Zu Gast beim kleinen Fussballwunder

Mit viel Respekt begegnet der FC Basel seinem Gegner Ludogorets Razgrad. Die Punkte im dritten Champions-League-Gruppenspiel will der Schweizer Meister dennoch am Mittwoch (20.45 Uhr) aus Sofia mitnehmen.

epa04456569 Basel's coach Paulo Sousa (C) runs with players during a training session at Vassil Levski stadium in Sofia, Bulgaria, 21 October 2014. FC Basel play PFC Ludogorets Razgrad in the UEFA Champions League Group B soccer match in Sofia on 22 October 2014. EPA/VASSIL DONEV (Bild: Keystone/VASSIL DONEV)

Mit viel Respekt begegnet der FC Basel seinem Gegner Ludogorets Razgrad. Die Punkte im dritten Champions-League-Gruppenspiel will der Schweizer Meister dennoch am Mittwoch (20.45 Uhr) aus Sofia mitnehmen.

Er erscheint ja schon märchenhaft genug, der Aufstieg von Ludogorets Razgrad im bulgarischen Fussball. 2010 kletterte der Provinzclub von der dritten in die zweite Liga, ein Jahr später spielte er bereits in der höchsten Klasse, der «A grupa». Seither hat Ludogorets quasi alles gewonnen, was es in Bulgarien zu gewinnen gibt und den grossen Hauptstadtclubs den Rang abgelaufen.

Dreimal hintereinander ist Razgrad Meister geworden, zweimal wurde das Double geholt und zweimal sogar das Triple inklusive Supercup. Das Triple 2012 als Aufsteiger ist eine Marke, die zuvor weltweit nur ein anderer Club als Neuling in der höchsten Spielklasse erreicht hat: der estnische Club FC Levadia Tallinn.

Und nun, erstmals für die europäische Königsklasse qualifiziert, will Ludogorets die ersten Punkte für Bulgarien überhaupt in der Champions League holen. Zweimal sind sie bisher knapp daran vorbei geschrammt. Bei der Premiere in Liverpool entschied ein Elfmeter von Steven Gerrard in der Nachspielzeit die Partie zugunsten der Engländer. Und Real Madrid konnte nach frühem 0:1-Rückstand das Spiel in Sofia erst in der Schlussphase durch den eingewechselten Karim Benzema entscheiden.

Der Respekt des FCB vor dem Gegner

«Wir haben zwei gute Spiele gezeigt, und wir versuchen, dies gegen Basel zu wiederholen», sagt Georgi Dermendzhiev im Bewusstsein, dass Real und Liverpool die einfacheren Aufgaben waren, weil niemand etwas von seiner Mannschaft erwartet hatte. «Gegen Basel ist es für beide Teams ein Endspiel», sagt der Trainer des bulgarischen Meisters.

Fast 400 Kilometer muss zurücklegen, wer in Razgrad lebt und seine Mannschaft in der Champions League in Sofia unterstützen will.

Der 59-Jährige übernahm am 1. August – zwischen den beiden Playoffspielen gegen Bukarest – den Cheftrainerposten in Razgrad. Wie schon vor Jahresfrist hatte Clubbesitzer Kyril Domustschiew nicht lange gezögert, und Stojtscho Stoew den Stuhl vor die Tür gestellt. Dies, nachdem Stoew genau ein Jahr zuvor einen anderen Meistertrainer, Ivalyo Petev, Knall auf Fall abgelöst hatte.

Der grosse Vorteil von Georgi Dermendzhiev ist, dass er seit dem Einstieg von Kyril Domustschiew als Nachwuchschef für Ludogorets arbeitete, den Club in und auswendig kennt und mithin auch die Spieler. Voll des Lobes ist denn auch sein Basler Kollege: «Die Mannschaft spielt noch intensiver, noch temporeicher, sie ist noch erfahrener geworden und glaubt an sich und seine Stärken.»

Paulo Sousa geht noch weiter: «Ludogorets hätte gegen Liverpool und Real Madrid mehr verdient gehabt. Es ist ein Gegner, der uns grossen Respekt abfordert.»

Ludogorets – keine Eintagsfliege

Sehr lebhaft hat Bernhard Heusler noch die Partie vergangenen August in Sofia vor Augen. «Ich weiss noch, wie ich mich gefühlt habe, als Ludogorets nach der Pause 2:1 in Führung gegangen ist», erzählt der FCB-Päsident, «ein Gegner, dessen Name in Basel kaum bekannt war. Wir haben damals von der enormen Konterstärke Salahs und von enormer Effizienz profitiert.»

Der FCB qualifizierte sich mit dem 4:2 in Sofia, wo Giovanni Sio anstelle des auch damals verletzten Marco Streller beim Debüt im FCB-Dress das 3:2 erzielte, und einem anschliessenden 2:0-Sieg in Basel für die Champions League. Die Bulgaren trösteten sich in der Europa League mit einer famosen Gruppenphase, schalteten Lazio Rom in der K.o.-Phase aus und scheiterten erst in den Achtelfinals an Valencia.



epa04424861 PFC Ludogorets' head coach Georgi Dermendzhiev speaks during a press conference at Vassil Levski Stadium in Sofia, Bulgaria, 30 September 2014. PFC Ludogorets Razgrad will face Real Madrid in the UEFA Champions League Group B soccer match on 01 October 2014 in Sofia. EPA/VASSIL DONEV

Will mit Ludogorets gegen den FC Basel die ersten Punkte für Bulgarien überhaupt in der Champions League einfahren: Trainer Georgi Dermendzhiev, seit 1. August in Razgrad im Amt. (Bild: Keystone/VASSIL DONEV)

Ein Jahr später hat Ludogorets den nächsten Schritt gemacht, und unterstrichen, dass das kleine Fussballwunder im Nordosten Bulgariens keine Eintagsfliege ist.

Dazu gehörte das Wettkampfglück und ein Innenverteidiger namens Cosmin Moti, der nach einer roten Karte für Stammkeeper Vladislav Stoyanov im Tor stand und im Elfmeterschiessen gegen Steaua Bukarest zweimal parierte.

An was sich Heusler ebenso erinnert, ist der Austausch mit dem Clubchef. Kyril Domustschiew, der sein Geld zusammen mit seinem Bruder mit Spielwaren, Immobilien und als Reeder macht, kaufte sich 2010 in den Club ein und führte ihn an die Spitze des bulgarischen Fussballs und nun in die Champions League. Mit einem Budget von acht Millionen Euro, wie es heisst. «Und mit einem Konzept, das ein Mix aus Unternehmertum und Identifikation mit dem Club ist», wie Heusler den Ludogorets-Eigner wahrgenommen hat.

Sousa erwartet Razgrad offensiv

Der FCB geht als klar höher dotierter Rivale in dieses erneute Duell. Platz 18 im Uefa-Ranking gegenüber Platz 80 von Ludogorets bedeutet bei Anpfiff zwar wenig, aber im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als gegen Steaua Bukarest als die nominelle Nummer 4 in der Gruppe lediglich zwei 1:1-Unentschieden herausschauten, wollen sich die Basler mit dem Punktemaximum gegen den bulgarischen Meister eine gute Ausgangslage für den Einzug in die Achtelfinals verschaffen.

Der statistische Vergleich von Ludogorets Razgrad und dem FC Basel nach den ersten beiden Gruppenspielen.

Was das für die Marschroute des FCB am späten Mittwochabend – der Anpfiff ist um 21.45 Uhr Ortszeit – bedeutet? Sousa sagt: «Für beide Mannschaften ist es ein sehr wichtiges Spiel, und ich erwarte Ludogorets anders als gegen Liverpool und Real.» Das heisst: Weniger abwartend und weniger auf Konter lauernd. Dafür offensiver und selbst die Initiative ergreifend. Das, so die Hoffnung des FCB-Trainers, sollte dem Schweizer Meister Räume eröffnen.

Mit welcher Elf Sousa dem Gegner entgegentreten wird, ist wie immer mit ein paar Fragezeichen versehen. Wird er in vorderster Reihe Breel Embolo bringen, der einen bravourösen, aber auch kräftezehrenden Einsatz am Samstag in Bern hinter sich hat? Oder Giovanni Sio mit dessen guten Erinnerungen?

Ob Shkelzen Gashi auf sein Champions-Leagie-Debüt hoffen darf liess der Trainer ebenso offen. Auf dem rechten Flügel könnte der ausgeruhte Derlis Gonzalez zum Zug kommen, und hinten ist Fabian Schär einsatzbereit und könnte einen Dreierblock mit Taulant Xhaka und Marek Suchy bilden. Das zentrale Mittelfeld stellt sich nach den Ausfällen von Marcelo Diaz (Sperre) und Matias Delgado (Verletzung) mit Fabian Frei, Geoffroy Serey Die und Mohamed Elneny von selbst auf – so Sousa sich nicht an Luca Zuffi erinnert.

Ein Basler Sieg schafft klare Verhältnisse

Im Vasil Levski Nationalstadion werden am Mittwoch gegen 40’000 Zuschauer erwartet – und damit einige mehr als die knapp 12’000 beim ersten Aufeinandertreffen von Razgrad und Basel. Mit einem Sieg schafft der FCB klare Verhältnisse und darf auf Platz 2 und die Achtelfinals schielen. Gewinnt Razgrad, sind die Bulgaren zurück in der Verlosung, und was das aus Sicht des Clubbesitzers bedeutet, hat Kyril Domustschiew nach der Niederlage gegen Real ohne mit der Wimper zu zucken formuliert: «Unser Ziel bleibt Platz 2 in der Gruppe.»

Sich hohe Ziele zu setzen gehört bei Ludogorets offenbar wie selbstverständlich dazu. Ihre Erfolgssträhne hat die Bulgaren noch nicht Lügen gestraft.

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