Seit einem Jahr führt Gabriel Barell den baselstädtischen Gewerbeverband. Um politisch und intern Fuss zu fassen, verfolgt Barell eine aggressive Autopolitik. Dabei will er den Verband eigentlich modernisieren.
Manchmal gleicht die Geschäftsstelle des Gewerbeverbandes einem Familientreffpunkt. Verwandte kommen zu Besuch, Mitarbeiter bringen ihre Sprösslinge mit, gerade wird ein Knirps in die Zentrale an der Elisabethenstrasse reingeführt. «Mir gefällt das», sagt Gabriel Barell beschwingt, «es erinnert mich daran, für wen wir die ganze Arbeit machen: für unsere Kinder.»
Ein Jahr ist Barell nun im Amt als Basler Gewerbedirektor – als Nachfolger des verstorbenen Tausendsassas Peter Malama. Während Medienprofi Malama wöchentlich mit einem neuen Einfall vor einem Mikrofon oder einer Kamera auftauchte, ist von Barell in der Öffentlichkeit nicht viel zu sehen. Vielleicht, weil er gerade einem Fünfjährigen die Geschäftsstelle zeigt?
Das wäre bösartig und auch ungerecht. So sieht das Urs Schweizer, Malermeister und früherer Grossrat für die FDP: «Mir gefällt sein Stil gut, Gabriel Barell ist sehr, sehr sympathisch.» Mit Malama konnte er nicht. Barell dagegen liegt genau auf seiner Linie. «Er konzentriert sich auf die Sachpolitik – und er bringt alles durch, was er anpackt.»
Dramatische Worte
Zum Beispiel das Referendum gegen den Bau einer Tramlinie zum neuen Quartier Erlenmatt. In Absprache mit den bürgerlichen Parteien hat der Gewerbeverband die Tramverlängerung erfolgreich bekämpft. Gewerbeinteressen waren nicht tangiert, es ging Barell «um einen vernünftigen Umgang mit Steuergeldern». Man habe das Projekt durchgerechnet und festgestellt, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht stimmte. «Es war ein sachlicher Entscheid», versichert er.
Auch als sich die regionalen Wirtschaftsverbände beim Ausbau der Autobahn auf der Osttangente einbrachten, war Barell mittendrin und um Anschuldigungen nicht verlegen. Als längst eine Lösung aufgegleist war, griffen die Verbände den Basler Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels in einer gemeinsamen Medienkonferenz frontal an und beschworen mit dramatischen Worten den nahen Kollaps der Region («Zeitbombe Osttangente»). Sachlich geht anders.
Die Osttangente war ein gemeinsames Engagement mit der Verkehrsliga, sagt Barell fast entschuldigend und holt eine Aufstellung hervor, auf der Dutzende Punkte mit Zielen und Aufgaben des Gewerbeverbands eingetragen sind. «Sie sehen, Verkehr ist ein wichtiges, aber nur eines von ganz vielen Themen, um die wir uns kümmern.»
Auffällig autofreundlich
Doch auch bei der Verschleppung des Verkehrskonzepts Innenstadt oder bei der Empörung über die Umsetzung der vom Volk verlangten Verminderung des Autoverkehrs in der Stadt fokussiert der Gewerbeverband unter Barell auf sein offensichtlich wichtigstes Thema. Das sei auch zufällig, beschwichtigt der Hobby-Segler, nun stünden andere Themen im Zentrum. Doch Barell knüpft mit seiner auffällig autofreundlichen Politik nahtlos bei seinem Vorgänger an. Unter Malama lief der Verband etwa gegen die Sperrung der Elisabethenstrasse vor der eigenen Haustüre Sturm.
Barell ermöglicht die aggressive Verkehrspolitik, seine Schlagkraft unter Beweis zu stellen und Befürchtungen auszuräumen, er könne als Nicht-politiker nicht genügend Druck auf Regierung und Behörden ausüben. Vor allem bewirtschaftet er ein Thema, das den weitverzweigten Organismus verbindet.
Konservative Delegierte
Fast 70 Verbände sind der Dachorganisation angeschlossen, der Gewerbeverband vertritt Coiffeure, Optiker, Natursteinschleifer, Treuhänder. In diesem Gewirr der verschiedensten Interessen sei es nicht einfach, den gemeinsamen Nenner zu finden, sagt Maurus Ebneter, Vertreter des angeschlossenen Wirteverbands, und warnt: «Wenn ein Verband nur die kleinsten gemeinsamen Interessen vertritt, wird er überflüssig.»
Dazu komme, dass die meisten Delegierten konservativ seien, meint Hans-Ruedi Hecht, Präsident der Interessengemeinschaft Gewerbe Gundeldingen, Bruderholz, Dreispitz. Hecht war für das Erlenmatt-Tram und für die Sperrung der Elisabethenstrasse. Der Gewerbeverband befinde sich in der Verkehrspolitik «in einem Lernprozess, der noch nicht abgeschlossen ist», glaubt er. Man müsse Barell Zeit geben, den Verband weiterzuentwickeln.
«Ich habe einen extrem guten Eindruck von Barell.»
Gewerbevertreter Hans-Ruedi Hecht
Von dessen Person ist Hecht begeistert: «Ich habe einen extrem guten Eindruck von ihm. Er meidet die Polemik, ist konziliant. Mir ist das viel lieber als diese Holzhacker-Buben, die meinen, bei jeder Gelegenheit auf den Tisch hauen zu müssen.» Wirte-Vertreter Maurus Ebneter schliesst sich Hechts Lob an: «Mit dem neuen Direktor bin ich sehr zufrieden, er pflegt einen direkten Kontakt und man fühlt sich mit seinen Anliegen von ihm ernstgenommen.»
Was dem Immobilienspezialisten Hecht imponiert: das Engagement des Gewerbeverbands für die Kantonsfusion. «Barell ist die emotional überfrachtete Fusion rational angegangen, das beeindruckt mich.»
«Wir können einen effizienten Musterstaat hinbringen.»
Die Kantonsfusion ist eines jener anderen Themen ausser Verkehr, die Barell gemeint hat. Der frühere Valiant-Banker hat sich vorsichtig angenähert an die Fusion, er hat die Position des Gewerbeverbands mit einer Umfrage unter den KMU in Basel ermittelt. Mit der eigenen Basis im Rücken bezog Barell Stellung und sagt heute: «Wir können einen effizienten Musterstaat hinbringen und sollten diese Chance packen.»
Ein anderes seiner Projekte passt auf den ersten Blick auch nicht zu den stramm bürgerlichen Gewerblern. Barell hat gemeinsam mit dem Kanton und den IWB eine «Umsetzungsplattform» finanziert, die Projekte für KMU entwickelt, mit denen die Betriebe Strom sparen können. Barell versteht das Programm «Energie Impulse» als Beitrag zur Schweizer Energiewende. Messbare Resultate der wolkigen Ankündigung werden versprochen.
Schon drei Stehpulte
Wie schnell sich festgefahrene Überzeugungen manchmal ändern, das zeigt sich in der Geschäftsstelle des Gewerbeverbands. Wegen Problemen mit der Bandscheibe arbeitet Barell an einem Stehpult, es sei auch dynamischer. Mittlerweile, sagt Barell und klingt ein wenig stolz, hätten es ihm zwei Mitarbeiter nachgemacht.