Au revoir, geliebte ­Telefonkabine!

Die Swisscom hat in den letzten 24 Monaten beinahe 80 Telefonkabinen in den beiden Basel entfernt. Vorerst bleiben werden die vier Apparate am Barfüsserplatz.

Bei den Telefonkabinen am Barfüsserplatz trifft man sich nur noch, telefoniert wird dort kaum mehr. (Bild: Michael Würtenberg)

Die Swisscom hat in den letzten 24 Monaten beinahe 80 Telefonkabinen in den beiden Basel entfernt. Vorerst bleiben werden die vier Apparate am Barfüsserplatz.

Ja, es ist nur noch schwer vorstellbar, aber es gab sie wirklich einmal –die Zeit ohne Handys, iPhones, Blackberrys, HTCs oder wie diese Alleskönner auch immer heissen. Und wie schön diese Zeit doch war! Unbekümmert irgendwie. Es ist noch keine 20 Jahre her, da musste man eine Telefonkabine aufsuchen, wenn man von unterwegs telefonieren wollte.

Getan wurde dies nur in dringenden Fällen, also wenn man tatsächlich etwas Relevantes zu sagen hatte wie «Wir müssen uns eine Stunde später treffen» oder «Nein, Mami, ich werde nicht nach Hause kommen. Hörst du? Nie mehr!».

Die Welt stand still

60 Rappen genügten für einen Anruf. Oder eine Taxkarte, die viele auch noch liebevoll sammelten. Die wichtigsten Telefonnummern kannte man auswendig oder fand sie in einem der aufklappbaren Telefonbücher. Was für ein gewaltiger metallener Buchordner das war! Das Gespräch in einer Telefonkabine wurde knapp gehalten, schliesslich wollte man die wartende Schlange nicht noch ungeduldiger werden lassen.

Die Welt schien stillzustehen in dieser nach Zigaretten stinkenden Telefonkabine. Aber wie schön das doch klang, wenn das Münz in den Schlitz eingeworfen und die Nummer ratternd gewählt wurde. Kurz: Das Telefonieren in einer Telefonkabine war ein Erlebnis. Einfach grossartig!

Man war auf öffentliche Telefone angewiesen, für die Swisscom waren sie ein lukratives Geschäft. Sie betrieb bis zur Jahrtausendwende rund 13 000 Kabinen. Nicht zu vergessen die vielen privat betriebenen Apparate, etwa in Restaurants – Mitte der 1990er-Jahre gab es schweizweit 45 000 Stück davon.

Nur noch ein Nischengeschäft

Heute sind die Telefonkabinen am Aussterben. Genutzt werden sie hauptsächlich nur noch von Touristen oder Ausländern, die in ihre Heimat telefonieren. Oder wann waren Sie das letzte Mal in einer Telefonkabine? Nur noch mickrige 6700 Apparate betreibt die Swisscom heute, 4100 davon gehören zur Grundversorgung. Alleine letztes Jahr hat der Telefonanbieter schweizweit 800 Kabinen dichtgemacht.

Schuld am Abbau sind selbstverständlich die Handys. «Bei den Publifonen der Grundversorgung ging die Anzahl Gespräche innert Jahresfrist um 30 Prozent zurück. Von 2004 bis 2008 ist die Anzahl der Gespräche sogar um 60 Prozent zurückgegangen», sagt Swisscom-Sprecher Christian Neuhaus. Die öffentlichen Publifone seien inzwischen ein Nischengeschäft.

413 Kabinen

In den beiden Basel gibt es insgesamt noch 413 Telefonkabinen – 150 im Baselbiet und 263 in Basel-Stadt. Wie Neuhaus sagt, seien in den letzten zwei Jahren im Stadtkanton 41 Publifone entfernt worden, etwa beim Zoll Lysbüchel und am St.-Johanns-Platz. In Baselland verschwanden 35 Kabinen, so an der Prattler Bahnhofstrasse und am Dorfplatz in Frenkendorf.

Wie viele Telefonzellen die Swisscom im laufenden Jahr abbauen wird, kann Neuhaus noch nicht sagen. Aber: «Swisscom schliesst Publifone in der Grundversorgung nur, wenn die Gemeinden ihr Einverständnis geben.» Und genau das tat die Oberbaselbieter Gemeinde Langenbruck nicht. Anfang 2011 wehrte sich der Gemeinderat gegen die Schliessung der letzten Telefonkabine im Dorf, in der monatlich nur durchschnittlich 27 Anrufe getätigt werden.

In Basel-Stadt habe die Allmendverwaltung noch nie gegen den Abriss einer Zelle interveniert, sagt Mediensprecher André Frauchiger. «Wir haben kein Problem damit. Als störend empfinden wir sie aber wiederum auch nicht.»

Gesetzliche Pflicht

Bis 2017 wird es bestimmt noch Telefonkabinen geben. Bis dahin ist die Swisscom gesetzlich verpflichtet, mindestens 4100 öffentliche Telefone zu betreiben. Was danach geschehen wird, ist völlig unklar. Christian Neuhaus: «Diese Frage kann zum heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Abhängig ist dies unter anderem davon, ob die Telefonkabinen weiterhin Bestandteil des Grundversorgungs-auftrages sind und ob die Swisscom die Grundversorgung weiterhin betreiben darf.»

Wie auch immer. Obwohl man sie nicht mehr braucht, gehören Telefonkabinen irgendwie zum Stadtbild. So wäre es für einige fürchterlich, wenn die vier öffentlichen Apparate am Barfüsserplatz dem Erdboden gleichgemacht würden. Sie sind schliesslich der Treffpunkt schlechthin. Ein ehemaliger Journalist der «Basler Zeitung» forderte denn auch vor einem Jahr, die Telefonzellen am Barfi unter Denkmalschutz zu stellen.

Er darf aufatmen – zumindest vorläufig. Die Swisscom will diese nicht entfernen, oder noch nicht. «Die Benutzung der Telefonkabinen am Barfüsserplatz ist zufriedenstellend. Das zeigt uns, dass die Kabinen an diesem Standort nach wie vor einem Kundenbedürfnis entsprechen», sagt Neuhaus, ohne Zahlen nennen zu können. Und jetzt noch das Aber: «Je nach Benutzerfrequenz ist eine Reduktion der Telefonkabinen in den nächsten Jahren jedoch nicht ausgeschlossen.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12

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