Ambitionen mit Augenmass – Borussia Mönchengladbach moderiert seine jüngere Erfolgsgeschichte in typisch-niederrheinischer Manier. Die Young Boys als letzte Hürde vor der Champions League empfinden die Anhänger des Clubs dennoch hemmungslos als «Glückslos». Vor dem Hinspiel in Bern an diesem Dienstag müssen Verantwortliche bremsen, und Yann Sommer, rechtzeitig wieder fit, warnt vor einem schweren Brocken.
Irgendwer muss durchgearbeitet haben im Mönchengladbacher Norden, als die Fussballer in den Sommer entschwanden – wie sonst hätten die Fans des VfL Borussia 1900 vergangenen Samstag zum Saisonauftakt eine neue Architektur am Stadion ausmachen können? Der offene Baukörper vor der berühmten Nordkurve gibt einen Biergarten für 2500 Gäste ab, er war zum Nachmittags-Match mit Lazio Rom (0:0) so gerade betriebsbereit. Und die Bagger werden noch gebraucht im Borussia-Park: In Kürze sollen ein Hotel mit integriertem Fan-Shop und ein Vereinsmuseum entstehen.
Immer noch einen draufsetzen, immer breiter aufgestellt in die freien Räume hinein: Der Club aus dem Traditionsadel der Bundesliga möchte seine jüngsten Erfolge weiter ausbauen. Nur soll das im Zweifel eher bedächtig, um nicht wieder zu sagen nachhaltig, geschehen. Scheibchen für Scheibchen, Spielzeit für Spielzeit versucht man in der einstigen Textilstadt, sich einem Status mit europaweiter Ausstrahlung zu nähern. So wie das sportlich schon mal in den Siebzigern gelungen ist, zu Zeiten der Netzer, Simonsen und Heynckes – nur wirtschaftlich wie noch nie.
Zwar ist der FC Basel Schweizer Meister und dank der massgeblich von ihm gesammelten Koeffizentenpunkte direkt qualifiziert für die Gruppenphase der Champions League 2016/17. Die Playoffs haben jedoch dennoch Einfluss auf den FCB: Weil in Manchester City (gegen Steaua Bukarest) und mit dem FC Porto (gegen die Roma) zwei noch besser klassierte Clubs im Uefa-Ranking die Ausscheidung spielen, bleibt der FCB entweder in Topf 3 für die Gruppenauslosung – oder er rutscht in Topf 2, falls einer der beiden Clubs ausscheidet.
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In «Glabbach» sehnt man sich nach der Champions-League, seit man vor vier Jahren erstmals um den Einzug mitspielen durfte. Damals war Dynamo Kiew in zwei Spielen noch zu abgeklärt für die Borussen. Letzte Saison, nach dem dritten Platz in der Liga, war es dann so weit: Halb ramponiert, halb stolz wegen einiger guter Resultate, schloss man eine Hammergruppe als Letzter hinter Manchester City, Juventus und dem Sevilla FC ab.
Das hat den Ehrgeiz geweckt, es gleich noch mal zu versuchen – zumal die Young Boys aus Bern zumindest von der Fanbasis als überwindbare Hürde in der Qualifikationsrunde betrachtet werden.
«Glückslos», «lösbare Aufgabe» – so lautete der übereinstimmende Tenor in den sozialen Netzwerken der Anhänger, die zum Hinspiel in Bern (Dienstag, 20.45 Uhr. SRF info live) nun 5400 statt der obligaten 1600 Karten erwerben konnten. Auch Andi Schröder, viel gereister Mitbegründer des Schweizer «Fanclub 93» der Borussia, äusserte Zuversicht. «Besser gahts nimmer», liess sich der gebürtige Wattwiler auf der Homepage des Clubs vernehmen. Und sprach aus, was viele denken: Wer die Berner nicht eliminieren könne, habe «in der Champions League nichts zu suchen».
Wider die grosse, allzu selbstbewusste Pose
Für Sportdirektor Max Eberl ist das jedoch noch nicht abgemacht: «Wir sind Favorit, aber es wird kein Selbstläufer.» In die gleiche Richtung zielt Cheftrainer André Schubert, der den Weg der Young Boys durch die Qualifikation verfolgt hat. «Donezk rauszuschmeissen, ist schon mal ein Wort», zollt er Respekt. Und auch Yann Sommer, der als ehemaliger Basler Keeper einschätzen kann, was auf seine Vorderleute zukommt. Nämlich «ein schwieriges Los» respektive «ein harter Brocken».
Bodenhaftung ist am Borussia-Park eben Teil der Vereinskultur. Nicht zu vergessen, woher man kommt – das war das gemeinsame Mantra, mit dem Ex-Trainer Lucien Favre und Sportdirektor Eberl die öffentliche Erwartung in den vergangen Jahren regelmässig einbremsten. Es spielte auf den Frühsommer 2011 an, als der erneute Abstieg in die Zweitklassigkeit erst in der Relegationsrunde abwendet werden konnte. Und es passte zur Mentalität in der Einzugsregion: Kaum etwas ist dem niederrheinischen Kleinbürger so verdächtig wie grosse, allzu selbstbewusste Posen.
Die Champions League: Fett auf die Rippen
Die prekäre Phase ist inzwischen jedoch ebenso Vergangenheit wie Favre, der nach einem krassen Fehlstart letzten Herbst hinschmiss. Seither von Schubert geführt, konnte die Mannschaft den enormen Rückstand in der Tabelle bald aufholen und im Mai als Vierter der Liga wieder ein Ticket nach Europa lösen. Quer durch alle Etagen des Clubs ist man sich indessen einig, dass man beim Unterhalt des Profi-Kaders nicht auf die Ausschüttungen in der Prestige-Liga spekulieren sollte. Im besten Fall könne man sich damit «ein bisschen Fett auf die Rippen fressen», so Eberl.
Der alerte Sportdirektor hat mit umsichtigen Transfers wie denen von Granit Xhaka (2012) und Yann Sommer (2014) seinen Anteil an der Hausse des Vereins. Einige Fehlgriffe, wie zuletzt Josep Drmic, werden dahinter gnädig vergessen. Mit dem Abgang von Captain Xhaka (Arsenal) ist nun erneut ein Umbruch in der Symetrie zu moderieren. Also ist der Kader in der Spitze wie in der Breite ausgebaut worden – etwa mit Rückkehrer Christoph Kramer (Leverkusen) fürs defensive Mittelfeld und jungen Grosstalenten wie dem slowakischen Linksfuss Laszlo Benes oder dem französischen Spielgestalter Mamadou Doucouré.
50 Gegentore sind ein bisschen viel
Das wird Cheftrainer Schubert zugute kommen: Seine Spielidee kreist um maximale Flexibilität in der Strategie. Dazu braucht es gewandte, ballsichere Spieler, die ihr System während des Kicks auch mehrfach umstellen können. In der letzten Saison hat das offensiv phasenweise beeindruckend funktioniert, nur war die Defensive häufig leicht zu erschüttern.
Beinahe grotesk die Serie der Auswärtsniederlagen in der Rückrunde, bedenklich die Torbilanz: Mit 50 Gegentreffern in 34 Pflichtspielen lagen die Borussen am Ende gerade 2 Tore vor Eintracht Frankfurt, dem 16. der Liga.
Yann Sommer meldet sich zurück
Eine bessere Balance war darum das oberste Ziel der Saisonvorbereitung – vier Tage nach dem Termin im Stade de Suisse geht es ja in die erste Hauptrunde im DFB-Pokal. «Wir müssen in den ersten Spielen defensiv top funktionieren», fordert Schubert. Sein Defensivverbund dürfte mit dem fast zwei Meter grossen Dänen Yannick Vestergaard (von Werder Bremen) stabiler werden; das deutete sich im letzten Test gegen Lazio bereits an.
Hinter ihm meldete sich Keeper Sommer rechtzeitig zurück, schneller als erwartet von einer Kapselverletzung im Fuss genesen. Er freue sich, mit der Borussia wieder für ein Pflichtspiel in die Schweiz zu reisen, liess sich der Nationalmannschafts-Goalie am Samstag vernehmen. Dann schob er noch eine Warnung hinterher: Mit dem FC Basel sei es «immer schwierig in Bern» gewesen.
Rückspiele: 23./24. August | Auslosung Gruppenphase: Do, 25. August, 18.00 h | |
Die Playoffs zur Champions League 2016/17 | |
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FC Kopenhagen–Apoel Nikosia | Di, 20.45 |
Ajax Amsterdam–FCK Rostow/Russland | Di, 20.45 |
Dinamo Zagreb–RB Salzburg | Di, 20.45 |
Steaua Bukarest–Manchester City | Di, 20.45 |
Young Boys–Borussia Mönchengladbach | Di, 20.45 |
Ludogoretz Razgrad/Bulgarien–Viktoria Pilsen/Tschechien | Mi, 20.45 |
Celtic Glasgow–Hapoel Beer Sheva/Israel | Mi, 20.45 |
FC Porto–AS Roma | Mi, 20.45 |
Dundalk FC/Irland–Legia Warschau | Mi, 20.45 |
Villareal–AS Monaco | Mi, 20.45 |