Wenige hundert Meter von der Trinkwasserfassung Lange Erlen entfernt sind Roche und BASF für eine Giftmülldeponie zuständig. Während Roche den kontaminierten Boden ausheben will, möchte die BASF den Grund nur einkapseln. Sie spart damit fast eine Viertelmilliarde Euro.
Unmittelbar hinter der deutschen Grenze, direkt am Rheinufer, liegt die Sondermülldeponie Kesslergrube. Gefüllt ist die Deponie mit 15’000 Tonnen hochgiftiger Chemieabfälle. Zwischen 1950 und 1976 haben Roche, Ciba und Geigy (heute BASF) hier in Grenzach-Wyhlen ihre Abfälle entsorgt.
Der Sondermüll stammt auch aus Fabriken in der Schweiz. Der unabhängige Basler Geograf und Altlastenspezialist Martin Forter schätzt, dass sich etwa 4000 toxische Substanzen im Boden befinden, «so viele, dass sie nicht mehr einzeln identifizierbar sind», wie er sagt.
Keine kritischen Fragen aus Basel
Heute ist die Deponie ein Sanierungsfall, die «Stuttgarter Zeitung» schreibt gar vom «grössten Sanierungsfall des Bundeslandes Baden-Württemberg». In Basel dagegen hat die Deponie noch kaum für Diskussionen gesorgt – und dies obschon sie nur wenige hundert Meter von der Trinkwassersammelstelle Lange Erlen entfernt ist, die die Stadt mit Wasser versorgt.
Die BASF als Nachfolgefirma von Ciba und Geigy, sowie die Roche sind je für einen eigenen Perimeter in der Grube verantwortlich. Während die Roche das gesamte belastete Erdmaterial ausheben und thermisch entsorgen wird, will die BASF ihren Teil lediglich einkapseln. Das kontaminierte Material bleibt im Boden. Seitlich wird eine Trennwand bis zu 30 Meter in den Boden getrieben, und oberflächlich wird die Fläche versiegelt. Nach unten ist die Deponie weiter offen.
«Eine grosse Bastelei»
Ein Nachhaltigkeitsgutachten, dass für den zuständigen Landkreis Lörrach erstellt wurde und seit Mai vorliegt, zeigt, dass ein Aushub nachhaltiger ist als eine Einkapselung. Zuvor hatte die Altlastenkommission des Landes Baden-Württemberg das Vorgehen der BASF als «zielführend, rechtmässig und genehmigungsfähig» eingestuft. Dies gelte, solange «dauerhaft keine Gefahren» von der eingekapselten Grube ausgingen.
Martin Forter ist damit nicht einverstanden: «Es läuft dann weniger kontaminiertes Wasser runter, aber nicht nichts.» Seinen Nachforschungen zufolge liegt der grösste Teil des kontaminierten Mülls auf dem grösseren Perimeter der BASF. Von einer Sanierung könne bei diesem Vorgehen keine Rede sein.
Während die Roche das Problem löse, verschiebe es die BASF lediglich auf die nächste Generation, sagt Forter. «Die Wände halten 50 bis 60 Jahre, genau weiss man das nicht.» Bislang sei das System noch nicht auf diese Dauer erprobt. Das Ganze gleiche eher «einer grossen Bastelei».
Die günstigste Lösung
Gegenüber dem Südwestrundfunk erklärte der BASF-Projektleiter Livio Ulmann: «Wir wollen ja die Bevölkerung nicht 15 Jahre lang belästigen mit Lastwagen, die hier durchfahren.» So lange würde der Komplettaushub des BASF-Perimeters dauern.
Was die BASF ebenfalls von der Variante Trennwand überzeugen dürfte: Während die Kosten für die Wand auf 28 Millionen Euro geschätzt werden, dürfte der Aushub rund eine Viertelmilliarde Euro kosten.
Für Martin Forter ist deshalb klar: «Der Konzern sucht die günstigste Lösung und nimmt dabei grosse Umweltschäden in Kauf.» Und: «Die Roche als Gesundheitsfirma gräbt aus. BASF als Chemie-Konzern, der mehr und mehr nach Asien verlagert, belässt den Dreck im Boden.»
Beim Basler Amt für Umwelt und Energie ist zu vernehmen, dass man die Sanierungspläne im Rahmen der Vernehmlassung zur Kenntnis genommen habe. Man werde auch künftig die Schadstoffkonzentrationen im Rhein messen – und gegebenenfalls reagieren.
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Wo in der Region Basel das Gift liegt – eine Gefahrenkarte.
Artikelgeschichte
Am 23.7.2014 wurde im Beitrag ein Missverständnis korrigiert: Die Aushubvariante würde die BASF nicht eine halbe Milliarde, sondern rund eine Viertelmilliarde Euro kosten.