Nicht einfach Kaffee

Im Januar macht Sylvia Vonlanthen am Totentanz 13 ihr neues Café auf. Die Kaffeemischung hat sie selber zusammengestellt, die Bohnen röstet sie in Münchenstein.

Sylvia Vonlanthen verspricht hohe Kaffeekultur, die jedem schmeckt. (Bild: Nils Fisch)

Bier ist nicht gleich Bier, das hat langsam auch die letzte Hobbykonsumentin verstanden. Beim Kaffi sind wir noch nicht ganz so weit, aber fast. Auch da lässt sich über Bohnenqualität, Röstdauer und nachhaltige Produktionsbedingungen fachsimpeln.

Sylvia Vonlanthen ist Marathon-Kaffee-Fachsimplerin. Die 37-Jährige steht in der Küche der Auftragsrösterei «in the name of» in Münchenstein und atmet ein: «Riechst du das?»

Massentauglich – aber nicht zu sehr

Es riecht ein bisschen wie leicht verbranntes Brot. Ist aber frisch gerösteter Kaffee. Sylvia Vonlanthen ist gerade dabei, ihren eigenen «Blend» zu rösten, ihre eigene Kaffeemischung.  Die verkauft sie in ihrem Kaffeemobil, über ihre Website – und ab Januar auch in ihrem neuen Café am Totentanz 13. «Hier entsteht Kaffeekultur», verspricht ein Schriftzug am Fenster. Dahinter steht bereits eine grosse Kolbenmaschine bereit.

Vonlanthen hat lange an ihrer Kaffeemischung gepröbelt. Und an der Rezeptur: 21 Gramm Pulver ergeben 46 ml Kaffee. «Ich möchte den Leuten genau den Kaffee bieten, den sie wollen.» Nicht zu speziell, massentauglich soll er schon sein. Aber besser als der Einheits-Coffee-to-go gängiger Kaffeeläden. Und ökologisch hergestellt, von Bauern, die genug dafür kriegen, ohne Zwischenhändler, die abkassieren.

Die Schweizer stehen auf so was. Kapselkaffee und Vollautomaten-Kaffi tuns nicht mehr, immer mehr Kleinröstereien gehen auf. In Basel-Stadt hat es vier, auf dem Land sechs, landesweit sind es 120. Letztes Jahr waren es noch 94, die Kaffeemacher-Akademie in Münchenstein führt eine Liste.

Selbst gerösteter Spezialitätenkaffee ist etwa viermal teurer als Kaffi aus der industriellen Produktion.

Sylvia von Lanthen stemmt die Produktion ihres Kaffees nicht allein.  Philipp Schallberger (gebürtig Philipp Meier), zweifacher Schweizermeister im Kaffeekochen, Sensoriker und Mitinhaber der Auftragsrösterei «in the name of» und der Kaffeemacher-Akademie, berät sie in allen Fragen der Kaffeeproduktion und röstet ihren Kaffee.

Alles selbst gemacht

Schallberger ist gerade daran, Vonlanthens rohe, grüne Bohnen in einen Trichter zu leeren. Von dort fallen sie in den Bauch der Röstmaschine. Hin und wieder zieht Schallberger mittels eines Griffs ein paar Bohnen heraus, schaut sie an und schiebt sie zurück.

«Wenn man die Bohnen einmal verbrannt hat, sind sie nicht mehr zu retten», sagt er. Nach einer Weile drückt er einen Knopf und alle Bohnen rieseln in einen Auffangbehälter. Jetzt sind sie dunkelbraun.

Aus grün wird braun: der Kaffeeröster.

Eine rohe Bohne riecht und schmeckt nach nichts. Erst die Hitze holt ihren Geschmack heraus mittels sogenannter Maillard-Reaktionen, die Aminosäuren, Proteine oder Fette dazu bringen, neue chemische Verbindungen einzugehen. Je länger man die Bohne röstet, desto stärker die Aromen.

Selbst gerösteter Spezialitätenkaffee ist etwa viermal teurer als Kaffi aus der industriellen Produktion. Sylvia Vonlanthen will die Kosten aber nicht an ihre Kunden im Café weitergeben, den Cappuccino wirds für 4.90 Franken geben. Dazu handgebackene Madeleines, Sylvia Vonlanthen hat sie am vergangenen Wochenende zu Hause gerade probegebacken. Ausserdem gibt es im Café auch Brunch oder Quiches, Sandwiches oder Salat zum Mittagessen. Selbstgemacht.

«Einfach den Hebel runterziehen gibt noch keinen guten Kaffee.»

Sylvia Vonlanthen ist eigentlich Köchin. Mit dem Kaffee hat sie es erst seit drei Jahren. «Früher trank ich Tee.» Zuletzt leitete sie das operative Tagesgeschäft des Café St. Louis an der Elsässerstrasse und stand regelmässig vor der Kaffeemaschine. Sie hatte schon lange bemerkt: «Einfach den Hebel runterziehen gibt noch keinen guten Kaffee.»

Also besuchte sie verschiedene Barista-Kurse an der Kaffeemacher-Akademie, lernte eine Siebträgermaschine zu händeln und Filterkaffee richtig gut zu brauen. Sie kam auf den Geschmack. «Dort trank ich den ersten Kaffee, der mir schmeckte.»

Reich sein ist nicht das Ziel

Und sie braute ihn auch nicht schlecht. Die Kursleiter sagten zu ihr: «Mach doch an der Barista-Schweizermeisterschaft mit.» Vonlanthen fing an zu trainieren und schaffte es immerhin bis auf den sechsten Rang. Danach ging es zackzack: Sie machte ein Kaffee- und Food-Konzept für das Weihnachtscafé von Johann Wanner an der Fasnacht 2017, sie richtete an der Muba eine Kaffee-Lounge ein und wurde von Gastrounternehmern immer mehr für Kaffeeberatungen oder Caterings angefragt.

Diese Beratungen sind wichtig, sie bieten Vonlanthen ein Einkommen. Fürs Café am Totentanz haben sie und ihr Ehemann, ein Jurist, das gesamte Ersparte investiert. Sie hoffen, dass sie mit dem Café genug einnehmen, um es halten zu können. Vor dem Stress hat Vonlanthen keine Angst. «Ich weiss genau, was ich tun muss, um zu entschleunigen.» Entschleunigen ist ein Wort, das Vonlanthen gern benutzt. «Eine Tasse Kaffee trinken bedeutet immer, sich eine Pause zu nehmen. Kaffee ist Entschleunigung.»

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