Der sportliche Kehraus der Saison endete für den FC Basel mit einer 1:2-Heimniederlage gegen die Young Boys. Trübsal wird nicht geblasen: Nach dem Abpfiff nahm der alte und neue Schweizer Meister den Pokal in Empfang und anschliessend stand auf dem Barfüsserplatz wie gewohnt eine lange Nacht bevor.
Grosses emotionales Kino gab es im mit 36‘000 Zuschauern ausverkauften St.-Jakob-Park bereits vor dem Anpfiff: Sieben Spieler und ein Torhütertrainer, die den FC Basel mehr oder weniger freiwillig verlassen, wurden verabschiedet.
Es war eine grosse Abschiedsinszenierung, die der FC Basel auf dem Rasen zelebrierte, und FCB-Präsident Bernhard Heusler fand die angemessen Worte in wohltuender Tonlage. Die gesamte Clubführung und der Trainerstab warteten am Mittelkreis auf die Protagonisten, die durch einen über eine Platzhälfte reichenden Spalier aus Kindern und den restlichen Spielern der 1. Mannschaft einliefen.
Die drei Torhüter Massimo Colomba, Marcel Herzog und Romain Crevoisier (Goalietrainer) machten den Anfang. Dann folgten die FCB-Eigengewächse Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri, die – das nur am Rande erwähnt – mit ihren Wechseln zu Borussia Mönchengladbach und Bayern München dem Club einen Transferertrag von mehr als 25 Millionen Franken hinterlassen.
Ein Adios, Bye bye und ein Tschüss für immer
Bei den beiden Youngsters darf man der Hoffnung sein, dass sie eines schönen Tages auch Teil des Rückholungsprogramms des FC Basel sein werden. Shaqiri verneigte sich vor seinem Publikum und zollte später, als der 20-Jährige im Spiel ausgewechselt wurde, mit einem T-Shirt-Aufdruck («Danke für die Treue») seinen Respekt. Er geht mit fünf Titeln im Gepäck nach München.
Granit Xhaka schaute auf «sieben schöne Jahre bei den Junioren und zwei schöne Jahre bei den Profis» mit drei Titeln zurück: « Was will ich mehr?» Der 19-Jährige sagte zur Abschiedsszene: «Ich konnte keine Tränen zeigen, aber innerlich habe ich geweint.»
Bei den drei letzten Spielern, die am Mittwoch Adios, Bye bye und Tschüss sagten, wird der Abschied endgültig sein. Wahrscheinlich auch bei David Abraham. Der 26-jährige Argentinier verlässt nach vier Jahren Basel mit auslaufendem Vertrag und flirtet mit dem Hamburger SV. Das hat einer seiner Berater nach Medienberichten am Mittwoch bestätigt.
Somit wehte am gestrigen Abend quasi auch ein winziger Hauch von Thorsten Fink durchs Stadion, dem heutigen HSV-Trainer, der 2009 den Umbruch beim FCB nach der Ära Gross eingeleitet hat und am Anfang der dreijährigen Dominanz des FCB stand, eine Zeit, in der fünf von sechs möglichen Titeln ans Rheinknie gingen.
Tränenreich und berührend
Anschliessend wurden die Taschentücher ausgepackt – oder es flossen wie bei Marco Streller und Valentin Stocker hemmungslos die Tränen, als Scott Chipperfield und Benjamin Huggel letztmals im FCB-Wettkampfdress das Joggeli betraten. Nachdem beide zusammen fast 800 Wettbewerbsspiele für den FCB bestritten haben. Huggel trug die Captainbinde, die ihm Alex Frei in diesem Abschiedsspiel überlassen hatte. Captain Marco Streller nahm auf der Bank Platz.
Beim Australier Chipperfield war der Jubel und Beifall vielleicht um ein paar unwesentliche Dezibel lauter als beim Münchensteiner – intensiv und berührend waren beide Momente gleichermassen. Die Muttenzerkurve feierte Huggel, den Zeremonienmeister der Siegesfeiern auf dem Barfüsserplatz, mit «Beni-Huggel»-Sprechchor. Und für Chipperfield dichteten die Fans ihr «Einsnull, Zweinull, Dreinull, Viernull, Scott, Scott, Chipperfield» in die vollständige Aufzählung sämtlicher Titel um – 13 sind es insgesamt, womit der 36-Jährige der erfolgreichste Spieler in fast 120 Jahren FCB-Geschichte ist, dicht gefolgt von Huggel mit zwölf Titeln.
«Es gibt keinen Grund, traurig zu sein», sagte Huggel nach dem letzten Spiel, mit den beiden letzten gewonnenen Pokalen im Arm, «ich bin glücklich und stolz darauf, was ich erreicht habe.» Der Aderlass an Qualität und vor allem an Persönlichkeit, den der FC Basel in diesem Sommer erlebt, ist gross, aber Huggel ist nicht bange: «Ich sehe die Zukunft des FCB rosig.»
«Das lässt sich nicht eins-zu-eins ersetzen», sagt Präsident Heusler zum Umbruch, «aber die Abgänge treffen uns nicht unvorbereitet, und die neuen Spieler werden neue Elemente einbringen.»
Ein Abend mit einer schweren Verletzung
Fussball gespielt wurde auch noch. Für die Berner ging es noch darum, die Luzerner abzufangen, um sich eine Runde in der Europa League zu ersparen. Das misslang, weil die Innerschweizer in Sion gewannen. Der 2:1-Sieg, mit dem die Berner dem Meister die zweite Heimniederlage beibrachten, verschafft ihnen vielleicht eine winzige Genugtuung nach einer Saison, die trotz Platz 3 alles andere als nach ihren Wünschen verlaufen ist.
Einen bitteren Moment musste YB auch noch in Basel wegstecken. Joshua Simpson verletzte sich schwer, als Markus Seinhöfer nach einem Luftduell mit dem ganzen Körpergewicht auf seinen Gegenspieler fiel. Der Kanadier zog sich dabei einen Schien- und Wadenbeinbruch zu. In all der Feierlaune nach Spielschluss vergass FCB-Trainer Heiko Vogel den Gepeinigten nicht: «Ich war schockiert. Wir wünschen ihm gute Besserung und hoffen, dass er bald zurück ist.»
Ansonsten spielten beide Mannschaften lustvoll: Die Basler wie gewohnt die Hauptlast der Spielanteile tragend, mit ihren vielen Chancen verschwenderisch umgehend; die tief stehenden Berner jederzeit gefährlich konternd. Den fein herausgespielten Führungstreffer von YB beantwortete Xherdan Shaqiri mit einem für ihn so typischen Tor: vom Flügel zur Mitte ziehend und mit links hart und flach aus 22 Metern abdrückend.
Die Schlusspointe gelingt dem FCB nicht
Die Berner gingen neuerlich in Führung, weil Martinez Sommers ausgefahrene Hand als willkommene Abflugrampe nutzte. Costanzo scheiterte zwar an Elfmetertöter Sommer, der aber gegen den Nachschuss von Vitkieviez machtlos war.
Die Schlusspointe ging aus Basler Sicht nur knapp daneben: Fabian Frei traf den Pfosten und im Nachsetzen scheiterte ausgerechnet Scott Chipperfield in der 90. Minute an einem Reflex von Wölfli. Damit beendet der FCB nach dem Cupsieg eine in jeder Hinsicht extraordinäre Saison als überlegener Schweizer Meister mit 20 Punkten Vorsprung auf den Zweiten FC Luzern. Und es deutet in der Super League derzeit noch nichts darauf, dass der Basler Monolog schnell wieder vorbei sein könnte.
Der Pokal zum ersten Titel-Hattrick
Nachdem der 15. Meistertitel schon Ende April gesichert war, der erste Titel-Hattrick der Clubhistorie, war es um 22.26 Uhr dann soweit. Auf einem Podium auf dem Spielfeld nahm Captain Marco Streller den goldenen Meisterkübel aus den Händen von Liga-Präsident Heinrich Schifferle entgegen. Im güldenen Konfettiregen begann die Mannschaft ihre Ehrenrunde durchs Stadion – und die Nacht gipfelt wie gewohnt mit einer weiteren Vollversammlung Basler Fussball-Glückseligkeit auf dem Barfüsserplatz.
«Die Bilder sprechen für sich», sagte Heiko Vogel noch, «es war eine grandiose Saison, sie war nicht einfach, und es war auch nicht einfach, nachdem der Titelgewinn in der Meisterschaft feststand, die Spannung bis zum Cupfinal aufrecht zu erhalten. Aber das ist uns gelungen.» Anschliessend musste sich der Meistertrainer ein weiteres Mal als Feierbiest beweisen.
Super League, 36. Runde
FC Basel–Young Boys 1:2 (0:1)
St.-Jakob-Park. – 36‘000 (ausverkauft). – SR Studer.
Tore:
19. Costanzo 0:1 (Simpson hebt den Ball an der Strafraumkante elegant über die FCB-Verteidigung und der völlig freistehende Costanzo trifft mit trockenem Volleyschuss)
33. Shaqiri 1:1 (Vorarbeit von Steinhöfer – so wird man Shaqiri in Erinnerung behalten: zieht vom rechten Flügel mit dem Ball zum Zentrum, umkurvt zwei Gegenspieler, zieht aus 22 Metern mit links ab und trifft flach ins Toreck).
80. Vitkieviez 1:2 (Nachschuss nach dem Sommer einen – von ihm an Martinez verursachten – Foulelfmeter von Costanzo pariert).
Verwarnungen: 22. Xhaka (Foul), 23. Simpson (Foul), 48. Ojala (Foul), 79. Sommer (Foul).
FC Basel: Sommer; Steinhöfer, Abraham, Dragovic, Park; Shaqiri (61. Yapi), Huggel (72. Fabian Frei), Xhaka, Stocker; Zoua, A. Frei (83. Chipperfield). – Ersatzbank: Colomba (T), Streller, P. Degen, Yapi, Chipperfield, F. Frei, Andrist.
YB: Wölfli; Zverotic, Ojala, Veskovac, Lecjaks; Nuzzolo, Costanzo, Farnerud (92. Bürki), Simpson (43. Vitkieviez); Martinez (80. Bertone), Mayuka. – Ersatzbank: Benito (T), Gonzalez, Mveng, Vitkieviez, Bürki, Bertone.
Bemerkungen: FCB ohne Kusunga (gesperrt), Voser, Ajeti, Jevtic; YB ohne Spycher, Bobadilla, Doubai (alle gesperrt), Ben Khalifa, Nef, Raimondi (verletzt), D. Degen (ohne Aufgebot). – 43. Simpson scheidet mit Schein- und Wadenbeinbruch aus, nachdem Steinhöfer im Luftduell auf ihn fällt. – 70. Pfostenschuss Vitkieviez. – 90. Wölfli lenkt Schuss von Fabian Frei an Pfosten.
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