«Wir müssen jetzt den Kopf beieinander halten»

Klar, Durchhalteparolen waren nach dem 0:1 gegen die Grasshoppers auch von Valentin Stocker zu hören. Aber der Offensivspieler des FC Basel verblüffte mit einer Absage an den resultatorientierten Fussball – auch sich selbst.

FC Basel Mittelfeldspieler Valentin Stocker enttaeuscht nach der Niederlage im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem Grasshopper Club Zuerich und dem FC Basel am Sonntag, 26. Mai 2013, im Letzigrund Stadion in Zuerich. (KEYSTONE/Patri (Bild: Keystone/Patrick B. Kraemer)

Klar, Durchhalteparolen waren nach dem 0:1 gegen die Grasshoppers auch von Valentin Stocker zu hören. Aber der Offensivspieler des FC Basel verblüffte mit einer Absage an den resultatorientierten Fussball – auch sich selbst.

Es war, wie es halt so ist in der Interviewzone nach einem gegen Ende plötzlich hektischen Fussballspiel, in dem es um Titel, Ehre und viel Geld geht: nicht ganz übersichtlich. Spieler und Funktionäre auf der einen Seite eines Absperrbandes, Medienvertreter auf der anderen, Rudelbildung.

Die Journalisten, die eben noch bei FCB-Präsident Bernhard Heusler waren, mussten schnell zu Valentin Stocker – andere in die umgekehrte Richtung. Fragen wurden gestellt – und kurz darauf von jemand anders noch einmal gestellt, weil die eine ihr Mikrofon bei der ersten Antwort noch nicht da hatte oder der andere die Kamera bereits wieder weggetragen.

Irgendwann in diesem Rummel sagte Valentin Stocker auf die Frage der Tageswoche, ob die Basler nicht vielleicht zu naiv aufgetreten seien: Er verliere lieber, als neunzig Minuten hinter der Mittellinie zu stehen und am Schluss einen Ball über die Linie zu drücken. Aus dieser Antwort stammte der Titel dieses Textes in der ersten Version.

Als Stocker zuhause war und die Zeilen las, da liessen sie ihm keine Ruhe. Weil die Aussage Schwarz auf Weiss so trotzig daher kam – und er sich doch gar nicht trotzig gefühlt hatte in diesem Moment. Also rief er an, um die Sache zu besprechen.

Was tun? Die Aussage war gemacht, der Text seit einiger Zeit online. Die NZZ hat das Zitat ebenfalls veröffentlicht. Also einfach stehen lassen? Wer selbst schon einmal interviewt wurde, weiss, dass die Gedanken bei der allmählichen Verfertigung beim Reden manchmal davon galoppieren. Und Valentin Stocker ist einer der Fussball-Profis, die verdankenswerterweise nicht stets die gleichen 08/15-Antworten vom Stapel lassen. Ihm also daraus einen Strick drehen?

Oder still und heimlich abändern? Das geht aus Gründen der Transparenz nicht. Darum der Versuch mit dieser offenen Darstellung der Textgeschichte. Die Aussage ist aus dem folgenden Interview entfernt. Heisst das, dass nun jede nicht mehr genehme Antwort im Nachhinein gelöscht werden kann? Nein. Heisst es, dass ein Fussballprofi merken darf, dass eine seiner Aussagen schräg daher kommt, die er direkt am Anschluss an eine aufwühlende 94. Minute gemacht hat? Ja.

Valentin Stocker, 0:1 gegen die Grasshoppers verloren, die fast sichere Entscheidung in der Meisterschaft verpasst – das war aus Basler Sicht kein schönes Ende dieses Fussballnachmittags.

Wir sind sicher enttäuscht, denn am Ende steht eine nicht gerechtfertigte Niederlage. Aber schlussendlich ist es genau das, was Fussball ausmacht und was so viele Menschen an diesem Sport fasziniert: Dass man bis am Ende nicht weiss, was passiert. Aber ich denke, dass wir heute wirklich schlecht bezahlt worden sind für unsere Leistung.

Sie selbst hatten die Chance, den FCB schon früh in Führung zu schiessen.

Das tut weh, natürlich. Ich hatte die Chance in der ersten Hälfte, ein paar andere auch. Wir haben sie nicht gemacht, waren etwas zu unpräzis … Tja, das nächste Mal müssen wir es eben besser machen.

Muss sich die Mannschaft den Vorwurf gefallen lassen, etwas zu naiv agiert zu haben?

Wie meinen Sie das?

Nun, Ihr Team hat von Anfang an das Spiel gemacht, obwohl doch GC hätte gewinnen müssen.

Ja, und?

Hatte die Mannschaft nie den Gedanken, dass ein 0:0 ja eigentlich reichen würde, um praktisch sicher Meister zu werden?

Ich denke, wenn du solche Kontergelegenheiten hast, wie wir gegen Schluss, dann musst du sie auch zu Ende spielen. Und dann der Gegenstoss … Das ist ein glücklicher Ball. Ein langer Ball, Kopfball abgefälscht, einem in die Füsse. Was willst du da machen? Wem willst du da einen Vorwurf machen? Ich denke, da kann man nicht von Naivität sprechen.

Wie geht es Marco Streller? Er wirkte nach seiner vergebenen Chance und dem folgenden GC-Tor wie am Boden zerstört.

Das ist doch logisch, wenn Freud und Leid so nahe beieinander liegen. Es ist sicher speziell hart für ihn. Aber er ist erfahren genug um zu wissen, wie er mit solchen Rückschlägen umgehen muss. Ich denke, wir werden alle gestärkt aus dieser Situation hervorgehen. Ich hätte Marco das Tor extrem gegönnt. Aber so ist Fussball. Oft waren wir froh, ihn in der Mannschaft zu haben, er hat schon sehr viel wichtige Sachen für uns entschieden. Ich denke gerne zurück an die vergangene Meisterschaft, an verganene Titel. Und auch bei ihm wird es plötzlich wieder anhängen.

Tut diese Niederlage mehr weh als jene am Pfingstmontag im Cupfinal?

Gute Frage. Niemand hat gerne Niederlagen. Ich kann nicht sagen, was mehr geschmerzt hat. Aber es ist klar, dass für uns die Meisterschaft viel wichtiger ist als der Cup. Wir müssen jetzt den Kopf beieinanderhalten und uns ganz auf unsere Leistung konzentrieren. Wir haben es noch immer in den eigenen Füssen.

Merken Sie, dass Sie zwanzig Spiele mehr in den Beinen haben als die Grasshoppers?

Also heute habe ich davon eigentlich gar nichts gespürt. Es gibt halt Dinge, die du nicht beeinflussen kannst. Ich denke, es ist auch abhängig von der Tagesform, ob du merkst, dass du viele Spiele in den Beinen hast – oder eben nicht.

Als Erklärung für die Niederlage würden Sie die höhere Belastung also nicht ins Feld führen?

Nein, überhaupt nicht. Ich persönlich habe mich im Cupfinal deutlich müder gefühlt als heute. Ich glaube, das hat man auch gesehen.

Haben Sie nicht das Gefühl, dass die Mannschaft jetzt nervös werden könnte? Am Ende der Partie schien es laut geworden zu sein zwischen einigen Spielern.

Nein, wir werden wie während der gesamten Saison gewisse Dinge ansprechen. Es ist klar, dass es mehr oder weniger schwierig ist, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Ich denke, die einen werden wütend. Und dann gibt es andere, die klarer sind und mit ihnen über diesen Ärger sprechen. Das ist wichtig, wenn man als Team ein lebender Organismus ist. Für mich persönlich ist es eher der Ansporn, die Dinge im kommenden Spiel besser zu machen.

Trost können Sie kaum aus der Tatsache ziehen, dass der FCB das Spiel eigentlich bis zur letzten Minute im Griff hatte?

Ich denke, 92 Minuten waren völlig okay, ja eigentlich gut. Wir waren viel besser als GC. Aber schlussendlich haben wir keine Punkte, also bringt das nicht viel, oder?

Nächster Artikel