Auf den Teller statt in die Tonne: So retten Basler ihre Lebensmittel

Eine Community aus Foodsavern hat es sich zur Aufgabe gemacht, die systematische Überproduktion an Lebensmittel zu bekämpfen. Mit sechs Fair-Teilern retten Basler Esswaren vor dem Müll.

Rund 100 Tonnen Lebensmittel wurden in der Schweiz bisher vor der frühzeitigen Entsorgung gerettet. (Bild: Simone Janz)

Was seine besten Tage bereits hinter sich hat oder zu dick, krumm oder verbeult ist, hat in den Supermarktregalen keine Chance. Pro Jahr landen in der Schweiz zwei Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall – und davon ist bei Weitem nicht alles ungeniessbar.

Und hier kommen die Foodsaver ins Spiel, Lebensmittel-Retter also. Ein in Deutschland gegründetes Foodsharing-Netzwerk sorgt dafür, dass eben nicht alles in die Tonne wandert, was einmal ausrangiert wurde.

Dazu holen die Aktivisten bei Gross- und Kleinverteilern, bei Bauernhöfen und Gastronomen Lebensmittel ab und stellen sie in sogenannten Fair-Teilern oder Essenskörben der ganzen Gemeinschaft zur Verfügung.

Sechs von diesen Fair-Teilern – meistens Schränke oder Kühlschränke, manchmal auch einfach nur Schachteln, immer mit dem entsprechenden Logo – stehen in Basel. Gefüllt mit Obst, Gemüse und allem, was an einem anderen Ort übrig geblieben ist.

Die TaWo hat sich auf einen Rundgang begeben.

Als Erstes landen wir im Gundeli. Dort putzt Josefine Götze gerade den Kühlschrank im Werkhof. Sie ist eine der Basler Botschafterinnen des europaweiten Netzwerks.

«Uns treibt die Kritik an der Überflussgesellschaft an», sagt sie, während sie einen gelblichen Broccoli in der Hand hält. «Wir wollen den Umgang mit Ressourcen aufzeigen und auf Food Waste aufmerksam machen.»

Dafür klappert die gebürtige Deutsche unter anderem zweimal wöchentlich die Stände der Basler Markthalle ab. Von wem genau sie dort die Reste erhält, will sie nicht sagen – aus Angst, es sich mit den Partnern zu verderben. Auch die anderen 30 Betriebe, mit denen die Foodsaver in Basel kooperieren, wollen nicht öffentlich genannt werden.

Josefine Götze kümmert sich um den Fair-Teiler im Gundeli.

Diskretion ist deshalb oberstes Gebot: Wenn Götze Lebensmittel abholen geht, ist sie zurückhaltend. Sie stellt keine Forderungen, nimmt einfach das, was sie bekommt. Man dürfe auf keinen Fall gierig wirken, sagt sie. Kunden und Anwohner sollen ausserdem möglichst wenig von den Abholaktionen mitkriegen.

Im Community-eigenen «Lebensmittel-retten-Wiki» steht bis ins letzte Detail alles zum erwähnten Verhaltenskodex gegenüber den Betrieben. Wer diese Regeln nicht voll und ganz verinnerlicht hat, darf nicht mitmachen. Um das Know-how sicherzustellen, müssen alle Neulinge ein Quiz absolvieren und dreimal mit einem erfahrenen Mitglied mitgehen, wenn dieses nicht gebrauchte Lebensmittel abholt.

Der ganze Aufwand hat seinen Sinn. Jede aufgekündigte Kooperation entfernt die Aktivisten von ihrem erklärten Ziel: möglichst viele Lebensmittel vor der Tonne retten.

Gammelndes Gemüse

Heute ist der Kühlschrank im Werkhof gerade ziemlich leer. Zwei Broccoli und ein paar Peperoni liegen im Gemüsefach. Oben auf der Eierablage stehen Schoggihäschen, die die nächsten Ostertage wohl kaum erleben werden.

Ernüchterung beim zweiten Fair-Teiler vor dem Campus der Künste im Freilager Dreispitz: Leere Kartonschachteln, ein paar vor sich hinfaulende Peperoni und ein Plastiksack mit vollen Bierdosen lassen das Projekt hier eher trostlos wirken. Obwohl sich das Bier noch ziemlich kühl anfühlt, hat sich niemand um das gammelnde Gemüse gekümmert.

«In den Sommermonaten haben wir Mühe, alle geretteten Lebensmittel loszuwerden», sagt Josefine. Viele sind in den Ferien – eine dritte Foodbox beim Studentenwohnheim in der Mittleren Strasse ist deswegen geschlossen.

An der Müllheimerstrasse im Matthäus-Quartier finden sich mit Abstand am meisten Lebensmittel – leider nicht mehr alle geniessbar.

Gammelndes Gemüse wird mir auf meiner Food-Fair-Teiler-Tour nochmals begegnen – obwohl die Foodsaver gebeten werden, ungeniessbare Lebensmittel sofort zu entsorgen und die Kühlschränke und sonstigen Ablagen sauber zu halten. Dazu existiert bei grösseren Standorten ein Putzplan. Denn genau wie bei Gastronomiebetrieben schaut das Lebensmittelinspektorat immer wieder mal bei den sechs Foodsharing-Standorten vorbei. Entsprechen sie nicht den definierten Standards, werden sie geschlossen.

Stehen die Fair-Teiler in Siedlungen oder zumindest in bewohntem Gebiet, sind sie deutlich sauberer. In der Davidsbodensiedlung befinden sich Kühlschrank und Regale in einem winzigen Raum, der ab 22 Uhr abgeschlossen wird – damit ist dieser Standort der Einzige, der nicht rund um die Uhr für jeden zugänglich ist.

Grundsätzlich ist es nämlich so, dass sich alle aus einem Fair-Teiler bedienen oder etwas reinstellen können. Auch jene, die nicht aktiv dabei sind. «Auch der Yuppie mit dem SUV», lacht Josefine, winkt aber gleich wieder ab. Als politisch will die Community auf keinen Fall wahrgenommen werden. «Da würden nur Diskussionen entstehen, die wiederum Ressourcen verschwenden.»

In der Färberstrasse in Kleinhüningen steht kein Kühlschrank, sondern diese Box. Zwei leere Konfi-Gläser, ein hartes Brot und zwei Päckli-Saucen sind drin.

Zehn Millionen Tonnen Lebensmittel hat die Foodsharing-Community in ganz Europa seit der Entstehung von foodsharing.de 2012 gerettet. In Europa sind gemäss der Plattform 28’000 Mitglieder aktiv. In der Schweiz seien es 1200 Aktive, die 100 Tonnen Lebensmittel vor deren frühzeitigen Entsorgung gerettet hätten, sagt Josefine Götze.

Foodsharing geht übrigens auch im kleinen Rahmen. Indem man sich vor dem Einkaufen eine Liste macht und den Gelüsten und Sonderangeboten nicht nachgibt, beispielsweise. Wer ausserdem weiss, was er schon im Kühlschrank hat, kauft nicht zu viel ein. «Ökologisches Verhalten hat ein bisschen was mit Disziplin zu tun», sagt die Lebensmittelretterin.

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