«Richtig geile Brücke!» – ein Spaziergang durch Basel mit Google-Rezensionen

Wir kennen unsere Stadt, aber wie erleben sie Touristen? Ein kurzer Rundgang entlang von Online-Kommentaren.

«Weiter so!» – Wünscht dieser Rezensent der Mittleren Brücke in Basel.

Wir beginnen auf der Mittleren Brücke. Man sollte Stadtrundgänge immer an symbolträchtigen Orten beginnen, denn der erste Eindruck zählt. Kennt man ja. Also halten wir die Nase in den Wind, spüren Sie das auch? 

Ja, diese Mittlere Brücke ist eine richtig geile Brücke, das erkennt auch S. E. J. mit Blick auf die Architektur: «Die Bogen sind sehr gross und sehen gut aus», schreibt er, «auch der Sonnenuntergang sieht von der Brücke der Hammer aus.» 822 Bewertungen erhält das Wahrzeichen auf Google Maps, im Schnitt 4,5 Sterne von maximal 5. Das ist toll, auch wenn die Brücke am Ende des Tages das bleibt, was sie ist: eine Brücke. 

Jetzt gehts den Rheinsprung hinauf, rechterhand passieren wir das Naturhistorische Museum. Hier stellt sich die Frage, wann Sie zuletzt in Basel waren, denn all zu oft sollte man dieses Museum nicht besuchen, wie dieser digitale Vorkoster meint:

Wir protestieren leise, haben doch erst letzthin leise erschaudernd durchs Guckloch in den Bauch des Mammuts geschaut. Aber das Internet ist mehr so pro Outdoor und will mit uns auf die Pfalz, am besten direkt hoch auf die Türme des Münsters. Sie ahnen schon, was es hier oben geschlagen hat.

Gut, manchmal darf man nicht ohne Begleitung auf die Türme, wie S. P. uns berichtet. «Eigentlich ist der Münster einer meiner Lieblingsgebäude in Basel, jedoch wurde ich heute sehr enttäuscht: Man darf nicht alleine zum Turm hoch. Grund: Suizidgefahr, da es ohne Begleitung Schuld der Kirche ist. Diskriminierung!»

Uff, das nervt wirklich. Lieber schnell runter ans Wasser und ab auf die Fähre, denn die Fahrt über «den Reihen» ist ein unverzichtbares Erlebnis in Basel. Und erst noch schadstofffrei. Dachten wir.

Die Gesamtbewertung fällt für die Münsterfähre ebenfalls sehr gut aus, auch wenn einzelne Besucher mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht einverstanden sind. Wenn man bedenkt, dass der Rhein gratis fliesst. 

Ach, Schweizer Preise. Ein Dauerbrenner im Chor der Netzrezensenten, auch wenn uns das Jammern angesichts der 1.60 Franken pro Überfahrt für Erwachsene und 80 Rappen für Kinder etwas kleinlich erscheint, Online-Gemäkel auf 3G-Niveau so quasi.

Wir schlendern rheinaufwärts, links liegt das Restaurant Hirscheneck. Einkehren wäre nicht schlecht, aber das Internet, diese petite Bourgoisie, hat was dagegen.     

Dann halt nicht. Durch die Quartiere Clara, Matthäus und Dreirosen nähern wir uns in umgekehrter Richtung dem Hafen. Sofort liegt eine ganz andere Note in der Luft, ist es das alternative Habitat? Ist es der gute Handyempfang? Sind es die bunten Farben? Von allem ein bisschen wahrscheinlich, vor allem aber sind da fünf Sterne auf Google Maps und ein Gefühl:

Ja, das ist toll, so lässt sichs leben. Zum Glück gibt es hier mittlerweile Alternativen zu «linksradikalen» Angeboten, also huschhusch ins «Patschifik» geeilt und Picknick bestellt. 

Wir zucken pappsatt mit den Schultern, Papa zahlt. Schlendern dann weiter rheinabwärts, denn hier sollen drei Länder zusammentreffen und so was sieht man ja auch nicht alle Tage, oder? Ein Kraftort. Ein Sehnsuchtsort. Wenn es nur nicht so öde wäre. Und wenn hier drei Länder zusammenkommen, wo ist dann eigentlich diese verdammte Grenze? 

Aufstreben, gutes Stichwort. Wer jetzt noch mag, kann im Nordstern feiern («beste clubanlage, beste musik und keine kiddies», B. J.) oder sich am Bahnhof St. Johann mit einer Massage verwöhnen lassen. Auch wenn A. A. hier konstatiert: «Der Ruheraum verdient den Namen nur, weil es ruhig ist.»

So ist das im Internet. Wenn Ruhe drin ist, wo Ruhe drauf steht, gibts dafür manchmal 1 Stern. Mindestbewertung. 

Allerdings steht in diesem Internet selten irgendwo Ruhe drauf. 

Unser Stadtspaziergang ist vorüber, wir halten kurz inne und blicken nochmal über die Schulter. Wer ist das eigentlich, der uns da führte, der für uns Denkmäler, Strassenkreuzungen, den Grenzübergang («Buuuu»), ja sogar das Gefängnis Bässlergut («Mangel an Freiheit», 3 Sterne) rezensiert? Was sagt es über uns aus, die wir das Internet mit Feedbacks auffüllen? Wer liest so was? Ist das diese Demokratisierung von Kritik, die uns mit dem Web 2.0 versprochen wurde?  

Im Akt des Bewertens geben wir dem Bedürfnis nach, so etwas Flüchtiges wie ein Erlebnis, ein Blick, ein Gefühl in Buchstaben und Sternen festzuhalten. Wir prozessieren unsere profane Existenz damit simultan zum Erlebnis und adeln die Entscheidung, an einen bestimmen Ort zu kommen, als lohnenswert. Oder wir bedauern den Entscheid im Sinne einer Ökonomie der Aufmerksamkeit als verschwendete Zeit. 

Dann teilen wir unsere Erfahrung im Netz, um andere davor zu schützen, ihre Zeit zu vergeuden. Die Internetrezension ist freie Meinungsäusserung und Bevormundung zugleich. Man kann davon halten, was man will, oder um es in den Worten von S. G. zu sagen, der ein Basler Museum rezensierte: «Nicht unser Stil! Sonst gut!» 

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