Zidane zettelt eine Debatte über sich selbst an

Weil Barcelona in Malaga verliert, weicht die Enttäuschung bei Real Madrid über das 1:1 im Derby gegen Atlético schnell der Vorfreude auf das Champions-League-Duell am Mittwoch gegen Bayern München. Sorge bereitet einzig der Ausfall von Schlachtross Pepe, und irritiert ist man in Spanien über die Trainerdebatte, die Zinédine Zidane losgetreten hat.

Football Soccer - Real Madrid v Atletico Madrid - Spanish La Liga Santander - Santiago Bernabeu Stadium, Madrid, Spain - 8/04/17 - Real Madrid's coach Zinedine Zidane during the match. REUTERS/Juan Medina

(Bild: Reuters/Juan Medina)

Weil Barcelona in Malaga verliert, weicht die Enttäuschung bei Real Madrid über das 1:1 im Derby gegen Atlético schnell der Vorfreude auf das Champions-League-Duell am Mittwoch gegen Bayern München. Sorge bereitet einzig der Ausfall von Schlachtross Pepe, und irritiert ist man in Spanien über die Trainerdebatte, die Zinédine Zidane losgetreten hat.

Wie ein Basketballer versteckte Zinédine Zidane den Ball, zeigte ihn kurz her und liess ihn dann doch hinter dem Rücken in die andere Hand gleiten. Atléticos Filipe Luis ging leer aus, das Estadio Santiago Bernabéu johlte. Im Madrider Stadtderby am Samstagnachmittag führte Real mit 1:0, und wenn seine Mannschaft diese Führung durch einen Kopfball von Pepe auch eher industriell herausgespielt hatte, so zeigte wenigstens der Trainer ein bisschen Magie. Tiefblauer Himmel, nur noch zehn Minuten, ein fast perfekter Frühlingstag.

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Fünf Minuten später veränderte sich nicht die Welt. Aber doch der Aggregatszustand von Real Madrid, für ein paar Stunden jedenfalls. Auf einmal beschleunigte Atlético, der eingewechselte Ángel Correa wurde im Mittelfeld nicht gestört und hebelte die Abwehr mit einem Pass aus. Antoine Griezmann vollendete zum 1:1.

Da war es wieder, das aus zwei Champions-League-Finals bekannte Ergebnis der Nachbarn, doch in der Liga gibt es keine Verlängerung und kein Elfmeterschiessen für den Mythos Real. In der Liga trudelte das Spiel einfach aus, in der letzten Szene legte Dani Carvajal den Ball zu weit nach vorn und sich selbst auf den Boden, platt, machtlos, frustriert.

Pepe verpasst den Schlager gegen die Bayern

«Wir haben es nicht verstanden, zusammen zu leiden», kritisierte Captain Sergio Ramos, und die Stimmung wurde zusätzlich von einer Nachricht aus dem Krankenhaus getrübt: Pepe hatte sich bei einem Zusammenstoss mit Teamkollege Toni Kroos zwei Rippen gebrochen, wodurch in den anstehenden Champions-League-Duellen gegen Bayern München nach Raphael Varane ein weiterer Innenverteidiger ausfällt.



Football Soccer- Spanish La Liga Santander - Real Madrid v Atletico Madrid - Santiago Bernabeu Stadium, Madrid, Spain - 08/04/17 - Real Madrid's Pepe scores a goal. REUTERS/Sergio Perez

Erst trifft Pepe per Kopfball gegen Atlético zur Führung… (Bild: Reuters/Sergio Perez)



Football Soccer - Real Madrid v Atletico Madrid - Spanish La Liga Santander - Santiago Bernabeu Stadium, Madrid, Spain - 8/04/17 - Real Madrid's Pepe reacts during the match. REUTERS/Juan Medina

…dann scheidet er nach einem Zusammenstoss mit seinem Mitspieler Toni Kroos mit gebrochenen Rippen aus. (Bild: Reuters/Juan Medina)

Dass das Remis gegen Atlético für Real nach drei verlorenen Liga-Heimderbys am Stück in statistischer Hinsicht sogar einen Fortschritt darstellte – den Hinweis mochte sich da niemand trauen. «Wir haben ganz klar zwei Punkte verloren», sagte Zidane. Er sei nicht «angeschlagen», nein, «das werde ich nie sein, was auch immer passiert, ich werde lächeln». Aber «enttäuscht», das schon. Ramos verwendete später exakt dasselbe Begriffspaar, «angeschlagen»: nein, «enttäuscht»: ja, aber er sprach von «wir».

Aus heiterem Himmel liefert Zidane eine Schlagzeile

Normalerweise tut Zidane das auch. In 15 Monaten als Trainer von Real Madrid hatte der Franzose so gut wie nie über sich gesprochen. Entsprechende Fragen beantwortete er mit seiner Aura, immer mit diesem Lächeln, immer banal, immer freundlich, nie beleidigt, so wie er es sich bei Carlo Ancelotti abgeguckt hat, seinem Trainerchef in der Saison 2013/2014 und nächsten Gegner am Mittwoch.

Macht ihn dieses Wiedersehen nervös? Nervt ihn der unzufriedene Edelreservist James Rodríguez allmählich über jede Geduldsgrenze hinaus? Oder ist ihm irgendetwas aus dem Verein zu Ohren gekommen, Kritik, Intrigen, Gedankenspiele für eine Zukunft ohne ihn? Jedenfalls hat Zidane aus buchstäblich heiterem Himmel eine Debatte angezettelt – über sich selbst.



Football Soccer - Real Madrid v Atletico Madrid - Spanish La Liga Santander - Santiago Bernabeu Stadium, Madrid, Spain - 8/04/17 - Atletico Madrid's Antoine Griezmann (C) celebrates a goal with his teammates Angel Correa (L) and Filipe Luis. REUTERS/Juan Medina

Diebische Freude: Atlético entführt mit dem Ausgleich durch Antoine Griezmann (hier flankiert von Vorlagengeber Angel Correa, links, und Filipe Luis) einen Punkt aus dem Derby im Bernabeu. (Bild: Reuters/Juan Medina)

Bereits am Tag vor dem Spiel hatte er zur Siesta-Zeit die Redaktionen aufgeschreckt, indem er wohl erstmals überhaupt in seiner Amtszeit eine echte Schlagzeile lieferte: «Ich bin mir nicht sicher, ob ich weitermache, und ich bereite nichts für nächste Saison vor.» Erstaunlich, wo er doch einen Vertrag bis 2018 hat und angesichts des bisherigen Leistungsnachweises (Champions-League-Titel, 125 von 150 möglichen Punkten in der Liga) vermeintlich fest davon ausgehen könnte, diesen auch erfüllen zu dürfen.

Thema Zidane? Offiziöse Kanäle versuchten noch zu beruhigen, da legte der Franzose nach dem Atlético-Spiel gleich noch einen drauf. Seine Zukunft, macht er weiter? «Das musst du jemanden anders fragen, nicht mich. Ich gehe jedem Tag mit der Freude zum Training, dieses Trikot zu tragen. Über den Rest werde ich nicht spekulieren.»

Zidane scheint sich angegriffen zu fühlen

Mit anderen Worten: Zidane scheint sich angegriffen zu fühlen, mehr von innen als von aussen, aber klar, wenn er die Debatte haben will, dann kann er sie in Reals meinungsfreudigem Umfeld schnell bekommen. Für den Anfang fehlte in kaum einer Analyse der Hinweis, dass er wie im letzten Champions-League-Finale bei 1:0 ausgerechnet Kroos auswechselte – den Mann für die Spielkontrolle. Zweimal derselbe Fehler: auch das untypisch für den sonst sehr lernfähigen Jungtrainer Zidane.

Oft mühsame Siege, fehlende Spielidee, überschaubarer Glamour – das alles soll Präsident Florentino Pérez manchen Quellen zufolge derart missfallen, dass nur Titel seinen einstigen Lieblingsspieler im Amt halten würden. Was andererseits nichts Neues wäre bei Real Madrid. Vor knapp zwei Jahren wurde Ancelotti abgesägt, obwohl sich die Mannschaft in seltener Deutlichkeit hinter ihn gestellt hatte. Diesmal äussert sich Captain Ramos vorsichtiger. «Zur Zukunft des Trainers kann ich nichts sagen, nur zur Gegenwart. Die Mannschaft ist sehr zufrieden mit der Art, wie er sie führt.»

«Das Fleisch ist auf dem Grill»

Jetzt gelte es an die Bayern zu denken, so Ramos. «Das Fleisch ist auf dem Grill, die grossen Spiele kommen … Danach werden wir schon sehen, ob er bleibt oder geht.» Ein flammendes Plädoyer für Zidanes Qualitäten als Fussball-Lehrer hätte sich anders angehört.

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Datum

Paarung

Rückspiel

Di, 11. April Juventus Turin–FC Barcelona 19.4.
  Borussia Dortmund–AS Monaco 19.4.
Mi, 12. April Bayern München–Real Madrid 18.4.
  Atlético Madrid–Leicester City 18.4.

Und auch das zwischenmenschliche Verhältnis ist nicht immer ganz so harmonisch, wie es nach aussen beschworen wird. Zidanes Führungsstil ist distanzierter als der des sanften Ancelotti. Das erlaubt ihm, einem WM-Torschützenkönig wie James nicht mehr Privilegien zu gestatten als jedem Nachwuchskicker aus der eigenen Jugend.

Doch in der Mannschaft kommt nicht gut an, dass er nach jedem Rückschlag grundsätzlich auf die «Einstellung» der Spieler abhebt. Ramos soll ihn dafür nach der letzten Niederlage in Valencia im Namen des Teams zur Rede gestellt haben.

Weil Barcelona verliert, hat Real alle Vorteile

Auf der anderen Seite gibt es da noch eine Sache, die man nicht lernen kann, die man haben muss. Zidane hat sie im Überfluss: Fortune. Gut vier Stunden nach der Enttäuschung im heimischen Bernabéu kam aus Andalusien das Endergebnis des Spätspiels. Málaga 2, FC Barcelona 0. Real hat nicht, wie von allen nach dem Schlusspfiff befürchtet, die Tabellenführung verloren, sondern sie sogar noch ausgebaut.

Drei Punkte sind es jetzt, bei noch einem Nachholspiel in der Hinterhand. Da lässt sich schon wieder entspannter auf den «Clásico» blicken, der direkt auf die beiden Bayern-Spiele folgt. Nach vier Jahren ohne Meisterschaft hat die Liga in Madrid absolute Priorität. Und auch nach München fährt es sich jetzt schon wieder etwas unbeschwerter.

Die Tabelle der Primera Division:



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