In Basel werden zurzeit so viele Sprayereien registriert wie nie seit Erhebung entsprechender Statistiken. Die Fachstelle Stadtreinigung bestätigt auf Anfrage, dass die Anzahl registrierter Fälle im ersten Halbjahr 2018 nochmals «deutlich grösser» geworden sei gegenüber derselben Periode 2017. Dominik Egli, Leiter Stadtreinigung, rechnet bis Ende Jahr mit mehr als tausend Anrufen auf die «Sauberkeitshotline».
Bereits 2017 registrierte das Tiefbauamt mit der subventionierten Entfernung von 979 Sprayereien die höchste Anzahl Reinigungseinsätze pro Jahr seit Beginn der Messungen. 2016 waren es noch 886 Fälle gewesen, 2015 lag die Zahl bei 803.
Eine «tag»-Gattung sticht heraus
Insbesondere eine Graffiti-Gattung ist für den Anstieg der Reinigungseinsätze verantwortlich: Parolen, bei denen nicht die künstlerische Form, sondern der Inhalt im Vordergrund steht. Sogenannte Tags. Eine entsprechende Anfrage wird vom Tiefbauamt bestätigt. «Vor allem ‹tags› haben zugenommen; grossflächige Graffitis eher nicht», sagt Egli.
Die fraglichen Parolen unterscheiden sich von übrigen Wandmalereien durch ihre Appellfunktion oder den Anspruch, auf suggerierte Missstände aufmerksam zu machen. So war etwa in den vergangenen Monaten oftmals der Gefängnis-Erweiterungsbau «Bässlergut» das Ziel rhetorischer Sabotageversuche. Aber auch Versicherungen, Banken, Investoren und die Justiz werden teils aggressiv und allgemein sichtbar adressiert.
Die entstehenden Kosten trägt über weite Teile der Kanton, der sein Budget für die Beseitigung von Sprayereien an öffentlichen und privaten Liegenschaften in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht hat. 1,2 Millionen werden vom Tiefbauamt für saubere Stadtfassaden aufgewendet, und zwar je hälftig für die Reinigung privater und öffentlicher Gebäude.
Egli beziffert den Anstieg der budgetierten Ausgaben per 2019 gegenüber dem vorangegangenen Budget auf 200’000 Franken.
Die Reinigung privater Liegenschaften erfolgt in Basel auf Initiative der Eigentümer oder Mieter, wobei ein Teil der Ausgaben für die Malerarbeiten vom Tiefbauamt rückerstattet wird. Bei kleineren Beträgen bis 500 Franken tragen Private eine Pauschale von 100 Franken, bei grösseren Sprayschäden bis 4000 Franken übernimmt die Stadt 80 Prozent der Ausgaben.
Zurzeit treibt ein Hakenkreuzmaler sein Unwesen, der die verbotenen Symbole an schwer reinigbaren Orten hinterlässt.
Das Tiefbauamt hat das Meldeprozedere im Januar 2017 vereinfacht, «das dürfte mit ein Grund für den sprunghaften Anstieg der Reinigungsanliegen sein», vermutet Egli. Die «Sauberkeitshotline» des Tiefbauamts wird mittlerweile rund 20-mal pro Woche von Privaten konsultiert. Ob politische Slogans öfter entfernt werden als andere Tags, kann Egli nicht kommentieren: «Das wird von uns nicht erhoben.»
Egli verweist allerdings auf die Eigeninitiative der Stadt in besonders problematischen Fällen: «Sexistische und rassistische Sprüche an privaten Fassaden werden von uns auch ohne Initiative der Bewohnerinnen und Bewohner entfernt», sagt Egli, «da warten wir nicht zu.»
Schwieriger Fahndungsprozess
Zurzeit treibt in der Stadt ein Hakenkreuzmaler sein Unwesen, der die verbotenen Symbole ganz klein und an schwer reinigbaren Orten hinterlässt. Egli mag die kalkulierte Provokation des Filzstiftfaschisten nicht kommentieren, sagt aber: «In diesen Fällen werden wir üblicherweise schnell von der Bevölkerung alarmiert und zur Reinigung aufgeboten.»
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik 2017 liegt die Aufklärungsquote für Vandalenakte bei 25,1 Prozent. Von der Gesamtzahl an Delikten, zu denen auch andere Sachbeschädigungen wie das Scheiben-Einschlagen oder Reifen-Aufschlitzen gehören, entfallen 35,8 Prozent auf Sprayereien.
Wie viele Sprayer jährlich erwischt werden, geht aus der Statistik nicht hervor. «Sprayer sind schwer zu fassen. Zudem kann eine Sprayerei in sehr kurzer Zeit angebracht werden, und die Sprayer wissen genau, wie sie vorgehen müssen, um nicht aufzufallen.» Darum seien nachträgliche Aufklärungserfolge eher selten, sagt der Sprecher der Staatsanwalt Peter Gill: «Wenn Sprayer erwischt werden, dann meistens in flagranti.»