Als sich Christian Heeb am 18. August mit blumigen Worten auf barfi.ch von seinen Leserinnen und Lesern verabschiedet, erreicht er auch sein Team nur noch über die Website. Auf der Redaktion lässt sich schon eine Woche vorher kaum einer blicken. Die «Barfi»-Mitarbeiter recherchieren lieber, wie sie an ihre ausstehenden Löhne kommen. Die letzte Zahlung erfolgte verzögert Ende Juni.
Seither gab es vom verantwortlichen Geschäftsführer und Inhaber Christian Heeb nur noch Beschwichtigungen. Selbst als Mitte Juli vom Zivilgericht Basel eine provisorische Nachlassstundung gewährt wurde, versicherte Heeb intern: Die Löhne seien gesichert, selbst im Falle eines Konkurses. Doch der sei sowieso unrealistisch, da es Kaufinteressenten für barfi.ch gebe. Aus Diskretionsgründen dürfe er jedoch keine Namen nennen.
Entsprechend äusserte er sich Ende Juli auch gegenüber der TagesWoche. Einen Sozialplan für die elf Vollzeitstellen brauche es deshalb nicht.
Kündigung kam nicht unerwartet
Keinen Monat später, am 21. August, informierte Heeb seine Mitarbeiter brieflich über die Betriebseinstellung, Nachlassstundung und Kündigung. «Sämtliche Versuche, eine Lösung für den Weiterbetrieb von barfi.ch zu finden, sind leider gescheitert», schrieb Heeb. Nur um zwei Abschnitte später über neue Versuche zu schreiben, eine neue Trägerschaft zu bilden «oder den ruhenden Betrieb in ein bestehendes Unternehmen zu intergrieren».
Dann erst kommt er auf die Situation des Teams zu sprechen: Heebs Sozialplan beschränkt sich auf den mit Ausrufezeichen versehenen «innigsten Wunsch», alle mögen schnell eine neue Stelle finden. Und falls dies nicht bereits geschehen sei: «Ich empfehle auf alle Fälle, umgehend die Arbeitslosenversicherung der Ausgleichskasse beider Basel zu kontaktieren.» Denn: «Die finanzielle Lage wird es auch weiterhin nicht erlauben, die geschuldeten Löhne auszuzahlen.» Ob, wann, und wie weit eine Auszahlung möglich sein werde, hänge noch vom Verkauf oder der Liquidation der Barfi AG ab. Für weitere Info verweist Heeb an den Treuhänder.
Die Kündigung und Insolvenz kam für einige Mitarbeiter nicht unerwartet. Der erfahrene Journalist Christian Platz hatte bereits im Frühling gekündigt: «Weil ich keinen Bock auf die Lohn-Streitereien für eine 40-Prozent-Teilzeitstelle hatte, auch wenn es ein tolles Team von jungen Leuten war.»
Heeb beschwichtigte die Angestellten: Selbst bei einem Konkurs käme das Amt für Wirtschaft und Arbeit für ihren Lohn auf.
Die Sorgen dieser jungen Leute vertrieb Heeb gemäss Aussagen mehrerer Angestellten mit den Worten: Man müsse keine Angst haben, selbst bei einem Konkurs würde das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) für den Lohn einspringen. Doch als sich die Mitarbeitenden dort meldeten, fühlte sich niemand zuständig – da die Barfi AG nicht konkurs und wegen der provisorischen Nachlassstundung vor den Ansprüchen der Gläubiger geschützt ist.
Das Vertrauen in die Beteuerungen des Chefs war definitiv dahin. Darum schrieben die Mitarbeitenden bereits am 14. August (als barfi.ch offiziell noch in Betrieb war) an die zuständige Richterin, welche die provisorische Nachlassstundung der Barfi AG bewilligt hatte – «in der Hoffnung, dass wir endlich aus unserer verzweifelten Ungewissheit heraustreten können».
Denn ihre davor geschriebenen Mahnbriefe an Geschäftsführer Heeb brachten weder Info noch Lohn, und der vom Gericht eingesetzte Sachverwalter weilte in den Ferien. Doch die Mitarbeitenden wollten endlich ihr rechtmässiges Geld. Und laut ihren Recherchen sei «die Sicherstellung der Lohnzahlungen eine der Grundvoraussetzungen für die Bewilligungen einer provisorischen Nachlassstundung».
Das Zivilgericht Basel gibt darauf aber den Bescheid: «Die vollständige Sicherstellung offener Lohnforderungen ist jedoch keine zwingende und unabdingbare Grundvoraussetzung für die Bewilligung der provisorischen Nachlassstundung.» Eine solche sei sowieso stets gutzuheissen, ausser es liege offensichtlich keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages vor. Die Mitarbeiter sollen betreffend offene Lohnforderungen beim Amt für Wirtschaft und Arbeit ein Gesuch um Insolvenzentschädigung einreichen.
Die Angestellten erhielten weiter Abrechnungen ihrer Löhne – die mangels Liquidität nicht ausbezahlt wurden.
Für die Mitarbeitenden bedeutet das: zurück auf Feld eins. Ohne Sozialplan des eigenen Chefs konnte man also auch von den Behörden keine Hilfe erwarten. Geld für den von den Behörden empfohlenen Anwalt haben sie nicht. Viele junge Mitarbeiter mussten mangels finanzieller Reserven bereits ihre Verwandten anpumpen.
«Nicht einfach eine Redaktion, sondern Familie»: Heebs Formulierung im Adieu-Schreiben entlockt den befragten Mitarbeitern heute wüste Worte. «Als sarkastisches i-Tüpfelchen bekamen wir weiter Lohnabrechnungen nach Hause geschickt. Einfach mit dem Begleitschreiben, dass die Löhne mangels Liquidität nicht ausbezahlt werden können», so ein Angestellter, der von Anfang an bei barfi.ch war.
Misstrauisch nach diesen Erfahrungen, wollen die meisten nicht namentlich genannt werden, da sie schlechtere Chancen bei der Jobsuche befürchten. Kein Blatt vor den Mund nimmt dagegen Andy Strässle, der zu 100 Prozent als Redaktor angestellt war: «Heeb ist verantwortlich für das Scheitern, aber sicher kein verantwortungsvoller Chef. Weil er weiter auf einen Verkauf hofft wie bei seiner vorherigen Pleite bei ‹Radio Basel›, hat er die Reissleine nicht rechtzeitig gezogen. Jetzt leiden die Mitarbeiter.»
Nun hofft Strässle wie alle anderen befragten Mitarbeitenden, dass die Barfi AG am 7. November offiziell Konkurs geht, damit sie ihren ehemaligen Arbeitgeber rechtmässig betreiben können.
«In den Händen des Sachverwalters»
Von Unstimmigkeiten will Christian Heeb nichts wissen. Er habe die Mitarbeitenden und die «Barfi»-Leser immer offen über die schwierige Situation informiert. «Bis heute habe ich persönlich keine einzige böse Reklamation bekommen.» Für die ausstehenden Löhne macht Heeb ein «Riesenpuff zwischen den zuständigen Ämtern» verantwortlich.
Gibt es nun Kaufwillige, kann die Barfi AG saniert werden oder steht sie vor dem Konkurs? Dazu darf Heeb bis zum Ablauf der provisorischen Nachlassstundung am 7. November nichts sagen, «da nun alles in den Händen des Sachverwalters liegt».