Kaum hat sich die achtmonatige Myra* an ihre Kita an der Oetlingerstrasse 2 gewöhnt, muss sie schon wieder weg: neuer Raum, neue Betreuerinnen, neue Kinder. Alles beginnt von vorne. Dabei ist das Baby erst im April von der Fachstelle Tagesbetreuung an die Familea-Kita an der Oetlingerstrasse zugewiesen worden.
Vor ein paar Wochen folgte dann die Hiobsbotschaft an die Eltern: Die Kita muss schliessen. Myra und 31 weitere Kinder brauchen eine neue Kita. Grund: Die Eigentümer der Liegenschaft möchten das Haus an Rheinlage doch schon früher renovieren.
Überraschend kurzfristig
Die Beton-Liegenschaft gehört niemand Geringerem als den renommierten Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Vergangenes Jahr kauften sie das Haus von einer Novartis-Stiftung. Dem Architektenduo Herzog & de Meuron, das trotz Weltruhm tief mit Basel verbunden geblieben ist, gehören als Privatpersonen zahlreiche Liegenschaften in der Stadt, neben ihrem Hauptdomizil im St. Johann etwa ein Haus an der St. Jakobs-Strasse oder eine Villa beim Wettsteinplatz.
Als die Architekten vergangenes Jahr das Haus an der Oetlingerstrasse 2 kauften, nahmen bei Familea die Verantwortlichen unverzüglich Kontakt mit den neuen Besitzern auf. «Wir haben mit der neuen Eigentümerschaft über eine Weiterführung der Kita verhandelt», sagt Monika Bitterli, Geschäftsführerin der Familea.
Herzog & de Meuron bewerten die Angelegenheit anders, die Stellungnahme findet sich am Ende des Artikels.
Bitterli stellt es dar: Die Eigentümer hätten signalisiert, dass sie in den nächsten zwei bis vier Jahren nicht mit dem Umbau der Liegenschaft beginnen wollen und die Kita somit noch so lange bleiben könne. «Es war alles auf gutem Weg, wir haben sogar den Mietzins besprochen. Im letzten Moment hat sich die Situation aber doch noch geändert.»
Eine Umstellung für Kinder wie Angestellte
Plötzlich entschieden sich Herzog & de Meuron laut Bitterli um, sie wollten doch früher mit dem Umbau der Liegenschaft beginnen. Deshalb muss die Kita per 31. August schliessen. Die Suche nach einer Ersatzliegenschaft war erfolglos verlaufen.
Bitterli bedauert die Schliessung. Im Kleinbasel gebe es ohnehin wenig Kita-Plätze. Die ganze Angelegenheit sei auch für die betreuten Kinder und deren Eltern traurig. «Wir haben uns gemeinsam mit dem Erziehungsdepartement aber sehr um eine gute Lösung für die Kinder bemüht», so Bitterli.
Alle Kinder hätten inzwischen einen Platz in einer anderen Kita – und niemandem werde gekündigt. Mitarbeiterinnen, Lernende oder Praktikantinnen könnten alle an einem anderen Ort weiterbeschäftigt werden. Bitterli sagt: «Es ist schade, dass es so gekommen ist – aber in ein paar Jahren hätten wir sowieso handeln müssen.»
«Alle sind betroffen»
Auch wenn Myra inzwischen einen Platz in einer anderen Kita gefunden hat, ihre Mutter ärgert sich trotzdem über die Situation . «Doof ist, dass sich meine Tochter erneut eingewöhnen muss. Das Ganze ist zudem sehr kurzfristig.» Eine andere Mutter, die ihr Kind an der Oetlingerstrasse betreuen lässt, sagt: «Kinder und Eltern sind sehr traurig. Wir sind alle ziemlich betroffen.»
Unklar bleibt, warum sich das Architektenduo plötzlich umentschieden hat und was es mit der Liegenschaft konkret vorhat. Auf eine Anfrage der TagesWoche haben Herzog & de Meuron trotz mehreren Anläufen nicht reagiert.
So erklärt sich Herzog & de Meuron
Für besagte Räumlichkeiten besteht ein Mietvertrag zwischen uns und der Stiftung der Novartis AG für Erziehung, Ausbildung und Bildung. Es bestand zu keinem Zeitpunkt ein direktes Vertragsverhältnis zwischen uns und Familea. Familea ist Betreiberin der Kita. Über allfällige Vertragsverhältnisse zwischen Novartis und Familea haben wir keinerlei Kenntnisse und können uns dazu auch nicht äussern. Die Novartis AG hat das Mietverhältnis Ende April 2018 fristgerecht gekündigt. Der Betreiberin der Kita haben wir signalisiert, dass wir grundsätzlich an einem Abschluss eines neuen Mietvertrages interessiert sind, zuerst jedoch eine zufriedenstellende Gesamtlösung für das Objekt und sämtliche Mietparteien ausarbeiten müssen.
* Name geändert.