Baselbieter Weinbauern machen das Beste aus der Frost-Katastrophe

Der Frost zerstörte letztes Jahr beinahe die gesamte Ernte der Baselbieter Weinbauern. Ein Jahr später erklären zwei Winzer, wie sie trotzdem Wein mit Jahrgang 2017 verkaufen können.

Da gab es nicht viel zu pressen: 2017 war für die Baselbieter Weinbauern ein katastrophal schlechtes Jahr.

Es versprach, ein wunderbarer Frühling zu werden. Sonne, milde Temperaturen, die Schweizer Reben trieben im März 2017 bereits aussergewöhnlich früh aus. Doch am 20. April kehrte der Winter über Nacht in die Schweiz zurück, die Temperaturen brachen bis in den zweistelligen Minusbereich ein. In der Folgenacht noch einmal. Die Büroangestellten bibberten auf dem Arbeitsweg in ihren dünnen Übergangsjacken, die Weinbauern um ihre Existenz.

Der Frost frass sich durch die Reben, legte sich um Austriebe und erstickte alles, was er zu fassen bekam. Am härtesten traf es die Ost- und Innerschweiz sowie die Nordwestschweiz. Obst- und Weinbauern bezifferten die Ernteausfälle auf bis zu 95 Prozent. Eine Frostschutzversicherung hatte im Baselbiet damals kaum ein Weinbauer. Einerseits ist sie teuer, andererseits war der Frost bislang nie ein wirkliches Problem gewesen.

Bis zu jenen beiden Nächten im April.

Ein gutes Jahr später stellt sich die Frage: Wie schlimm war es tatsächlich? Wird 2018 ein Jahr ohne Baselbieter Wein?

Wein trotz 96-prozentigem Ernteausfall

«Wir konnten im Schnitt lediglich vier Prozent einer normalen Ernte einholen», erzählt Ulrich Bänninger vom Weingut Tschäpperli in Aesch. Vier mickrige Prozent. Vom Riesling blieb sogar nur ein Prozent, vom Roten immerhin neun. Den grössten Schaden richtete der Frost an, den Rest der Trauben pickten die Vögel von den Reben. «Die fanden wegen der Kälte ja kaum mehr etwas zu fressen. Sie stürzten sich regelrecht auf die verbliebenen Trauben», sagt der Winzer.

Bänninger stand vor dem Nichts. Eine ganze Ernte fehlte. Und trotzdem hat er auch dieses Jahr zwei Weine, einen Weissen und einen Roséwein, mit eigenen Trauben produziert. Ein befreundeter Weinbauer im Aargau konnte aushelfen, seine Hänge am Jurasüdfuss blieben vom Frost verschont. Von ihm konnte Bänninger Trauben zukaufen. Das macht er schon seit einem Jahrzehnt so, «um die Fässer aufzufüllen», wie er sagt.  Zwei oder drei Prozent seiner Gesamternte stammten jeweils vom Aargauer Kollegen. Beim Jahrgang 2017 schlagen die Zahlen nun massiv aus: «Bei unserem Cuveé Blanc sind 90 Prozent, beim Rosé 70 Prozent der Trauben zugekauft.» Bänninger wird die Weine diesen Donnerstag- und Freitagabend an den Schweizer Weintagen in der Basler Markthalle vorstellen.

«Es bringt nichts, die Faust im Sack zu machen. Du musst aus der Situation herausfinden.»

Urs Jauslin, Weinbauer aus Muttenz

Die Qualität des Weines würde unter der Mischung nicht leiden, sagt Bänninger. «Ich kenne die Rebberge und Trauben meines Kollegen. Und er weiss, was ich will.» Das Schutzsiegel AOC erhalten die beiden Weine aber trotzdem nicht. Dieses sieht nämlich vor, dass 85 Prozent der Trauben aus derselben Gemeinde und vom selben Jahrgang stammen. Bänninger konnte diese Vorgaben letztes Jahr schlicht nicht erfüllen.

Ohne Trauben keine Arbeit

Auch Urs Jauslin aus Muttenz musste seine Trauben zusammenkratzen: Lediglich ein Zehntel seiner üblichen Ernte blieb ihm nach dem Frost.  Also kaufte auch er zu – zum ersten Mal in seiner 35-jährigen Tätigkeit als Winzer. Kränkt das seinen Stolz? «Es bringt nichts, die Faust im Sack zu machen. Du musst aus der Situation herausfinden», sagt Jauslin. Gutedel holte er von einem Kollegen in der Westschweiz, Pinot Noir von Kollegen in der Bündner Herrschaft und im Aargau. «Für unsere Kunden, damit wir ihnen dieses Jahr auch etwas bieten können. Aber auch für unsere Mitarbeiter – sonst hätten wir sie freistellen müssen. Ohne Trauben gibt es für sie keine Arbeit.»

Den Blauburgunder pflückten Jauslin und seine Mitarbeiter vor Ort selber von den Reben. AOC sei nur ihr Pinot Gris. «Die Reben waren in den Frostnächten noch sehr jung und haben weniger stark gelitten. Immerhin zwei Fässer konnten wir keltern. Normalerweise sind es zehn.» Sauvignon Blanc und Bacchus von Jauslin sucht man dieses Jahr hingegen vergeblich in den Regalen der Weinhändler.

Natur und Petrus meinen es gut

Finanziell war es für Jauslin wie auch für Bänninger ein hartes Jahr. Investitionen, zum Beispiel in neue Maschinen, mussten sie aufschieben, auf Hilfsarbeiter verzichten. «Wir sind ein relativ grosser Betrieb und hatten zum Glück Rücklagen», sagt Jauslin. Bei kleineren Betrieben in der Region wurde die Situation hingegen brenzlig. Einige hielten sich über Wasser, indem sie Weine für andere Weinbauern kelterten – auch Bänninger arbeitete für andere Betriebe. Andere mussten sich auf ihren zweiten Betriebszweig verlassen, beispielsweise ein Restaurant. Einzelne nahmen gar Aushilfsjobs an wie etwa ein Obstbauer aus Biel-Benken.

Der Frost vom letzten Jahr wird die Baselbieter Winzer noch weiter begleiten: Die Rotweine werden üblicherweise erst zwei, drei Jahre nach der Ernte in den Verkauf gebracht. Weitere Lücken in den Verkaufsregalen werden also folgen.

Jauslin bleibt aber positiv, denn Natur und Petrus meinen es dieses Jahr gut mit den Bauern: «Die Reben sind wunderschön und haben sich besser erholt als erwartet. Es sieht gut aus.» Natürlich habe man immer noch Probleme mit der Kirschessigfliege. «Aber gegen die können wir etwas unternehmen. Gegen das Wetter nicht.»

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