Es rankt sich doch schon die eine oder andere Geschichte um Dimitri Oberlin, dabei wird der junge Mann am 27. September erst 20 Jahre alt. Unstrittig ist, dass er als hochveranlagtes, vielversprechendes Stürmertalent gilt. Seit er 2011 von Lausanne-Sport zum Nachwuchs des FC Zürich stiess, hat er sich in den jeweiligen Schweizer Juniorennationalteams einen Platz ergattert, und beim FCZ hielten sie grosse Stücke auf ihn.
Doch die Stücke waren offenbar nicht gross genug, und die Geduld Oberlins und seines Umfeldes klein. Als 16-Jähriger debütierte er im Mai 2014 in einem Super-League-Spiel gegen Aarau bei einer Einwechslung kurz vor Schluss. Ein Jahr später hatte er lediglich einen Cupeinsatz mehr auf dem Konto, und schon war er weg.
Hysterische Mütter und der gute Embolo
Zwei Millionen Franken Ablöse von Red Bull Salzburg soll Oberlin dem FC Zürich im Sommer 2015 eingebracht haben, und Ancillo Canepa musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, das Tafelsilber zu verscherbeln. Dem «Tagesanzeiger» sagte der FCZ-Präsident damals: «Wir haben stundenlang versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es für ihn besser ist, wenn er bei uns bleibt. Doch Oberlin mochte nicht geduldig sein. Deshalb mussten wir ihn gehen lassen.» Im «Blick» wurde Canepa noch deutlicher: «Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr, mich mit hysterischen Müttern herumzuschlagen, die behaupten, ihre Söhne seien mindestens so gut wie Embolo! Und deshalb einen Stammplatz in der ersten Mannschaft fordern.»
Breel Embolo war damals beim FC Basel schon durch die Decke geschossen. Aber Oberlin hörte nicht mal auf seinen besten Freund, der wie er aus Kameruns Hauptstadt Yaoundé stammt. Auch wenn sich Oberlin in Zürich nicht wertgeschätzt genug oder zu kurz angebunden fühlte, riet ihm Embolo damals: «Nicht Salzburg.»
Dort liess sich der Anfang noch gut an, im zweiten Einsatz erzielte Oberlin das erste von drei Toren in der ersten Bundesligasaison, verbrachte die meiste Zeit jedoch im Farmteam in Liefering. Dann liehen ihn die Salzburger vergangenen Sommer an den SC Rheindorf Altach aus, den Oberlin mit neun Treffen in 20 Spielen zum Winterkönig machte, wie es in Österreich so schön heisst. Red Bull machte von seinem Rückholrecht Gebrauch, und nach einem Treffer und einem Muskelbündelriss kam Oberlin gerade noch einmal im Saisonkehrausspiel zum Einsatz.
«Ein Spieler, der ein bisschen Pflege braucht»
Oberlin gilt als nicht pflegeleicht, oder, wie es FCB-Sportchef Marco Streller ausdrückt: «Er ist sicher ein Spieler, der ein bisschen Pflege braucht.» Gegenüber «20 Minuten» hat sich der junge Mann mal so beschrieben: «Ich bin ein komischer Typ, einer, der keinen Plan hat und spontan entscheidet. (…) Es ist nicht meine Stärke, auf andere Menschen zuzugehen. Breel ist da ganz anders.»
In Salzburg soll man nicht nur unglücklich sein darüber, einen verhaltensoriginellen Typen wieder in die Schweiz abgeschoben zu haben. Sarkastisch heisst es, das sei die späte Rache für das Europacup-Aus gegen den FCB vor drei Jahren. Der FCB hat sich jedenfalls mit der Ausleihe eine Kaufoption gesichert. Es ist von fünf Millionen Franken die Rede, die bei einer Übernahme fällig werden. Ein Transfer, an dem auch der FC Zürich noch partizipieren würde.
Seine Qualitäten machen Oberlin zur heissen Aktie
Ehe sich die Basler mit den Salzburgern einig wurden, muss es noch hektisch zugegangen sein. Jedenfalls war die Unterschrift Oberlins unter den Leihvertrag noch nicht richtig trocken, als die FCB-Verantwortlichen am Donnerstag mit zehnminütiger Verspätung vor die Medien traten und mit spürbarer Freude die Neuigkeit vortrugen. Da sei toll geschafft worden, so Sportchef Marco Streller voller Stolz, seit Mai seien die Gespräche gelaufen und diese deshalb nicht früher zum Abschluss gebracht worden, weil Oberlins Dienste sehr begehrt seien.
Noch im letzten Moment, so schildert es Streller, sei die Angelegenheit beinahe geplatzt, weil es noch ein deutlich höheres Angebot gegeben habe. Die Rede ist da von Besiktas Istanbul. Oberlins herausstechende Qualitäten – sein Speed, seine Dynamik und sein Zug ohne Umwege zum Tor – sind Attribute, die einen Offensivspieler interessant machen – und die auch in das Anforderungsprofil von FCB-Trainer Raphael Wicky passen: «Schnelligkeit und Tiefe – das haben wir gesucht.» Diese Qualitäten und sein Alter machen Oberlin am turbulenten Spielermarkt zu einer heissen Aktie.
Marco Streller meint sogar: «Es ist uns gelungen, eines der grössten europäischen Talente zu verpflichten.»
Oberlin und die Polizei
Das sind grosse Vorschusslorbeeren, mit denen Oberlin am Montag erstmals zum Training in Basel erwartet wird. Nicht weiter eingehen wollte man am Donnerstag auf die jüngste Geschichte, die sich um Oberlin rankt. Er soll österreichischen Medien zufolge mehrfach mit der Polizei zu tun gehabt haben, es hiess, es lägen Anzeigen wegen Körperverletzung vor, aber nichts Genaues wurde bekannt.
Jedenfalls stand Oberlin Anfang Monat nicht im Salzburger Aufgebot für die Champions-League-Qualifikation, und gegenüber dem «Kurier» äusserte sich Salzburgs Sportchef Christoph Freund: «Wir werden das intern regeln. Dass er sich nicht immer korrekt verhalten hat, steht allerdings ausser Frage.»
Burgener: «Dinge, die nicht hierher gehören»
Beim FCB ging man gestern vor den Medien über die Angelegenheit hinweg: «Das sind private Dinge, die nicht hierher gehören. Wir haben mit dem Verein geredet und uns gesagt, dass es Vergangenheit ist», wiegelte Präsident Bernhard Burgener ebenso ab wie Wicky: «Wir haben uns auf die sportlichen Aspekte konzentriert.»
Burgener ist sowieso erst einmal froh, dass nach der Verpflichtung von Ricky van Wolfswinkel sowie den eigenen Nachwuchskräften Neftali Manzambi (derzeit verletzt) und Afimco Pululu mit Oberlin nun die Abgänge im FCB-Angriff zumindest nominell kompensiert sind. «Und nach den Gesprächen mit Dimitri Oberlin haben wir ein anderes Bild», sagt Burgener, «menschlich haben wir ein gutes Gefühl zueinander gefunden.»