Michel Steiner, Gassenarbeiter beim Verein Schwarzer Peter, hat schon schlimmere Situationen erlebt: «Der grösste Aufwand waren die vielen Medienanfragen», sagt er auf die Medienanfrage der TagesWoche. Aber natürlich habe ihn die erhöhte Aufmerksamkeit durch die vielen Medienberichte über das Obdachlosenproblem auch gefreut. «Wir haben sehr viele Sachspenden erhalten – Schlafsäcke und Matten, die wir weitergeben konnten.»
Das gilt auch für Soup & Chill, «die Wärmestube für Menschen, die kein eigenes Wohnzimmer haben», wie es im Selbstbeschrieb der Organisation heisst. Auch sie konnte viele wärmende Kleider und sonstige Utensilien entgegennehmen – darunter sogar ein paar Kisten mit Schals, Mützen und Handschuhen des FC Basel. «Mehr als genug», wie Claudia Adrario de Roche, Mitgründerin der Wärmestube, sagt. Auf der Website wurde deshalb der Hinweis aufgeschaltet, dass im Moment keine weiteren Spenden notwendig seien.
Gut funktionierendes Netzwerk
Es war kalt die letzten Tage, aber nicht so sehr, dass es zu dramatischen Zuständen gekommen wäre. «Ein paar wenige Nächte mit Temperaturen von minus zehn Grad sind eigentlich Peanuts für die Obdachlosen und uns Helfer», sagt Steiner. Allerdings haben sich anscheinend auch die ganz hartgesottenen Outdoor-Schläfer ein wärmeres Nest gesucht, wie der Gassenarbeiter auf seinem Rundgang am Sonntagabend feststellen konnte. «Es gibt in Basel immer genügend Plätze zum Schlafen», sagt er und lobt das gut funktionierende Netzwerk, das auch die Polizei miteinschliesst.
Die Kantonspolizei hat die Situation während den kalten Tagen ebenfalls aufmerksam beobachtet. Einschreiten musste sie aber nicht, wie Toprak Yergüz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartementes, sagt. «Die Kantonspolizei hat vereinzelt Meldungen aus der Bevölkerung erhalten und Betroffene daraufhin angesprochen, die sich aber offensichtlich alle selber zu helfen wussten.»
Von Engpässen weit entfernt
Dass Basel genügend Schlafplätze im Angebot hat, bestätigt Ruedi Illes, Amtsleiter der Basler Sozialhilfe. Von Engpässen war die Notschlafstelle mit ihren insgesamt 75 Plätzen weit entfernt. «Aufgefallen ist einzig, dass in der ersten kalten Nacht nur 20 Schlafplätze leer blieben statt den rund 30 Plätzen wie sonst üblich», sagt er. «Wir sind in Rücksprache mit den privaten Obdachlosenhilfe-Organisationen davon ausgegangen, dass wir die Kältewelle gut bewältigen können», sagt er.
Ein volles Haus hatte indes das Soup & Chill, wie Claudia Adrario de Roche sagt. «Während der Fasnachtswoche hatten wir jeweils über 100 Menschen bei uns, am Wochenende waren es rund 130.» Die Arbeitsbelastung sei entsprechend gross gewesen, zumal auch noch die Folgen der aktuellen Grippewelle spürbar gewesen seien. Dass auch die Heilsarmee im Gundeli ihre Tore geöffnet und Schlafplätze angeboten hat, sorgte glücklicherweise für etwas Entspannung. «Aber alles in allem herrschte jeweils eine gute und sehr friedliche Stimmung.»
Solidarität ist gefragt
Die grosse Kältewelle ist nun vorüber und das Thermometer steigt über die Alarmwerte. Für Obdachlose bleibt das Leben und Überleben aber beschwerlich. «Die erhöhte Aufmerksamkeit in Extremsituationen ist ja erfreulich», sagt Gassenarbeiter Michel Steiner. Er hofft aber, dass das Obdachlosenproblem auch in den wärmeren Monaten genügend ernst genommen wird.
«Solidarität ist spätestens dann wieder gefragt, wenn die vier aktuellen Mieterinitiativen zur Abstimmung kommen werden», sagt Steiner. «Ein entsprechender Richtungswechsel in der Basler Wohnpolitik könnte das Obdachlosenproblem entschärfen.»