Wie drei Prattler Fussball-Lehrer nach China gekommen sind

Drei junge Fussballausbildner aus Pratteln konnten mit ihrer Fussballschule «justfootball academy» eine Woche lang Schüler in der chinesischen Millionenstadt Changsha betreuen. Ein Abenteuer, das nicht einmalig bleiben muss.

Training China

Drei junge Fussballausbildner aus Pratteln konnten mit ihrer Fussballschule «justfootball academy» eine Woche lang Schüler in der chinesischen Millionenstadt Changsha betreuen. Ein Abenteuer, das nicht einmalig bleiben muss und den jungen Trainern Fabian Erny, Daniel Widmer und Matthias Maeder neue Perspektiven für ihre tägliche Arbeit in der Region Nordwestschweiz eröffnete.

Die chinesische Stadt Changsha beeindruckt durch ihre Grösse. Über sieben Millionen Einwohner gibt es hier, und weil man erst seit 2009 an einem U-Bahn-System baut, wälzt sich der Verkehr mühevoll durch die Strassen. Changsha ist auch bekannt für das grösste chinesische Restaurant der Welt, im «Xihulou» können bis zu 4000 Menschen gleichzeitig essen. Und die Stadt wächst täglich weiter, Baukräne zieren das Stadtbild am mächtigen Xiang-Fluss. Doch die Ortschaft hat auch Platz für kleine Initiativen, wie ein Beispiel zeigt, das die Brücke zum Nordwestschweizer Fussball schlägt.

Fussballgeschichten aus der Region

Zum 75. Geburtstag des Fussballverbandes Nordwestschweiz kommt es zu einer ­Kooperation mit der Tages­Woche. Das Ziel: Online entsteht eine interaktive Geschichte des Fussballs in der Region, auf der die wichtigsten Ereignisse des regionalen Fussballs, Anekdoten und Erinnerungen auf einer Zeitleiste dargestellt werden. ­

Cheng Luos Sohn besucht die Tong Li Primary School in Changsha und ist begeisterter Fussballer. Der Vater ist auf der Suche nach fussballerischen Trainingsinhalten per Zufall auf eine Homepage gestossen, die von drei Freunden aus Pratteln vor fünf Jahren ins Leben gerufen worden war. Auf justfootball.tv haben sie als junge Fussballtrainer damit begonnen, Videos zu ihren eigenen Trainingseinheiten aufs weltweite Netz zu stellen, um so anderen Trainern, die sich mit der Ausbildung junger Fussballer befassen, eine Hilfestellung zu geben.

Aus Leidensdruck entstanden

Den Anreiz zu diesem Projekt erhielten die drei jungen Trainer Fabian Erny, Daniel Widmer und der später dazustossende Matthias Maeder bei ihrer Tätigkeit als F-Junioren-Betreuer des FC Pratteln aus eigenem «Leidensdruck», wie sich Erny erinnert.

Sie erkannten, dass in vielen Amateurvereinen die Qualität der Trainer, die all die Mannschaften betreuen, sehr unterschiedlich ist, und dass die auszubildenden Junioren «schon fast das Glück haben müssen, bei einem guten Trainer unter zu kommen».

Dazu fehlt es oft an der Basis sinnvoller Ausbildungsgrundlagen und Trainingsbeispiele. Und weil das Internet in den ersten Trainerjahren der drei Pratteler noch nicht wirklich viel her gab, entschlossen sie sich, die eigenen Einheiten zu filmen und die Videos auf ein eigenes Portal zu stellen.

Videos durchbrechen die Sprachbarriere

Im Gegensatz zu gängiger Fachliteratur und Trainingshandbüchern haben die Videos den Vorteil, dass sie keine Sprachbarrieren überwinden müssen. Und so ergaben sich schnell erste Kontakte auch ins Ausland. Die engagierten und ambitionierten Trainer hatten in der Zwischenzeit, im Sommer 2012, eine eigene Fussballschule gegründet, die «justfootball academy».

Junge Fussballer aus der Region Basel können Privatstunden nehmen.

Junge Fussballer aus der Region Basel können Privatstunden nehmen.

Diese sollte gezielt eine Lücke schliessen, die sich im täglichen Mannschaftstraining mit den eigenen Junioren aufgetan hatte. Die Erkenntnis, dass in grossen Trainingsgruppen mit nur wenigen wöchentlichen Einheiten die individuelle Ausbildung zu kurz kam, führte dazu, dass man eine Initiative entwickelte, um zusätzliche, private Lektionen anzubieten.

Herzblut und Abenteuer

Die Nachfrage war von Anfang an sehr gross – und der Erfolg dazu. «Man kann das verstehen wie den Nachhilfeunterricht für die Schule», sagt Erny, «wir arbeiten in kleinen Gruppen und können so intensiv auf die einzelnen Fussballer eingehen.» Die Konsequenz liegt fast auf der Hand. Die Spieler erzielen schnelle Fortschritte, das Selbstvertrauen wächst, und dieses bringen sie wiederum in ihre Teams ein.

«Es ist eine Art Selbstläufer», meint Erny, der viel Herzblut und Zeit in sein Projekt steckt. Mittlerweile wird an sieben Tagen in der Woche tagsüber Unterricht angeboten, von Montag bis Freitag auf der Prattler Sandgrube, am Samstag in einer Halle in Muttenz, am Sonntag auf den Sportanlagen St. Jakob – die Einzellektion gibt es ab 35 Franken.

Dazu hat etwa der FC Kaiseraugst dreimal pro Woche Zusatztrainings bei den Ausbildungsprofis gebucht. Der Wunsch Ernys wäre es, ein zentrales Trainingszentrum für die Fussballschule zu erhalten, doch das wird sich noch entwickeln müssen.

Die internationalen Kontakte

Die Fussballschule in der Nordwestschweiz ist das eine – das andere sind die internationalen Kontakte, die sich über das Portal und die Akademie ergeben. Das Engagement in China kam im Sommer 2013 zustande. In China sind bei solchen Projekten doch die einen oder anderen Hürden zu überwinden, alles ist staatlich gesteuert.

Doch der direkte Bezug von Cheng Luo half – und so reisten die Nordwestschweizer Fussballlehrer für eine Woche in die Millionenmetropole Changsha und trainierten mit rund 30 chinesischen Nachwuchskickern. Geübt wurde jeweils um 8 Uhr in der Früh, da es tagsüber schlicht zu heiss wurde.

Die Qualität der Spieler war zwar nicht besonders hoch, doch die Freude über die Besucher aus der Schweiz dafür umso grösser. «Fussball ist in China nicht die Sportart Nummer 1, hier stehen Badminton, Tischtennis und anderes im Vordergrund. Man muss für den Fussball werben, was doch aussergewöhnlich ist», erzählt Erny, der diese Erfahrung nicht missen will.

Auf den Philippinen geht es weniger um die fussballerische Ausbildung. Und dafür mehr um eine kleine Geste, die den Kindern Freude bereitet.

Auf den Philippinen geht es weniger um die fussballerische Ausbildung. Und dafür mehr um eine kleine Geste, die den Kindern Freude bereitet.

In der Zwischenzeit begleitete er mit seinen Kollegen auch Projekte auf den Philippinen, in Kosovo oder in Mazedonien. Das sind dann Engagements für die Lebenserfahrung und für die Erweiterung des Horizonts. «Auf den Philippinen hatten wir Kinder, die am Vormittag gebettelt haben und dann eine Stunde lang zu Fuss zu einem bescheidenen Fussballplatz marschierten, um am Nachmittag am Training teilnehmen zu können. Hier ist man in jeglicher Hinsicht mit sehr wenig sehr zufrieden und kann mit kleinen Gesten grosse Freude bereiten», sagt Erny.

Und er hat auch noch eine besondere Geschichte aus dem Kosovo im November 2013 auf Lager. Dort bemühte sich der Bürgermeister der Stadt um eine TV-Präsenz des Schweizer Fussballprojekts. Der Reporter nahms mit den Tatsachen nicht ganz so genau und behauptete, die Trainingsleiter seien Scouts des FC Basel. Die Folge war, dass am anderen Tag gleich 140 Kinder zum Training erscheinen wollten…

Das kosovarische TV machte aus den Pratteler Trainern kurzerhand Scouts des FC Basel. Die Folge: 140 Kinder wollten ins Training.

Das kosovarische TV machte aus den Pratteler Trainern kurzerhand Scouts des FC Basel. Die Folge: 140 Kinder wollten ins Training.

Eigene Teams sind kein Thema

Die Fussballlehrer der «justfootball academy» betreuen im Nachwuchsspitzenfussball auch Teams beim FC Concordia. Trotz entsprechender Bitten wollen sie aus der Fussballschule selbst keine eigenständigen Teams bilden. «Wir verstehen uns als Ergänzung zur Arbeit in den Vereinen und wollen auch die Qualität der individuellen Ausbildung hochhalten», sagt Erny. Aber er sagt auch: «Unser Projekt ist noch lange nicht zu Ende.»

Es gibt weitere Ideen, etwa in den Bereichen Vereinsadministration und Ausrüstung. Und bestimmt auch weitere Abenteuer, wie jenes in Changsha, das ein kleines Stück Nordwestschweizer Fussballkultur ins grosse China getragen hat.

Ein Plakat auf den Philippinen wirbt für das Kindertraining.

Ein Plakat auf den Philippinen wirbt für das Kindertraining.

Nächster Artikel