Ende Jahr verjähren in der Basler Steuerverwaltung 28’500 Verlustscheine mit einem Gesamtwert von 98 Millionen Franken. Der Kanton versucht momentan intensiv, das Geld bei den Schuldnern einzutreiben – und damit die Verjährungsfrist zu unterbrechen.
Es herrscht Hochbetrieb in den Räumen der kantonalen Inkassostelle am Fischmarkt 10. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Steuerverwaltung müssen hereinholen, was noch zu holen ist. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Ende dieses Jahres verjähren alle Verlustscheine, die vor 1997 ausgestellt wurden. Früher waren Verlustscheine unverjährbar. Mit der Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes per 1. Januar 1997 wurde eine Verjährungsfrist von 20 Jahren eingeführt.
Gemäss «Tages-Anzeiger» wird die Zahl der ablaufenden Verlustscheine schweizweit auf drei Millionen geschätzt. Bei einem durchschnittlichen Forderungsbetrag von 5000 Franken ergibt das 15 Milliarden Franken Schulden, die sich Ende Jahr in Luft auflösen, wenn die Gläubiger untätig bleiben.
Untätig ist der Kanton Basel-Stadt diesbezüglich ganz und gar nicht. Im Auftrag der Regierung hat vor über drei Jahren die Inkassostelle ihre Arbeit aufgenommen. Sie hat den Auftrag, sämtliche Forderungen der Verlustscheine für die Verwaltung einzutreiben. Das macht sie seither auch fleissig.
Für den Kanton Basel-Stadt droht Ende 2016 viel Geld verlorenzugehen. Gemäss Christian Mathez, Leiter Rechtsdienst bei der Steuerverwaltung, verfallen am 31. Dezember in der Verwaltung voraussichtlich 28’500 Verlustscheine. Darunter Steuerforderungen von Kanton und Bund sowie weitere Forderungen anderer Verwaltungsstellen im Gesamtbetrag von insgesamt 98 Millionen Franken.
Ein «Riesenproblem»
Systematisch fordert die Inkassostelle der Steuerverwaltung deshalb die Schuldner auf, ihre Verlustscheine zurückzukaufen. Erwartet wird eine Zahlung innert dreissig Tagen oder ein Zahlungsvorschlag. Wer die 30-tägige Frist nicht nutzt, wird betrieben. Damit erhöht sich die Chance, das Geld mittel- bis längerfristig zurückzubekommen: Die Frist von 20 Jahren beginnt mit der Eröffnung der Betreibung nämlich von Neuem. Die Steuerverwaltung gewinnt dadurch zwei Jahrzehnte mehr Zeit.
Die ablaufenden Verlustscheine beschäftigen momentan auch die Schuldenberatungsstelle «Plusminus» intensiv: «Die Verlustscheinbewirtschaftung des Kantons ist ein Riesenproblem für unsere Klientinnen und Klienten. Viele von ihnen werden von einer fernen Vergangenheit eingeholt, als sie zum Beispiel die Steuererklärung nicht ausgefüllt hatten und deswegen eingeschätzt wurden», sagt die Präventionsverantwortliche Agnes Würsch.
Zum Teil würden die Klienten nicht mit einem solchen Brief rechnen und wissen teilweise auch nicht mehr, dass sie Verlustscheine haben. Zudem sei die Zahlungsaufforderung für Verlustscheine gerade für jene Personen, die eine erfolgreiche Schuldensanierung hinter sich hätten, sehr heftig. «Für sie bedeutet dies, dass sie eine zweite Sanierung machen müssten – eine unzumutbare Variante.»
Mehr Privatkonkurse
Würsch bezeichnet die Verlustscheinbewirtschaftung des Kantons in diesen Fällen als «stossend». «Grundsätzlich sind die Hürden bei der Steuerverwaltung sehr hoch – eine Einigung zu finden ist sehr schwierig. Manchmal bleibt dann nur ein Privatkonkurs übrig.»
Die Privatkonkurse haben in den letzten drei Jahren gemäss Auskunft des Konkursamts in Basel-Stadt zugenommen: Wurden 2013 noch 26 Privatkonkurse registriert, waren es 2014 insgesamt 34. Vergangenes Jahr gingen 51 Personen in Konkurs.
Nach Ablauf der Pfändung erhält der Gläubiger einen Verlustschein, falls seine Forderung vom Schuldner nicht gedeckt werden konnte. Verlustscheinforderungen werden im Betreibungsregisterauszug angezeigt. Eine Löschung erfolgt erst, wenn die Verjährung eingetreten ist oder die Schuld getilgt wurde. Für den Verlustschein gilt eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Die Verjährung kann aber unterbrochen werden, sobald eine neue Betreibung eingeleitet wird, der Schuldner die Forderung anerkennt oder einen Teil davon begleicht.