Am Wettsteinplatz bremst mir die Fahrlehrerin rein. Wir sind auf der Grenzacherstrasse, ich soll in die Rheinfelderstrasse einbiegen und will deshalb auf die linke Spur wechseln, doch die Fahrlehrerin sagt: «Bleib rechts. Links ist die Busspur, da darfst du nicht einspuren. Du darfst sie nur überqueren, weil sie mit einer unterbrochenen Linie markiert ist. Wenn die durchgezogen wäre, dürftest du sie nicht mal überqueren.»
Diese verdammten Busspuren! Wegen denen bin ich hier, in der Fahrstunde bei Johanna Bacher. Im blauen Shirt und Jeans dirigiert sie mich mit ruhiger Stimme durch den Mittagsverkehr.
Das passiert, wenn man immer das Velo nimmt
Das kam so: Eines Morgens fuhr ich den Luzernerring hoch, als ein Polizist auf dem Töff überholte und mich rauswinkte. «Wissen Sie, weshalb ich Sie anhalte?», fragte er freundlich. Ich wusste es nicht, aber er sagte es mir: «Sie sind von der Gustav Wenk-Strasse in die Flughafenstrasse eingebogen und in die Buslinie eingespurt.» Das hatte ich zwar bemerkt, befand mich aber kurz vor dem Kreisel am Luzernerring und dachte, es lohne sich nicht mehr, erneut die Spur zu wechseln.
Es hätte sich durchaus gelohnt: 60 Franken kostete mich mein Malheur. Und ich realisierte wieder mal: Ich habe automässig keine Ahnung von Basel. Meinen Fahrausweis machte ich vor 15 Jahren in Chur. In Basel bin ich fast nur mit dem Velo unterwegs, und wenn ich mal das Auto nehme, dann mit hohem Adrenalinpegel und der Gewissheit, mich bestimmt auch dieses Mal zu verfahren. Ich habe keine Ahnung, wo die Einbahnstrassen und wo die Fahrverbote sind. Oder eben: die Busspuren.
Eine Runde Einparkieren würde nicht schaden
Das ist natürlich nicht ideal. Für die Umwelt schon, für meine Blumenrabatte weniger – ich hab schon manchen Ausflug in die Gärtnerei auf Eis gelegt, weil ich keine Lust hatte, mich durch den Verkehr zu quälen. Und ich bin nicht die Einzige: In meinem Umfeld gibt es einige Frauen und Männer – Basler notabene – die seit Jahren gar nicht mehr durch die Stadt fahren, weil sie Angst haben.
So will ich nicht enden. Also schrieb ich eine Mail an die Geschäftsführerin der Fahrschule Schwab, Johanna Bacher: «Zeigen Sie mir die heikelsten Verkehrsstellen in Basel? Und eine Runde rückwärtsseitwärts einparkieren würde auch nicht schaden.»
Jetzt sitze ich neben Johanna am Steuer, in der Fahrstunde duzt man sich. Die Fahrschule Schwab ist ein Traditionsbetrieb. Johanna hat ihn 2013 von ihrem Vater übernommen, gegründet haben ihn die Grosseltern. Johannas Schwester ist auch Fahrlehrerin, der Bruder springt manchmal ein.
Ha, erst mal gibts Lob
Wir stehen vor dem Rotlicht auf der Schwarzwaldstrasse, es wechselt auf Grün. Ich setze den Blinker, schaue rechts in den Spiegel, über die Schulter und fahre los. Dafür gibts ein Lob: «Gut, wie du immer kontrollierst, ob Velofahrer von rechts kommen», sagt Johanna. Es ist eine gefährliche Stelle, erst vor Kurzem ist hier ein Mann auf dem Fahrrad tödlich verunglückt, erfasst von einem Lastwagen. Auf dem Trottoir erinnern Blumen an ihn.
«Hätte ich mit dem Auto ganz an den Bordstein fahren sollen, um allfälligen Velos den Weg zu versperren, sodass sie erst gar nicht Gefahr laufen, mir vor die Haube zu fahren?», frage ich die Fahrlehrerin.
«Das darfst du nicht. Der Radstreifen war durchgezogen, dann darfst du nie zumachen.»
Busstreifen, Radstreifen – ich habe offenbar einige Wissenslücken. Johanna zeigt auf ein Verkehrsschild, ein rotes Dreieck mit Kreuz in der Mitte.
«Was signalisiert es?», fragt sie.
«Einen Bahnübergang?», frage ich zurück.
«Nein, es bedeutet: Verzweigung mit Rechtsvortritt.»
Autsch. Wenigstens bin ich nicht die Einzige. «Meine Fahrschüler wissen das oft auch nicht, obwohl sie schon seit Jahren Velo fahren», sagt Johanna. Oft macht erst das Autofahren aus Velofahrern kompetente Verkehrsteilnehmer. Wenn man mal erfahren hat, wie die Welt hinter dem Steuer aussieht, kann man die Gefahren besser einschätzen.
Während wir durch die Strassen kurven, kommentiert Johanna Bacher immer wieder trocken das Basler Verkehrskonzept. Regierungsrat Hans-Peter Wessels und seine verkehrsfreie Innenstadt haben in der Fahrlehrerin offenbar keine Freundin. Bei Bankverein/Aeschenvorstadt etwa sagt sie: «Hier darf man auch bald nicht mehr durchfahren.» Bei der Freien Strasse: «Das störte doch niemanden, wenn man hier am Morgen runterfuhr. Darf man aber auch nicht mehr.»
Wir sind jetzt auf der Güterstrasse, ich soll vor der Heiliggeist-Kirche links in die Thiersteinerallee abbiegen. Mir entgegen kommt ein grosser SUV, sein Weg führt übers Trottoir. Das bedeutet: Ich habe Vortritt. Doch Johanna warnt: «Achtung, der weiss das nicht.» Sie hat recht, er schneidet mir den Weg ab.
Aha, andere Autofahrer machen auch Fehler. Johanna bestätigt: «Viele Leute vergessen die Verkehrsregeln.»
Horror-Situation bei der Schänzli-Baustelle
Und dann gibt es natürlich diejenigen, die lieber Velo fahren und darum im Auto die Routine verlieren, so wie ich. Oder Frauen, bei denen immer der Mann am Steuer sitzt. Und dann kommen die Kinder und der Grosseinkauf – und die Frauen fänden es praktisch, selber zu fahren. Johanna hatte grad drei Kundinnen, die deswegen bei ihr eine Fahrstunde buchten und ihr Wissen auffrischten. Oder ältere Leute, die sich sicher sein wollen, dass sie noch fahren können, und deshalb regelmässig freiwillig eine Fahrstunde nehmen.
Aber es ist nicht nur die fehlende Routine, die das Autofahren schwierig macht, wie Johanna sagt: «Der Verkehr ist anspruchsvoller geworden.» Die Regeln ändern sich häufig, das verlangt den Leuten hinter dem Steuer einiges ab: «Plötzlich wird aus einer 50er- eine 30er-Zone, und schon laufen die Leute rein, weil sie es sich nicht gewohnt sind oder nicht auf die geänderte Signalisation achten.»
Auch Johannas Schülerinnen müssen sich manchmal innert Wochen umgewöhnen, etwa bei der Schänzli-Baustelle: «Einen Tag musst du links abbiegen, weil der rechte Fahrstreifen gesperrt ist, am nächsten Tag ist es anders», sagt Johanna. Dementsprechend brauchen die Schüler auch länger, bis sie parat sind für die Prüfung. Meine Freundinnen und Freunde kamen vor 15 Jahren mit ungefähr zwölf Fahrstunden durch. Heutzutage braucht eine Fahrschülerin 20 bis 25 Fahrstunden. Der durchschnittliche Basler Neulenker ist 25 Jahre alt, das zeigen die Zahlen des Justizdepartemens fürs Jahr 2017.
Lernfahrausweis neu mit 17 Jahren
Auch sonst hat sich einiges getan. Eben weil der Verkehr immer komplizierter wird, müssen Fahrschüler heute eine Probezeit bestehen und Wiederholungskurse machen, bevor sie einen definitiven Fahrausweis bekommen.
Jetzt plant der Bundesrat weitere Verschärfungen: Junglenker sollen neu mindestens zwölf Monate lang mit dem Lernfahrausweis herumfahren müssen, bevor sie an die Prüfung dürfen. Dafür will die Regierung das Alter der Lernfahrer heruntersetzen: Jugendliche sollen den Lernfahrausweis bereits nach dem 17. Geburtstag bekommen – und die Verkehrskunde bereits mit 16 Jahren besuchen dürfen. Dazu kommt eine Lockerung, die erstaunt: Künftig sollen auch Schüler, welche die Autoprüfung mit einem Automaten machen, mit einer Handschaltung herumfahren dürfen. Heute muss beim Automaten bleiben, wer mit dem Automaten lernt.
Die Begründung für die Lockerung: Das Bundesamt für Strassen geht davon aus, dass in Zukunft sowieso nur noch Automaten gebaut werden. Unter anderem, weil der Anteil der Elektro- und Hybridautos zunimmt. Für die Umwelt ist das sicher tipptopp, aber eins ist klar: In den Bergen rumkurven macht nur Spass, wenn man hebeln kann.
In der Stadt ist man so damit beschäftigt, Trämli, Velos, Busse, Kinder, Hunde, Telefonierende im Blick zu behalten, dass ein Automat vielleicht gar nicht das Dümmste ist.
Meine Fahrstunde ist zu Ende. Johanna lotst mich zurück in die Zentrale an der Hardstrasse. Ihr Fazit fällt besser aus, als ich erwartet hatte: «Du hast den Verkehr gut im Blick», sagt sie abschliessend. Einzige Kritikpunkte: «Du solltest früher raufschalten und beim seitwärts Einparkieren langsamer fahren und schneller kurbeln.» Ich bin zufrieden und nehme mir vor, in Zukunft häufiger das Auto zu nehmen.