Die warmen Worte zum Abgang seines Chefredaktors hat sich AZ-Verleger Peter Wanner fürs Mediencommuniqué vorbehalten. David Sieber habe das Profil der «bz Basel» «weiter geschärft» und den Online-Auftritt gestärkt, heisst es darin. Zur Jobsicherung als Chef der zweitgrössten Tageszeitung in der Region vermochten diese Leistungen aber nichts beizutragen: Nach gut zweieinhalb Jahren im Amt entlässt Wanner David Sieber.
Siebers Nachfolge tritt Patrick Marcolli am 5. November an. Zuletzt arbeitete der ausgebildete Historiker als Mediensprecher der Architekten Herzog & de Meuron. Davor war Marcolli Lokalchef der «Basler Zeitung» und später Korrespondent in Berlin.
Irritierende Begründung
Wanner reiste am heutigen Freitagmorgen eigens nach Basel, um die Redaktion über den Wechsel an der Spitze in Kenntnis zu setzen. An seiner Seite standen der geschasste Sieber und AZ-Chefredaktor Patrik Müller. Peter Wanner erklärte dabei ausführlich den Trennungsgrund. Im Communiqué wird dieser mit «unterschiedlichen Vorstellungen zur Positionierung der bz» umschrieben.
Es wurde eine Abrechnung: Sieber stehe politisch zu weit links, sagte Wanner laut Anwesenden. Die Auflage unter ihm sei rückläufig gewesen (1,1 Prozent). Im Netz sei man zwar jetzt erfolgreich, die Offensive komme aber zu spät.
Dann wurde es noch persönlicher. David Sieber sei es nicht gelungen, sich als publizistischer Gegenspieler zu BaZ-Chefredaktor Markus Somm zu etablieren und dessen wöchentliche Einlassungen zu den üblichen Themen zu kontern. Dazu sei Sieber als Mann der Agglo zu wenig in der Stadt verankert. All das erklärte AZ-Verleger im Beisein des Geschassten.
Unter Sieber veränderte die «bz» die Dynamik in der Basler Medienszene und löste regelmässig politische Debatten aus.
Anwesende erinnerte das Prozedere auf irritierende Weise an die Trennung von Siebers Vorläufer Matthias Zehnder. Wobei Zehnder damals unter anderem vorgeworfen wurde, er habe sich zu stark an Somm und der BaZ orientiert und abgehobene Kommentare geschrieben.
Nachvollziehbar ist Wanners Kritik an Sieber von aussen betrachtet nur bedingt: Der politische Kurs der «bz Basel» liess sich unter Sieber nicht klar verorten, links stand das Blatt aber sicher nie. Und der Auflagenschwund ist im Branchenvergleich untypisch tief.
Journalistisch legte die Zeitung unter dem früheren Chefredaktor der «Südostschweiz» zu. Sie veränderte die Dynamik in der Basler Medienszene, löste mit tiefgründigen Recherchen regelmässig politische Debatten aus. Streckenweise bot das Blatt vorbildlichen Lokaljournalismus: aufregend, kritisch, unnachgiebig. Wobei die publizistische Kraft zuletzt spürbar nachliess.
Mehr Klicks, schwindende Glaubwürdigkeit
Den Durchbruch in der Stadt schaffte die «bz Basel» nicht. Enttäuschte BaZ-Leser konnte sie nur wenige für sich gewinnen, als städtische Zeitung wurde sie auch unter Sieber nie breitflächig akzeptiert. Dafür ist sie zu lieblos produziert, fehlen gehobene Schreiber und Denker – und vor allem eine urban anmutende Gesamterscheinung. Von Marketingmassnahmen wie Säulitaufen, Leserwandern und Jassplausch lassen sich jenseits der Baselbieter Täler vermutlich nur wenige ansprechen.
Auch der neue Online-Auftritt wirft Fragen auf. Einerseits konnte die «bz Basel» viele neue Klicker im Netz gewinnen, was Wanner heute positiv herausstreicht. Andererseits stellte sie durch die Umstellungen hin zum Boulevard ihr Gesamtprofil infrage. Mit Polizeimeldungen, Nostalgischem, vermeintlichen Skandalen und Livetickern lassen sich Leser gewinnen und Likes auf Facebook – eine höhere Glaubwürdigkeit jedoch kaum.
Ob Marcolli das verändern kann, ob er das will und wie all das zu den Wünschen von Peter Wanner in Aarau passt, bleibt vorerst unklar. An einer inhaltlichen Neupositionierung wird derzeit angeblich gearbeitet. Der Ausgang ist offen.
Weitere Änderungen finden bereits statt
Folgen hat die Umstellung an der Spitze für den publizistischen Beirat, ein Gremium von Politikern rund um den früheren Stadtentwickler Thomas Kessler. Der Beirat war um Sieber herum gebildet worden, machte diesem das Leben mit ungesteuertem Aktivismus schwer. Jetzt soll Kessler wegbefördert und das Gremium aufgelöst werden.
Veränderungen dürfte es in der Redaktion geben. «Ein Trainer bringt immer auch eigene Spieler mit», erklärte Wanner auf die entsprechende Frage eines Redaktors. Einen ersten Abgang verzeichnet die «bz Basel» bereits, unabhängig vom Machtwechsel: Nicolas Drechsler verlässt die Basler Lokalredaktion auf eigenen Wunsch und mit unbekanntem Ziel.
Auch David Sieber erklärt auf Anfrage, keinen Zukunftsplan in der Tasche zu haben. «Ich beschäftige mich zunächst mit Wundenlecken», sagt er.