Baselbieter Bauern sind die grössten Profiteure

Die Baselbieter Bauern würden schweizweit am stärksten von der Landwirtschaftsreform profitieren. Trotzdem ist ihr Verband dagegen.

Der Reinacher Bauer Christian Schürch hat die Zeichen der Zeit erkannt: Für seine Buntbrache, in welcher das gefährdete Schwarzkelchen brütet, erhält er vom Bund Direktzahlungen. (Bild: Basile Bornand)

Die Baselbieter Bauern würden schweizweit am stärksten von der Landwirtschaftsreform profitieren. Trotzdem ist ihr Verband dagegen.

Wäre die Schweizer Landwirtschaft ein Betrieb und das Baselbiet eine Abteilung, dann müsste Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit Gästen auf Betriebs­besichtigung in die Nordwestschweiz reisen. Denn in Sachen Landwirtschaft ist das Baselbiet ein Vorzeigekanton.

Geht es nach dem Willen des Bundesrats, sollten sich alle Schweizer Bauern in die gleiche Richtung bewegen wie die Baselbieter Berufskollegen. Weiterhin sollen sie säen und ernten, mästen und melken – gleichzeitig aber auch als Landschaftspfleger für ihren ökologischen Einsatz mit Direktzahlungen entschädigt werden. Und vor allem sollen die Bauern eine vernünftige Anzahl Tiere halten – vorab Kühe. Da ist das Baselbiet vorbildlich: Nur knapp 10 000 Kühe geben im Baselbiet Milch. In der Schweiz sind es 60-mal mehr.

Ökonomischer und ökologischer Unsinn

So viele Kühe zu füttern, ist ein öko­logischer und ökonomischer Unsinn. Ökologisch deshalb, weil die Kühe längst nicht mehr nur Gras fressen, das in der Schweiz wächst, sondern in rauen Mengen importiertes Getreide oder Soja vertilgen. Zudem drückt die Über­produktion von Milch und Fleisch auf den Preis. Dass die Bauern trotzdem auf Masse setzen, auch wenn sie darauf sitzen bleiben, daran ist die Verfassung schuld: Jeder Grasfresser wird subventioniert. Im Baselbiet zum Beispiel gibt es – je nach Hanglage und Betriebs­grösse – zwischen 450 und 1420 Franken pro Kuh.

Diesen Fehlanreiz möchte der Bundesrat jetzt korrigieren und die Direktzahlungen von der Anzahl Tiere lösen. Neu sollen die sogenannten Tierhalterbeiträge abgeschafft und durch Zahlungen an die Flächen abgelöst werden. Was Fachleute als Schritt in die rich­tige Richtung feiern, ist politisch umstritten. Am vergangenen Mittwoch sprach sich der Nationalrat als Erstrat mit 1oo zu 80 Stimmen für die Reform aus.

Der Bauernverband wehrt sich im Baselbiet für ein paar Ausnahmebetriebe

Den hartnäckigsten Widerstand leistet dabei der Bauernverband. «Leidtragende wären die Milchwirtschaftsbetriebe, die Verlierer wären Höfe mit intensiver Produktion», sagt Gregor Gschwind, Präsident des Bauernverbands beider Basel. Das stimmt.

Trotzdem überrascht der Widerstand des lokalen Bauernverbands, sind doch gerade solche Betriebe im ­Baselbiet die grosse Ausnahme, die ­allenfalls die Regel bestätigen. Die ­grüne Nationalrätin und Bäuerin Maya Graf kann diese Haltung nicht verstehen: «Der Bauernverband setzt sich bei dieser Reform nur für Tal­betriebe mit intensiver Fleisch- und Milch-produktion ein. Dabei haben wir im Baselbiet eine Hügellandschaft und betreiben keine solch intensive Landwirtschaft.»

Für die meisten ändert sich wenig

Genau solche nicht intensiv produzierende Betriebe zählen bei der Agrar­reform zu den Gewinnern. Zu diesem Schluss kommt auch das Bundesamt für Landwirtschaft in einem internen Papier: In einem Vergleich zwischen ­allen Kantonen würden die Baselbieter Bauern prozentual am stärksten von der geplanten Reform profitieren.

Die Rechnung gemacht hat auch Bauer Christian Schürch vom Neuhof in Reinach. Mit 75 Hektaren Ackerland liegt er weit über dem Baselbieter Durchschnitt von 22. Trotzdem begrüsst der IP-Bauer die geplante Reform. Schliesslich werden die Direktzahlungen, rund 52 Millionen Franken im Baselbiet, ja nicht ­gekürzt, sondern nur anders verteilt. ­Abgefedert wird die Umstellung zudem noch mit Übergangs- und Umstellungsbeitägen.

Verschiedene Kantone haben denn auch Modellrechnungen durchgeführt. Fazit: Für die meisten Bauern ändert sich wenig. Auch wenn noch lange nicht alle Details entschieden oder geregelt sind, ist Bauer Schürch überzeugt, dass grössere, extensive Be­triebe wie der von ihm gepachtete Neuhof gewinnen werden. Auf seinen Kiesböden, die ­wenig Ertrag abwerfen, pflanzt er schon heute sogenannte Buntbrachen. Dafür entschädigt ihn das land­wirt­schaft­liche Zentrum Ebenrain mit ­Öko­beiträgen.

Es gibt zu viel Kühe

Solche ökologischen Massnahmen will der Bundesrat mit der Reform weiter fördern. Deshalb begrüsst auch Urs Chrétien, Geschäftsführer von Pro ­Natura Baselland, diese Reform. Er ist soeben von einer Alp oberhalb von ­Savognin (GR) zurückgekehrt, wo er zwei Mutterkuhherden inklusive Muni und über hundert Tiere betreute. «In der Schweiz gibt es einfach zu viele Kühe», sagt er.

Die überzähligen Tiere, dazu zählen neben Kühen auch Schweine, müssten mit importiertem Kraftfutter, etwa Soja gefüttert werden, so Chrétien. Und zwar mit so viel Kraftfutter, das auf einer Fläche angepflanzt wird, die noch einmal so gross ist wie das gesamte Schweizer Ackerland. Die so gemästeten Kühe sorgen für eine Milchschwemme und damit für noch stärker sinkende Milchpreise. «Eine Sackgasse: Die Landwirtschaft muss wieder produzieren, ohne den Boden auszubeuten», sagt Chrétien. Also genauso wie auf der Alp: Bauern sollten nur so viele Tiere halten, wie die Landschaft an Futter hergibt.

Auch Urs Chrétien kann den Widerstand des Bauernverbands nicht nachvollziehen: «Die Bauern verlieren mit dieser Reform nichts. Aber viele sind immer noch drauf getrimmt, möglichst viel zu produzieren. Sie tun sich deshalb schwer damit, dass sie plötzlich Direktzahlungen erhalten, weil sie stattdessen die Artenvielfalt fördern.»

Bauernsterben wird trotzdem weiter gehen

Der Basler SP-Nationalrat Beat Jans, selbst ein gelernter Bauer, betont: «Bauern, die sich in die richtige Richtung bewegen, werden dank der Reform gewinnen.» Und die richtige Richtung heisst: noch ökologischer bauern. Die Baselbieter Bauern würden auch deshalb zu diesen Gewinnern gehören, weil sich viele bereits an vorbildlichen Programmen zur Förderung der Artenvielfalt beteiligen, so Jans. In Zukunft solle der Kanton auch fest­legen können, welche Landschafts­qualität er mit Direktzahlungen fördern wolle. «Im Baselbiet liegt es zum Beispiel auf der Hand, die heute schon geförderten Hochstammbäume noch stärker zu unterstützen.» Gregor Gschwind dagegen warnt, dass damit bloss der administrative Aufwand noch weiter zunehmen würde.

Viel prägender als diese Reform ist allerdings das Bauernsterben, das weitergehen wird. Im Baselbiet etwa gibt es heute nur noch knapp 1000 Betriebe. Vor 25 Jahren waren es noch fast doppelt so viel.
Doch diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich erwünscht: Die ver­bleibenden Betriebe können frei­gewordenes Land dazukaufen oder pachten und als grössere Betriebe ­ef­fizienter produzieren. Aber das funktioniert nur, wenn kein Landwirtschaftsland verloren geht.

Genau das macht Christian Schürch die grössten Sorgen. Er wird bald zehn Hektaren weniger beackern können, weil das Land überbaut wird. «Damit Konsumenten, Steuerzahler und Bauunternehmer sich wegen des Landverschleisses kein schlechtes ­Gewissen machen müssen», sagt der ­Reinacher Bauer zynisch, «sorgen wir Bauern für etwas mehr Ökologie und ermuntern sie so zugleich, weiterzu­machen wie bisher.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.09.12

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