Fünf Monate nach dem spektakulären Finale zwischen den ZSC Lions und Bern, als ein umstrittenes Goal 2,5 Sekunden vor Schluss von Spiel 7 den Zürchern den Titel eintrug, beginnt die neue Eishockey-Saison. Im Fokus stehen die finanziellen Verhältnisse der zwölf NLA-Clubs.
Nicht der grandiose Final mit 100’000 Zuschauern in PostFinance-Arena (Bern) und Hallenstadion (Zürich) und weiteren fast 4 Millionen Zusehern im TV (800’000 bei Spiel 7) prägten den Sommer, sondern das unsägliche Finanzdebakel der Kloten Flyers. Nur das Einspringen von Verbandspräsident und Milliardär Philippe Gaydoul rettete den Klotener Traditionsklub, denn ein anderer Retter war Ende Juni weit und breit keiner in Sicht.
NLA-Start in drei Teilen
Die neue NLA-Saison nach altem Modus (50 Qualifikationsspiele) wird am Mittwoch mit ZSC–Langnau eingeläutet. Am Donnerstag empfängt Zug den HC Lugano, die restlichen vier Partien steigen am Freitag, und am Samstag schliesst sich gleich die zweite Runde an. Zum Spielplan.
EHC Basel beginnt am Freitag
Der EHC Basel eröffnet die NLB-Saison am Freitag mit dem Heimspiel gegen den letzten Qualifikatioonssieger Lausanne HC (20.00 Uhr, St.-Jakob-Arena).
Gaydoul musste nach der Rettungsaktion zwar das Verbandspräsidium abgeben, vermochte aber das Worst-Case-Szenario abzuwenden. Eine Saison ohne Kloten mit elf Klubs hätte die Liga viel Geld und Goodwill gekostet (TV-Verträge, zentrale Vermarktung), wäre für das Schweizer Hockey ein unermesslicher Verlust gewesen (weil Kloten in der Nachwuchsarbeit eine Führungsrolle einnimmt) und hätte auch die erfolgreiche Ära von Gaydoul als Verbandsobmann in den Dreck gezogen.
Aber die Saison 1 nach dem «Fall Kloten» ist zugleich die Stunde X vor dem nächsten Problemfall. Denn kein NLA-Verein vermag mit Eishockey Geld zu verdienen, nicht einmal der grosse SC Bern mit seinen über 15’000 Zuschauern pro Spiel. Die Berner schreiben dank mittlerweile 16 Gastronomiebetrieben schwarze Zahlen. Beim HC Ambri-Piotta betrug letzte Saison der operative Verlust 3,9 Millionen Franken – noch mehr als bei den Kloten Flyers.
Zehn Auswärtsspiele für die Langnau-Tigers
Mit Hilfe einer Aktienkapitalerhöhung und Sammelaktionen wurde das Minus um zwei Millionen Franken reduziert. Bei Kloten, den ZSC Lions und Lugano stopf(t)en Milliardäre die Löcher. Die Rapperswil-Jona Lakers fahren dank eines spendablen Verwaltungsrats im Moment eine Vorwärtsstrategie. Und beim HC Davos heisst der «Mäzen» nicht Gaydoul, Frei oder Mantegazza, sondern Spengler Cup. Für Klubs wie Servette, Biel, Langnau, Biel oder Ambri ist jede Saison aber auch eine finanzielle Gratwanderung.
Grosse Hoffnungen hegen die SCL Tigers in die Renovation der Ilfishalle, die 30 Millionen Franken verschlingt, und wegen der die Langnauer die ersten zehn Saisonspiele auswärts bestreiten müssen, das erste am Mittwochabend beim ZSC. Erst am 20. Oktober gegen Servette bestreiten die Tigers das erste Heimspiel; vollendet wird der neue «Eispalast» aber erst nächsten Sommer. Mit zusätzlichen Events und dem Gastro-Wirtschaften ins eigene Portemonnaie wollen die Langnauer wie später hoffentlich auch Biel, Genf, Zürich, Freiburg und Ambri im eigenen Stadion zusätzliche Mittel für den Spielbetrieb generieren.
Verleitet ein Lockout erneut?
Die Vernunft der Clubvorstände und -Verwaltungsräte dürfte schon kurz nach Klotens Rettung auf die Probe gestellt werden. Nach der ersten Meisterschafts-Doppelrunde dürfte feststehen, dass in der National Hockey League (NHL) wie letztmals vor acht Jahren die Spieler von der Liga ausgesperrt werden (Lockout). Auf den Markt kommen auf einen Schlag unzählige teure Stars. Noch immer wird in der Leventina davon geschwärmt, wie es war, als 1994/95, beim vorletzten Lockout, Waleri Kamenski für den HC Ambri-Piotta stürmte. Es ist damit zu rechnen, dass mit NHL-Haudegen vor leuchtenden Augen diverse Verwaltungsräte finanzielle Abenteuer lancieren werden. Und ebenso sicher ist, dass auch nächsten Sommer wieder der eine oder andere Klub wird um Geld betteln müssen.
Sportlich bilden der SC Bern, die ZSC Lions als Meister und der HC Davos die Spitze. Dahinter formiert sich ein Mittelfeld mit vier oder fünf Teams, welche ebenfalls über die Chance verfügen, mit einem guten Playoff-Lauf bis zum Meistertitel zu stürmen. Letzte Saison marschierten die ZSC Lions nach Platz 7 in der Qualifikation bis zum Titelgewinn durch. Das Mittelfeld bilden Fribourg, Zug, Lugano, Servette und Kloten. Die Kloten Flyers verfügen auch nach den Abgängen von Sven Berger, Arnaud Jacquemet, Steve Kellenberger, Sebastian Sutter, Roman Wick und Benjamin Winkler immer noch über viele starke Schweizer Akteure und zwei Handvoll Spieler aus dem erweiterten Nationalmannschaftskader (Rüeger, Blum, Du Bois, von Gunten, Bieber, Bodenmann, Hollenstein, Lemm, Liniger, Stancescu). Mit mehr als zwei Ausländern könnten die Flyers schon im Jahr 1 nach dem Fast-Lichterlöschen wieder um den Titel mitreden.
Bescheidene Berner, Davos vor dem Umbruch
Für eine spannende Meisterschaft spricht, dass selbst der gesunde SC Bern eine neue Bescheidenheit an den Tag legt. Die Spieler, die im Zug der Ausgabenreduktion in Kloten die Flyers verlassen mussten, landeten nicht in Bern. Die Berner Neuverpflichtungen heissen stattdessen Flurin Randegger, Daniel Rubin und Franco Collenberg. Klar stärker als letzte Saison wirken auf den ersten Blick vor allem die ZSC Lions und die Rapperswil-Jona Lakers. Aber die Rapperswiler wurden letzte Saison abgeschlagen Letzte der Qualifikation, und auch die Lions büssten vor den Playoffs über 20 Punkte auf den Qualifikationssieger EV Zug ein.
Besonderes Interesse weckt vor der neuen Saison der HC Davos – aber nicht, weil er seit 2005 in allen ungeraden Jahren Meister wurde und deshalb rein zahlentechnisch in der Saison 2012/13 wieder an der Reihe wäre. Arno Del Curto leitet in seiner 17. Saison an der Davoser Bande (!) den Umbruch ein. Vier Teenager (Devin Muller, Enzo Corvi, Sven Ryser, Gregory Hofmann) plus die ebenfalls noch nicht so alten Verteidiger Noah Schneeberger und Patrick Schommer wechselten nach Davos, wo in den nächsten Jahren die Karrieren von Reto und Jan von Arx, Josef Marha und Sandro Rizzi enden werden. Zwei, drei Jahre werde dieser Umbruch dauern, vermutet Arno Del Curto. Nach dieser Saison laufen in Davos neun Verträge aus, darunter die der (nur) drei Ausländer (Marha, Sykora, Taticek).
Die Genfer Verletzungsseuche
Eine spezielle Situation präsentiert sich auch in Genf. Nach einer Saison, in der eine Verletzung die nächste jagte, in der einige Schlüsselspieler nicht einmal die Hälfte aller Qualifikationsspiele bestritten, scheint es für den Genève-Servette HC im gleichen Stil weiterzugehen. Schon wieder muss Coach und Klubbesitzer Chris McSorley beim Saisonstart mit Alexandre Picard, Jean und Paul Savary, Eric Walsky, Tony Salmelainen und Brian Pothier auf sechs Akteure verzichten, darunter drei Ausländer. McSorley hat Anfang September schon sieben ausländische Spieler unter Vertrag. Dafür steigt Servette nunmehr mit vier Kanada-Schweizern in die Saison: zu Walsky, Juraj Simek und Dan Fritsche gesellte sich neu der 23-jährige Cody Almond.
Im Rennen um die letzten Plätze in den Playoffs dürften die Goalies wieder die entscheidende Rolle spielen. Genève-Servette (Tobias Stephan) und Biel (Reto Berra) sind auf diesen Positionen mit den Nationaltorhütern ausgezeichnet besetzt. Für die Rapperswil-Jona Lakers wird wichtig sein, dass David Aebischer (endlich) auch in der Schweiz wieder zu seiner Bestform zurückfindet. Auch Langnau und Ambri-Piotta müssen auf der Torhüterposition keine Ausländerlizenz mehr verschleudern, zumindest wenn der im Moment noch rekonvaleszente Thomas Bäumle (Langnau) ins Team zurückkehrt. In Ambri erhielt Goalie Nolan Schaefer vorletzte Woche den Schweizer Pass.