhüter hinweg.
Das Schmuckstück muss jetzt wie so vieles in den Datenbanken des Fussballs mit einem neuen Namen versehen werden.