Der Mann, eben noch beschwingten Schritts, bleibt abrupt vor der Glastür stehen. Es ist Freitag, 16. Februar, 11.30 Uhr, doch der Eingang des Zihlmann-Geschäfts am Spalenring ist geschlossen. Jetzt liest der Mann das A4-Blatt, das in der Türe klebt: «Betriebsferien bis 25.02.2018».
Auf der Website von Zihlmann liest man kein Wort über Ferien. Der letzte Eintrag unter «Aktuelles» stammt vom letzten Jahr. Falls es dort je ein Update geben sollte, werden es keine guten News sein. Denn die «Betriebsferien» gelten für immer. In Amtsdeutsch:
«Mit Entscheid vom 12.02.2018 hat das Zivilgericht Basel-Stadt über die Gesellschaft mit Wirkung ab dem 12.02.2018, 10.00 Uhr, den Konkurs eröffnet, womit sie aufgelöst ist.»
Die Nachricht weckt Erinnerungen
Die Neuigkeit hat auf der Redaktion sofort Reaktionen ausgelöst. «Nein!», entfuhr es einigen spontan. Bezeichnenderweise ging die Nachricht insbesondere männlichen Mitarbeitern über 40 nahe.
Später machen Geschichten die Runde. Von den wöchentlichen Pilgerreisen zur Zihlmann-Glasvitrine, die neben der Treppe am alten Standort am Rümelinsplatz stand, und worin die echten Walkmen von Sony funkelten, schön nach Modell sortiert und auf Hochglanz poliert.
Oder von den ernsten TV-Fachleuten, die im Untergeschoss vor unerhört grossen und unerhört teuren Geräten standen. Vom grossen «100 Hz!»-Informationsschild, das man zwar nicht genau verstand, aber gemäss sehr ernstem TV-Fachmann nichts anderes in Aussicht stellte als: «‹100 Hz!› – na, das bedeutet, Sie sehen 100 Bilder pro Sekunde, also Sie sehen die nicht alle, aber das Gerät macht tatsächlich 100 Bilder pro Sekunde. Das können Sie sich kaum vorstellen, aber Sie sehen, oder besser, Sie sehen eben gerade deswegen kein Flackern mehr, also einfach top, muss man schon wissen.»
Es folgen glänzende Augen beim Schwärmen von der ersten einigermassen erschwinglichen Kompakt-Stereo-Anlage mit Compact-Disc-Player. Szenenbeschreibungen von Menschen, die vor dem Schaufenster am Rümelinsplatz in Reih und Glied standen und nicht die TV-Geräte anschauten, sondern tatsächlich das, was am TV gezeigt wurde.
Der Vater kam mit einem der teuersten Aufnahmegeräte heim, obwohl er doch wirklich rein überhaupt nichts kaufen wollte.
Erinnerungen an unerfüllbare Träume im Hi-Fi-Heiligtum, wo Musik über Verstärker und Boxen ertönte, deren Sound und Preis gleichsam das Prädikat «bombastisch» verdienten.
Und dann diese Beratung. Der Vater etwa, der mit einem der teuersten aller teuren Aufnahmegeräte nach Hause kam, obwohl er doch wirklich rein überhaupt nichts kaufen wollte und auch in keiner Weise für Aufnahmen irgendeiner Art berühmt war. Oder der Vater, der eigentlich für den kleinen Sony in den Zihlmann ging und dann mit einem Löwe-TV zurückkehrte, derart überdimensioniert in Massen und Preis, dass für Monate an einen TV-Abend ohne Familienstreit noch nicht mal zu denken war.
Oder die Grosseltern, die bei jedem Problemchen die Techniker aufboten. Die auch immer sofort zur Stelle waren und sei es nur, um die Batterien der Fernbedienung auszuwechseln.
Eine unaufhaltsame Entwicklung
Tempi passati, Geschichten aus einer anderen Zeit. Zihlmann hat – wie viele Heimelektronik-Fachhändler – schon lange zu kämpfen. Die Heimelektronik-Offensive der Schweizer Grossisten, die in den 1980er-Jahren in Schwung kam, hatte das Traditionsunternehmen, das 1962 an der Schneidergasse seine erste Filiale eröffnet hatte, mit seinem Premium-Service-Versprechen noch locker überstanden. Doch mit dem Einmarsch von Mediamarkt und Co. kamen die Turbulenzen.
2011 sorgte Zihlmann mit Entlassungen, kurz darauf mit der Aufgabe der Geschäftsliegenschaft am Rümelinsplatz für Schlagzeilen. Zuletzt versuchte sich das Unternehmen im Herbst 2017 im ehemaligen «Zihlmann-Lädeli» an einem Plattenladen. Das Experiment wurde nach wenigen Wochen wieder abgebrochen.
«Es ist auch nicht einfacher geworden, erfolgreich zu sein.»
Nun das definitive Aus. Zu den konkreten Hintergründen, der Zahl der betroffenen Stellen, war nichts weiter in Erfahrung zu bringen: Der Geschäftsführer war trotz mehrfacher Versuche nicht erreichbar. An keinem der Zihlmann-Standorte (Basel, Muttenz, Füllinsdorf) war überhaupt jemand zu erreichen.
Dass es Elektronikfachhändler nicht leicht haben, bestätigt Bruno Schöllkopf, Präsident des Verbandes Schweizerischer Radio-, TV- und Multimediafachhandel VSRT. Es gebe «viele Klagen von Händlern», sagt er. «Es ist auch nicht einfacher geworden, erfolgreich zu sein.» Von einer «Krise» möchte Schöllkopf aber nicht sprechen. Stattdessen sieht er «einen Wandel, der die Branche aber schon lange beschäftigt».
Um heute im Elektronikfachhandel bestehen zu können, brauche es Innovation, sagt der Verbandspräsident. Konkret: «Themen wie Vernetzung: Smart Home, Smart City, Smart Office.» Die Fachgeschäfte, die sich solchen Bereichen zuwendeten, seien damit sehr erfolgreich.
Kommt das sinnliche Revival?
Was nicht bedeute, dass das traditionelle Geschäft nur Grund zum Klagen habe. Im Gegenteil: «Auch im traditionellen Bereich geht es vielen gut», sagt Schöllkopf. Es müsse dem einzelnen Händler gelingen, «die Kunden zu verstehen und ihre Sinne anzusprechen». Klar kauften viele Kunden nur noch den besten Preis und würden dabei die Leistung, die Beratung, das Erlebnis und die Zeit nach dem Kauf vergessen. Doch es gebe weiterhin auch jene, die Qualität, die Sinnliches wollten, so Schöllkopf.
Er gibt sich auch in Zeiten des Internets optimistisch: «Den wirklich guten TV, die umwerfende Lautsprecher-Verstärker Kombination, die einfache Vernetzung: Das erlebt man im Fachhandel. Wir glauben daran, dass das sinnliche Element – also Daten zu fühlen, Musik zu sehen und Bilder zu hören – wieder stark an Bedeutung gewinnen wird.»
Für Zihlmann Electronics kommt diese Bedeutungszunahme – so sie denn kommt – zu spät. «Langlebig statt schnelllebig», lautete das Motto der Firma. 55 Jahre sind eine lange Zeit. Mehr werden es nun leider nicht.