Vor 40 Jahren zerbrach der Traum der perfekten Schweizer Uhr. Die Konkurrenz aus Asien stürzte die hiesige Uhrenindustrie in eine Krise, von der sie sich lange nicht erholte. Stammten in den 1960er-Jahren noch 45 Prozent aller Uhren aus Schweizer Werkstätten, begann ab 1970 die grosse Depression. Quarzuhren aus Fernost eroberten den Markt; die Schweiz verpasste den Anschluss – obwohl die Quarztechnologie hierzulande erfunden worden war. Die Hälfte der Firmen ging bankrott, Zehntausende Angestellte verloren den Job, einst stolze Uhrenregionen verwandelten sich in industrielle Einöden.
Heute können die Hersteller und Händler wieder träumen. Dank Kunden aus Fernost erzielen hiesige Luxusuhren märchenhafte Umsätze. Rund 60 Prozent der exportierten Uhren gehen nach Asien. Und dank einer reiselustigen Oberschicht aus China, die sich den Traum von Luxus und Glamour gerne vor Ort verkaufen lässt, brummt auch der inländische Handel.
Einer, der den Asienboom früh vorausahnte, ist der Berner Oberländer Jürg Kirchhofer. In den 1990er-Jahren reiste er nach China, um für den Schweizer Uhrentraum zu werben und ein lukratives Netzwerk aufzubauen. Heute betreibt der 64-Jährige Läden in Interlaken, Grindelwald, Brienz und Luzern. Sogar auf dem Jungfraujoch versorgt sein international zusammengesetztes Verkaufsteam Touristen mit Edeluhren.
Zu Kirchhofers Pflichtterminen zählt die Baselword, die am nächsten Donnerstag beginnt. Hier wird der Interlakener Uhrenkönig viel Vertrautes antreffen: Auch die Uhren- und Schmuckmesse steht im Banne Chinas. Tausende von Gästen aus dem Reich der Mitte werden erwartet, erstmals wird es eine Pressekonferenz auf Chinesisch geben, und Messe-CEO René Kamm, der Mandarin erlernt haben soll, wird es sich wohl nicht nehmen lassen, den einen oder anderen Gast aus Fernost in dessen Landessprache zu begrüssen.
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.04.13