Sie nerven sich über aufdringliche Wespen? Halten Sie sich fest: Hier kommt die Bettwanze

Die Bettwanze schadet nicht nur der Gesundheit, sie zerstört Existenzen. Das Unsittengemälde eines Monsters in fünf Akten.

Das Ferien-Souvenir des Horrors: die «gemeine Bettwanze».

Sie galten lange als ausgerottet, doch seit ein paar Jahren nimmt der Bettwanzenbestand in der Schweiz wieder rasant zu, wie das Gesundheits- und Umweltdepartement der Stadt Zürich gegenüber «20 Minuten» bestätigt.

1. Akt: Der Befall

Billigabsteigen mit hoher Besucherfrequenz sind das bevorzugte Habitat der Bettwanze. Der undemokratische Bastard tritt also nach unten, denn nur das Proletariat, Studenten und andere Habenichtse übernachten freiwillig für 17 Euro die Nacht in einer Pariser Mottenkiste. Wer Pech hat, verschleppt den Urquell des Bösen mit in die nächste Absteige. Und von da nach Hause.

Ein Hostel in Paris, besagte 17 Euro die Nacht, eine Absteige. Vier Nächte Aufenthalt, davon zwei schlaflose, weil die Haut bald anfing zu jucken, als hätte jemand Glaswolle darunter geschoben. Später eine Berghütte im Engadin, Massenschlag, wieder die fussschweissschwangeren 22 Grad Raumtemperatur, in der das Insekt am besten gedeiht.

Die Symptome: sogenannte Stichstrassen, der Highway to Hell. Der Stechrüssel trifft das Blutgefäss unter der Haut nicht immer sofort, also taktet er fortlaufende Andockspuren ins Fleisch, bis er fündig wird. Das Gift wirkt nur langsam, sorgt aber für langanhaltenden Juckreiz. Die Qual beginnt.

2. Akt: Die Ächtung

Zurück aus den Ferien sitzt man bei Freunden, berichtet vom Louvre, zeigt Fotos, erzählt auch von den Bettwanzen im Hostel. Reisepannen gehören ins Repertoire jedes Urlaubsreisenden, aber nicht diese, merken Sie sich das. Man spricht nicht darüber – und tut man es doch, breitet sich sofort eisiges Schweigen aus, eine Art Insta-Gram unter Gastgebern. «Du hast die aber nicht etwa…» Die Blicke streifen den Pullover, die Hose, die Socken.

Anderes Beispiel: Eine Freundin war auch in den Ferien und erzählt einem Bekannten von einer Übernachtung in den Bergen. In der Berghütte habe es Bettwanzen gehabt, sagt sie leichtsinnig. Sie sei froh gewesen, als sie die Hütte verlassen habe. Ohne Wanzen.

Der Freund übernachtet bei ihr. Am nächsten Tag schickt er ihr folgende Bilder auf Whatsapp. Sie rastet aus.

Achtung, Bettwanzen-Spässe können die mentale Gesundheit gefährden.

Der Freund hatte das Bild spasseshalber aus der Google-Bildsuche kopiert und suggeriert, der verstochene Arm sei seiner.

Das ist zwar lustig, aber die Freundin hat in der Zwischenzeit in heller Panik das Bett abgezogen, die Matratze akribisch durchforstet, in Ritzen nach Spuren des Schädlings gesucht. Sie ist sich nicht sicher – hat sie die Biester womöglich importiert?

Niemand, der jemals mit Bettwanzen in Berührung kam, ist sich sicher. Sicher ist nur: Es hagelt Kommentare von Freunden, Bekannten, Verwandten. Man rückt weg, wenn sie kommen, die Bettwanzenbefallenen, man wendet sich ab, hält Abstand, lädt sie nicht zu sich ein. Bettwanzenopfer sind die Aussätzigen des 21. Jahrhunderts.

Dabei hat Bettwanzenbefall nichts mit mangelnder Hygiene zu tun.

3. Akt: Der Psychoterror

Das Jucken reisst wochenlang nicht ab, Sie finden morgens neue Stiche auf Armen, Beinen und im Gesicht? Sie haben Bettwanzen zu Hause. Sie arbeiten, es juckt. Sie fahren Tram, es juckt. Sie gehen joggen, es juckt. Es juckt und beisst und kratzt 24/7. Sie haben Fantasien, wie Sie sich mit einem feinen Skalpell die Haut vom Körper ziehen, um der Reizung zu entkommen.

Ihr Wortschatz der Beleidigungen und Fluchwörter auf dieses feingliedrige Stück Scheissnatur explodiert. Sie können Phantomjucken und wirkliches Beissen nicht mehr unterscheiden. Es juckt Sie, während Sie diesen Text lesen? Der Placebo-Effekt dieses mentalen Giftpanschers, dieser Drecksamöbe, wirkt auch bei Ihnen. Sie googeln Gifte und Pestizide. Sie googeln Flammenwerfer und Dynamit. Sie werden zum Monster.

Aus den Reisenotizen eines Bekannten.
Auch das Beweisstück darf nicht fehlen.

4. Akt: Die Rache

Sie googeln Kammerjäger und sehen: Die sind teuer. Also bestellen Sie die günstigsten zu einer Vorabklärung und warten, als abgewracktes Nervenbündel das Sie sind, vor der Wohnungstür. Sie wollen einen weissen Kittel, fachmännische Blicke, das beruhigende Vokabular eines gummibehandschuhten Schädlingsexperten.

Sie kriegen: einen schwarzen Mercedes S-Klasse, zwei dubiose Typen mit fetter Gürtelschnalle, Goldketten über der behaarten Brust und gefälschten Luxusuhren. Sie kriegen den Anblick, wie diese Typen in hastig über die Lackschuhe gestülpten Plastiktüten in Ihrer Wohnung umherstiefeln und «hie und da etwas Pestizid» empfehlen. Sie schicken die Kerle nach Hause. Sie nehmen das Telefon in die Hand und bestellen die teuersten Experten, die Sie finden können. Sie sind am Ende.

Sie kriegen weisse Kittel und Experten. Sie kriegen einen Ofen ins Zimmer gestellt und die Ritzen und Fenster und Türen versiegelt. Sie kriegen die Weisung, Ihre Wohnung für drei Tage nicht zu betreten. Sie blättern 1600 Franken pro Zimmer hin, dafür hätten Sie sich damals in Paris ein tolles Hotel gönnen können. Aber Ihnen ist jetzt alles egal, Sie wollen, dass es vorbei ist.

5. Akt: Die Rehabilitation

Der Ofen hat Ihr Zimmer bei 65 Grad drei Tage lang buchstäblich ausgekocht, hitzeempfindliche Teile haben Sie vorab gerettet und dem Experten zur Prüfung vorgelegt. Jetzt liegen die Bettwanzen tot auf dem Fensterbrett, wo sie auf der Suche nach Kühlung verendet sind. Sie sehen sich die Tiere ganz genau an, ihre schuppigen, haarigen, mandelförmigen Körper. Die toten Insekten. Ihre verreckten Schädlingsleiber.

Sie fühlen, wie die Last von Ihnen abfällt. Sie schämen sich ein wenig für Ihre Gewaltfantasien, für Ihr Schandmaul, für Ihren Hass auf einen Mitbewohner unserer Mutter Erde. Beinahe fühlen Sie Mitleid. Beinahe.

Bei Verdacht auf Bettwanzenbefall in den Ferien ist bei der Heimkehr äusserste Vorsicht geboten. Das Gepäck am besten in der Badewanne oder gleich in der Waschküche auspacken und Stück für Stück untersuchen. Kleider bei mindestens 60 Grad waschen, den Rest für einige Tage im Gefrierfach einmotten. Im Zweifelsfall professionelle Hilfe anfordern oder die Informationsbroschüre des Basler Gesundheitsdepartements konsultieren.

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