Wie die Punkte im Skispringen gemacht werden

Das Skispringen hat sich – nicht zuletzt unter dem Druck, kompatibel für das Fernsehen zu bleiben – komplizierte Regeln gegeben. Die Welt aus Formeln, Variablen und Vektoren ist für den Zuschauer nur noch schwer durchschaubar.

Der Springer, die Naturelemente und ein paar Variablen. (Bild: Imago)

Das Skispringen hat sich – nicht zuletzt unter dem Druck, kompatibel für das Fernsehen zu bleiben – komplizierte Regeln gegeben. Die Welt aus Formeln, Variablen und Vektoren ist für den Zuschauer nur noch schwer durchschaubar.

Es könnte eigentlich doch alles so einfach sein. Einfach wie in den guten, alten Zeiten des Skispringens, als es noch schlicht nur darum ging, am weitesten zu springen und dabei  – im Idealfall – auch noch eine gute Figur abzugeben, um hohe Haltungsnoten zu kassieren.

62. Vierschanzentournee

Oberstdorf
Sa, 28.12., 16.30 h: Qualifikation
So, 29.12., 16.30 h: 1. Durchgang

Garmisch-Partenkirchen
Di, 31.12., 14.00 h: Qualifikation
Mi,   1.1.,  14.00 h: 1. Durchgang

Innsbruck
Fr.   3.1., 14.00 h: Qualifikation
Sa,  4.1., 14.00 h: 1. Durchgang

Bischofshofen
So,  5.1., 16.30 h: Qualifikation
Mo, 6.1., 16.00 h: 1. Durchgang

Über Jahrzehnte war das die simple Erfolgsformel in der Erfolgsgeschichte des Skispringens. Leicht zu erklären, für jedermann nachvollziehbar, allseits verständlich, und wohl auch ganz im Sinne der Skisprung-Erfinder. Und heute? Heute hat das Skispringen seine Durchschaubarkeit von einst verloren und wird für den Fan und Athleten bisweilen zum mysteriösen Rätsel- und komplizierten Rechenspiel.

Denn auf einmal zählt nicht mehr nur, wie weit und wie schön jemand gesprungen ist. Heute geht’s plötzlich auch darum, von welcher Anlaufluke er weggefahren ist, ob ihn Gegen-, Rücken- oder Seitenwind auf dem Sprung begleitet hat, und obendrein auch noch ob er vor dem Sprung vielleicht ein Signal von seinem Trainer erhalten hatte, um freiwillig den Anlauf zu verkürzen.

Zehn Meter weiter muss nichts bedeuten

Weil all diese Faktoren in der Gesamtnote berücksichtigt werden, kann es mitunter zu skurrilen Ergebnissen kommen. So kann ein Athlet, der zehn Meter weiter gesprungen ist als ein Rivale, im Klassement trotzdem hinter demjenigen landen. Der Gegner muss seine Weite nur mit weniger Anlauf und schlechterem Wind zustande gebracht haben.

Denn die Rechnung funktioniert so: Weniger Anlauf bedeutet mehr Anlaufpunkte. Gute Windverhältnisse (Aufwind) bedeuten Punkteabzüge. Und seit die Trainer die freiwillige Anlaufverkürzung als taktisches Mittel entdeckt haben, ist alles nur noch komplizierter geworden.

Für die Skisprung-Fans sind die neuen Regeln bisweilen ein Horror, für die Athleten selbst sehr oft ein notwendiges Übel, und für Walter Hofer ist das ausgeklügelte Berechnungsmodell überhaupt ein echter Segen für die gesamte Sportart.

Bizarre Welt der Formeln, Variablen und Vektoren

Wer sich vom FIS-Renndirektor das Skispringen erklären lässt, der wird entführt in eine bizarre Welt voller Formeln, Variablen und Vektoren, die eher an eine Mathematik-Stunde erinnert als an Sport-Unterricht. Auch die Infozeichnung, die Hofer zur Veranschaulichung anfertigt, macht nicht wirklich schlauer. Tatsache ist: «Ohne die neuen Regeln hätten wir im letzten Winter die Hälfte der Weltcupspringen nicht durchführen können», erklärt Hofer.

In einer Welt aus Formeln, Variablen und Vektoren: Walter Hofer, FIS-Renndirektor, zeichnet auf, wie das Skispringen und seine Regeln funktionieren.

In einer Welt aus Formeln, Variablen und Vektoren: Walter Hofer, FIS-Renndirektor, zeichnet auf, wie das Skispringen und seine Regeln funktionieren. (Bild: Christoph Geiler)

Denn neben dem Hauch von Fairness, den der sogenannte Wind- und Gatefaktor garantieren soll, sorgen die neuen Regeln vor allem auch für Planungssicherheit. Das freut in erster Linie die TV-Stationen, die keine Angst haben müssen, dass die Skispringer ihr Sendeprogramm durcheinander wirbeln, weil der Wettkampf – wie in früheren Jahren – nach 45 von 50 Springern wegen einer Anlaufverkürzung neu gestartet werden muss. Heute wird kurzerhand von Springer zu Springer der Anlauf den Gegebenheiten angepasst.

Die Zuschauer verstehen nur noch Bahnhof

So schlüssig die Argumentation, so wenig nachvollziehbar sind die Ergebnisse und Auswirkungen bisweilen für den Skisprung-Fan. Die Zuseher vor den Fernsehgeräten profitieren dabei zumindest noch von der modernen Übertragungstechnik, sie sehen auf ihrem Bildschirm die Windwerte und die Linie, die der Springer für die Führung übertreffen muss. Die Skisprung-Fans im Stadion, die nicht in den Genuss dieser anschaulichen Grafiken kommen, verstehen meist nur Bahnhof.

«Wir sind nicht immer ganz transparent», gesteht denn auch Walter Hofer ein. Für die Vierschanzentournee plant der FIS-Direktor nun ein Pilotprojekt. Beim Auftaktspringen in Oberstdorf soll nun erstmals mit einem Beamer ein Laserstrahl in den Auslauf gezeichnet werden, um den Stadionbesuchen die für die Führung notwendige Weite zu signalisieren.

Haken an der Sache. «Oberstdorf ist ein Flutlichtspringen. Bei Bewerben unter dem Tag suchen wir noch nach einer Lösung», so Hofer.

Noch nicht verwirrt genug? Dann schauen Sie sich das noch an:

Nächster Artikel