Xamax Neuenburg und Bulat Tschagajew rufen das Rekursgericht der Swiss Football League (SFL) an und verlangen nach dem Lizenzentzug vom Mittwoch voriger Woche aufschiebende Wirkung. Am Freitag sieht sich der Club jedoch mit dem nächsten Insolvenzantrag konfrontiert.
Noch weist die Homepage von Xamax Neuchâtel tapfer auf den Start am Samstag, 4. Februar, und das Heimspiel gegen Lausanne-Sport hin. Dass der Neuenburger Traditionsclub dieses Datum in lebendigem Zustand erreichen wird, daran glauben wahrscheinlich nur noch Eigentümer Bulat Taschagajew und seine Entourage. Wenn überhaupt. Am Montag, fünf Tage nach dem die Disziplinarkommission der SFL dem Club die Lizenz mit sofortiger Wirkung entzogen hat, haben die Neuenburger Einspruch eingelegt.
Vor dem Rekursgericht der SFL verlangt Xamax, dass aufschiebende Wirkung gewährt wird. Genau diese hatte die Disziplinarkommission im aktuellen Urteil entzogen, laut Kommissionspräsident Daniele Moro mit dem Hinweis, dass «sportlich wichtige Gründe» vorlägen. In einem Communiqué stellt sich Xamax nun auf den Standpunkt, dass die Disziplinarkammer nicht befugt sei, einen Lizenzentzug auszusprechen. Einen solchen Entscheid könne einzig die Lizenzkommission fällen. Vom Rekursgericht fordert der Club deshalb, dass der Rekurs aufschiebende Wirkung erzielt.
Neuer Konkursantrag
Während die auf ein kleines Grüppchen geschrumpfte Mannschaft am Montag noch in Dubai trainierte und spielte, liegt Xamax in den letzten Zuckungen. Auf diversen Ebenen wird gegen Tschagajew ermittelt, unter anderem wegen Urkundenfälschung. Der kommende Freitag, 27. Januar, könnte bereits das ultimative Datum für Xamax werden. Vor dem Zivilgericht in Neuenburg ist um 14 Uhr eine Anhörung anberaumt, bei der ein Antrag auf Insolvenz von Xamax verhandelt wird. Es ist der zweite Anlauf, den Ralph Isenegger unternimmt, um einer Forderung von 400‘000 Franken Nachdruck zu verleihen.
Im Oktober war ein Insolvenzantrag Iseneggers vom Richter abschlägig beschieden worden. Damals hatte Tschagajew jenes mysteriöse Dokument vorgelegt, mit dem die Bank of America ihm ein Vermögen von 35 Millionen US-Dollar attestiert hatte. Bald darauf erwies sich das Papier als plumpe Täuschung. Tschagajew aber wurstelt und wütet seither weiter, als ob nichts passiert wäre. Zehn Millionen Franken Verbindlichkeiten sollen inzwischen aufgelaufen sein.
Tschagajews Verheissungen
Einerseits hat Tschagajew bei der Neuenburger Staatsanwaltschaft vor zwei Wochen Anzeige gegen seinen Vorgänger Sylvio Bernasconi wegen «unlauterer Geschäftsführung» gestellt. Anderseits zitierte «Le Matin» am Wochenende aus dem Vertrag zwischen Bernasconi und Tschagajew. Am 8. April 2011 wurden in Genf 51 Prozent der Anteile an der Neuchâtel Xamax SA zum Preis von 1,2 Millionen Franken an den Tschetschen übertragen. Und in dem Papier festgehalten, dass der Käufer Kenntnis von der finanziellen Situation des Vereins hat. Was Tschagajew nun gerne in Abrede stellt.
Ausserdem hatte Tschagajew in diesem Papier zugesichert, sich mit jährlich knapp drei Millionen Franken zu engagieren und die Liquidität des Vereins sicherzustellen. Alles Schall und Rauch, wie sich schon bald herauskristallisierte und nun, neun Monate später, dazu führte, dass die Disziplinarkommission die Notbremse gezogen hat, nach dem Tschagajew mehrfach Aufforderungen nicht nachgekommen ist, zum Beispiel die Bezahlung von Löhnen und Sozialversicherungsabgaben nachzuweisen.
Wüthrich und Basha bei Sion
Mit 14 Akteuren bestritt Trainer Victor Munoz am Freitag in Dubai ein Testspiel, wobei Ersatzgoalie Maxim Brenet als Feldspieler eingewechselt wurde. Die beiden ehemaligen Primera-Division-Profis David Navarro und Victor Sanchez fehlten verletzt – oder wollten sich wahrscheinlich nicht der Gefahr einer Verletzung aussetzen. Denn sie werden längst auf der Suche nach neuen Clubs sein. Sébastien Wüthrich und Vullnet Basha, beide 21-jährig und beide Schweizer Junioren-Nationalspieler, haben bereits am vergangenen Donnerstag das Weite gesucht, sind nach Tunesien ins Trainingslager des FC Sion geflogen und haben sich mit den Wallisern offenbar auf Verträge bis 2015 geeinigt.
Eine fristlose Kündigung ihrer Verträge mit Xamax ist möglich, wenn drei Monate lange keine Löhne mehr überwiesen worden sind. Ende Januar ist diese Frist anscheinend erreicht.
Facchinettis Tränen vor den Fans
Eine Gruppe um den Fifa-Direktor Walter Gagg will retten, was noch zu retten ist. Wird über Xamax der Konkurs verhängt, soll es nächste Saison mit einem Budget von ein bis zwei Millionen Franken in der 1. Liga weitergehen; geht der Club komplett in die Knie, müsste in der 2. Liga ein neuer Anlauf genommen werden. Zu den Leuten um Gagg gehört auch der frühere Xamax-Präsident Gilbert Facchinetti, der am Samstag an einer Demonstration von rund 300 Fans vor dem Stadion Maladière teilnahm.
Auf Transparenten hiess es «Bulat go home» und «Tschagajew weg, Facchi komm zurück» Unter Tränen rief der 75-jährige Facchinetti den Fans zu: «Der Kampf um Xamax muss weitergehen.» Gagg, der Ehrenmitglied ist und Ende der sechziger Jahre selbst für Xamax spielte, sagte der «NZZ»: «Wir sind überzeugt, dass es uns gelingt, Xamax am Leben zu halten.»