Aus dem Stall auf den Laufsteg

Von der Güllegrube vor den Spiegel und zurück: Peter Graf, 55, ist Landwirt. Doch daneben mausert sich der Sissacher seit vier Jahren zum gefragten Model. Und posiert für Firmen wie Victorinox, Alprausch und die Mobiliar.

«Das Modeln ist genau mein Ding. Ich fühle mich pudelwohl», sagt der Kleinbauer Peter Graf. (Bild: Michael Schär)

Von der Güllegrube vor den Spiegel und zurück: Peter Graf, 55, ist Landwirt. Doch daneben mausert sich der Sissacher seit vier Jahren zum gefragten Model. Und posiert für Firmen wie Victorinox, Alprausch und die Mobiliar.

Und plötzlich war die Beschaulichkeit dahin. Peter Graf, 55, war Landwirt, ein typischer Kleinbauer, etwas Land, Obstbäume, ein paar Reben, einige Kühe. Landwirt ist er noch immer, es ist sogar sein Hauptberuf. Noch. Denn Peter – er wird lieber mit dem Vornamen angesprochen – arbeitet seit vier Jahren nebenbei als Model.

Er wirft sich für Villiger und die SBB in Schale, trägt Tracht für Head und legt die Armbrust an für Victorinox. «Das Modeln ist genau mein Ding. Ich fühle mich pudelwohl», sagt der stattliche Mann mit dem markanten Gesicht. Und es gäbe ihm eine Art Anerkennung, die einem als Bauer verwehrt bliebe.

Die Landwirtschaft sei zwar erfüllend, erklärt Peter weiter, und Hof und Tiere gäben grosse Befriedigung; «aber etwas Lob zwischendurch ist halt schon schön. Beim Modeln erfahre ich diese Bestätigung.»

Letzten Endes sind es genau diese Gegensätze, die ihn anziehen, «eine explosive Mischung», wie er sagt. Graf spielt mit ihnen, dem Kleinbauern, der plötzlich durch die Welt jettet, die Überhose für die Jauchegrube, die er mit der Puderdose vor dem Spiegel tauscht, Baumschere und Haargel, Mistgabel und Zwirn. Er hat sich gewöhnt an diese zwei Welten, die unterschiedlicher fast nicht sein könnten, hat sich arrangiert und geniesst den Trubel des Unterwegsseins genauso wie die Ruhe in den Reben und auf den Bäumen.

«Charakterkopf? Ich hielt das für Gefasel, was soll man auch denken, wenn man so was mit 50 das erste Mal hört?»

Seinen Anfang nahm das Märchen an der Hochzeit seines Neffen, Spätsommer 2010. Ein Fotograf umgarnte den Bauern, lobte seinen «Charakterkopf» und verabredete ein Probeshooting. «Ich hielt das für Gefasel, was soll man auch denken, wenn man so was mit 50 das erste Mal hört?» Heute ist Peter Graf bei Agenturen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelistet und tingelte durch die Medien. Bei Aeschbacher auf SRF war er genauso zu Gast wie im ZDF und in diversen Magazinen.

In der «Annabelle» posiert er mit einem Strickpullover von Ralph Lauren für knapp 2000 Euro. «Schon seltsam», sagt er, «so teure Kleider zu tragen.» Denn die Grafs mussten stets mit einem engen Budget haushalten, Kleinbauern wie sie haben es schwer, finanziell über die Runden zu kommen. «Darum kam das Modeln goldrichtig», sagt Monica Graf.

Der Respekt vor der teuren Mode zeigt auch seine Bodenständigkeit. «Er ist sich selbst geblieben», schwärmt Monica. Das hat er sich auch selbst gross auf die Fahne geschrieben. Zwar sei ein gewisser Stolz da, und das Ganze fühle sich richtig gut an, aber zuoberst auf seiner Prioritätenliste steht ein tiefer Glaube. «Eine Suppe und ein Gebet geben mir die Kraft für den Tag», sagt er. Einem Reiheli Schoggi ist er trotzdem niemals abgeneigt.

Der Traum vom Film

Dann kommt Monica, die Managerin, die Stylistin, gute Fee und ruhender Pol. Wenn er am Set ist in Wien oder Visp, bleibt sie daheim und schaut zum Hof, wo er so tief verwurzelt ist. Er ist Heimat und Gratis-Fitnesscenter zugleich. Hier, in der Stube des Hofs Letten, wurde er geboren, hier wuchs er auf, hier lebt er noch heute. Und, so Gott wolle, sagt er, werde er hier auch sterben. Am liebsten mit seinen acht Katzen, die er allein an deren Miauen unterscheiden kann.

Doch das hat noch Zeit. Peter Graf ist erst 55, «und Männer werden ja nicht älter, sondern interessanter». Sein Traum ist Paris, London, New York. Und eines Tages die Rolle in einem Film. Werbeclip-Erfahrung hat er schon, und seinen eigenen YouTube-Kanal betreut er auch. Auch seine Homepage hat er selbst gebaut, jene für das Model Peter und jene für den Bauern Peter. Auch ein Smartphone hat er sich kürzlich zugelegt, ein «Wüschophon», wie er grinsend sagt.

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Die TagesWoche widmete der Landwirtschaft einen Schwerpunkt – Hintergründe, Zahlen und weitere Porträts in unserem Dosssier.

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