«Würde die Arbeit der Trainer gründlich geprüft, könnten sich Vereine vieles sparen»

Bei der Zusammenkunft mit den Medien am Tag vor dem Klassiker gegen den FCZ (heute, 18.45 Uhr) hat FCB-Trainer Raphael Wicky sich zu den Trainerentlassungen Nummer 6 und 7 in der Super League geäussert. Er findet, im Fussball-Business herrsche zu viel Schwarz-Weiss-Denken. Wir haben seine Aussagen aufgezeichnet.

Sieht Kontinuität als Erfolgsfaktor auf längere Sicht, weiss aber auch, dass für einen Trainer vieles an den Resultaten hängt – Raphael Wicky, seit Juli 2017 Cheftrainer des FC Basel.

Raphael Wicky, in den letzten Tagen sind in Lugano und bei den Grasshoppers die Trainer Pierluigi Tami und Murat Yakin entlassen worden. Wie nehmen Sie das wahr?

Ich bin zu weit weg, um zu kommentieren, ob das richtig oder falsch ist. Es ist ein Fakt, dass Trainer unglaublich schnell entlassen werden. Jeder Trainer weiss, dass es ihn als Ersten trifft, wenn es nicht läuft. In diesem Geschäft wird sehr vieles schwarz-weiss betrachtet und nicht die tägliche Arbeit beurteilt. Damit muss man leben. Aber ich bin überzeugt, dass Vereine, die auf Kontinuität und auf Konstanz setzen, über längere Zeit erfolgreich sind. Das habe ich schon als Spieler gesagt, als ich in Werder Bremen in einem Verein war, der langfristig dachte (Anm. d. Red: Wickys Trainer in Bremen war Thomas Schaaf, der 14 Jahre dort tätig war). Es gibt verschiedene andere Beispiele. Ganz allgemein sind wir in einem sehr schnelllebigen Geschäft, was den Druck auf die Trainer erhöht. Man liest immer wieder, dass Trainer müde und ausgelaugt sind. Das ist meine Wahrnehmung eines Geschäfts, in dem ich auch dabei bin und das ich auch akzeptiert habe.

Der FCB ist deutlich Zweiter hinter den Young Boys. Hatten Sie nie Angst vor einer möglichen Entlassung?

Ich habe nie solche Zeichen von meinen Vorgesetzten wahrgenommen. Ich kenne das Geschäft zwar, aber ich stehe nicht morgens auf und denke: Vielleicht verliere ich heute meinen Job. Ich versuche, täglich das Beste zu machen und sowohl die Mannschaft als auch die Spieler weiterzubringen. Im Wissen, das dieser Job hier in Basel für mich nicht ewig dauern wird. Angst bringt aber nichts. Du brauchst auch etwas Glück – mit den Resultaten und dass die Leute, die dich beurteilen, nicht alles schwarz-weiss sehen, sondern das Gesamtbild.

Haben Sie das Gefühl, dass in Ihrem Umfeld beim FC Basel dieses Schwarz-Weiss-Denken nicht vorhanden ist?

Zumindest habe ich es nicht gespürt beim Austausch mit den Leuten, die hier Entscheidungen treffen. Ich weiss aber auch, dass schlussendlich sehr vieles an den Resultaten hängt.

Der Trainer hat nicht das Gefühl, dass beim FC Basel Schwarz-Weiss-Denken herrscht: Raphael Wicky mit Sportdirektor Marco Streller (rechts) zu Jahresbeginn im Trainingscamp in Marbella.

Wenn Sie von müden und ausgelaugten Trainern sprechen – wie fühlen Sie sich nach zehn Monaten im Geschäft?

Ich bin frisch (lacht). Es scheint nicht jeden Tag die Sonne. Aber ich mache meine Arbeit sehr gerne, mit guten Leuten und jungen Sportlern. Bei einem unglaublich erfolgreichen Verein. Es geht mir gut. Ich fühle mich weder am Ende noch total ausgelaugt. Aber ich kann mir vorstellen, dass nach mehreren Jahren in dieser Drucksituation eine Pause fällig wird. Das haben andere schon gemerkt. Ich bin aber nicht an diesem Punkt.

Gratulation zu Platz 4 in der Rangliste der dienstältesten Super-League-Trainer. Hätten Sie gedacht, dass Sie so schnell auf diesem Rang stehen?

Überhaupt nicht. Deswegen sage ich ja, dass dieses Geschäft schnelllebig ist. Ich kann aus der Ferne diese Entlassungen nicht beurteilen, aber ich bin jetzt doch schon 25 Jahre im Fussball dabei. Oft wird nicht gerade extrem tiefgründig überprüft, ob eine Arbeit gut oder nicht gut ist. Auch am Ende einer Saison wird meiner Meinung nach nicht gründlich untersucht, ob man mit einer Person weiterarbeiten will oder nicht. Und dann wird sechs Monate später einfach der Trainer entlassen. Wenn man die Arbeit gründlicher analysieren würde, könnten sich Vereine viele Sachen sparen. Ich glaube nicht, dass ein Trainer im Juli der richtige ist und im September nicht mehr. Es kann sein, dass die Resultate nicht stimmen. Aber die Arbeitsweise kann nicht derart ins Negative kippen, wenn man es ein paar Wochen zuvor noch anders beurteilt hat.

Haben Sie das Gefühl, solche Entscheidungen treffen nicht Leute vom Fach, sondern vielleicht eher Geldgeber in einem Klub?

Das kann ich nicht beantworten. Es wird nicht alles gründlich genug untersucht, das ist für mich definitiv so. Kommt noch dazu, dass man in gewissen Phasen einer Saison womöglich einen extrem schwierigen Spielkalender hat. Man ist nicht zu Beginn von zwei Englischen Wochen ein Typ Trainer – und nach diesen Wochen ein komplett anderer. Ich sehe das so: Ich beschwere mich nicht, denn wenn ich das alles nicht will, wenn ich damit nicht umgehen kann, dann muss ich nicht als Trainer unterschreiben. Das ist das Geschäft, daran wird auch diese Pressekonferenz nichts ändern.

Denken Sie, dass Sie nächste Saison vermehrt unter Druck stehen werden?

Ich rechne mit dem gleichen Druck wie diese Saison. Die Erwartungshaltung des FC Basel ist extrem hoch, und das zu Recht. In der nächsten Saison werden sich diese Erwartungen kaum ändern.

https://tageswoche.ch/allgemein/es-werde-licht-neuer-anlauf-fuer-den-klassiker/

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