Grossbritannien und die Schweiz wollen auf Krebsmedikament von Roche verzichten. Zu teuer, finden die Gesundheitsbehörden. Der Pharmakonzern ist zu keinen Kompromissen bereit, denn er findet seine Preise gerechtfertigt.
Der Basler Pharmakonzern Roche gerät wegen seiner teuren Arzneimittel gleich in zwei Ländern unter Druck: Die Behörden in der Schweiz und in Grossbritannien wehren sich gegen die hohen Preise von Krebsmedikamenten. Vergangene Woche machte die «Basler Zeitung» publik, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) das Brustkrebs-Medikament Perjeta von seiner Spezialitätenliste (SL) gestrichen hat. Das bedeutet, dass Krankenversicherer ihren Kunden die Arznei ab Ende Oktober nicht mehr bezahlen müssen.
Der Grund für den Entscheid war gemäss Roche, dass der Bund einen Preis festsetzen wollte, der rund ein Fünftel unter dem im Ausland geltenden Verkaufspreis liegt. Allerdings richten ausländische Behörden ihre Preise teilweise nach dem offiziellen Listenpreis in der Schweiz – wobei das nicht dem tatsächlichen Preis der Medikamente entspricht. Denn Schweizer Krankenkassen können nachträglich von Roche eine Rückvergütung einfordern. Perjeta kostet pro Packung 3782 Franken, doch Roche erstattete den Versicherern bislang 1600 Franken.
Hoher Preis, unklare Wirksamkeit
In Grossbritannien wird Perjeta vom staatlichen Gesundheitsdienst NHS gar nicht erst angeboten: Die zuständige Kontrollbehörde bezweifelt, dass der hohe Preis des Medikaments gerechtfertigt sei. Das National Institute for Health and Care Excellence (Nice) überprüft neue Behandlungen und Arzneimittel auf ihre Wirksamkeit und Kosteneffizienz und gibt Empfehlungen ab, ob der NHS sie routinemässig anbieten soll. Perjeta bestand den Test nicht: Nice meinte letztes Jahr, dass Perjeta viel teurer sei als andere Behandlungen, klinische Studien würden indes keine Beweise liefern, um wie viel das Medikament das Leben der Patienten verlängern kann. Die Behörde nimmt derzeit weitere Abklärungen vor.
Letzte Woche wies Nice ein weiteres Brustkrebsmittel von Roche zurück, das noch teurer ist als Perjeta: Kadcyla kostet 90’000 Pfund für eine 14-monatige Behandlung, also 136’000 Schweizer Franken. Das Medikament kann die Lebensdauer einer Patientin um bis zu sechs Monate verlängern und hat geringe Nebenwirkungen. Den hohen Preis rechtfertigt das jedoch nicht, meint Nice. Der Vorsitzende Andrew Dillon sagte, er sei sehr enttäuscht, dass Roche nicht «mehr Flexibilität» gezeigt habe. Das Pharmaunternehmen habe gewusst, dass Nice das Medikament zum vorgeschlagenen Preis niemals akzeptieren würde.
Zwei britische Krebsstiftungen teilen seine Kritik: Nice sei dem Pharmariesen entgegengekommen, doch Kadcyla sei schlicht zu teuer. Roche hingegen meint, um den Anforderungen von Nice zu genügen, wäre ein Preisabschlag von 60 Prozent nötig gewesen.
Ein Extrakässeli für Roche
Seit 2011 haben die britischen Behörden bereits acht Roche-Medikamente wegen zu hoher Kosten zurückgewiesen, das bekannteste davon ist Avastin. Doch in England sind sowohl Avastin als auch Kadcyla erhältlich (nicht aber in Schottland, Nordirland und Wales), und zwar dank des Cancer Drugs Fund. Der Fonds, dem pro Jahr 200 Millionen Pfund zur Verfügung stehen, bezahlt bestimmten Patienten Krebsmedikamente, für die der NHS nicht aufkommt – allerdings wird jeder einzelne Fall geprüft.
Gemäss einem Bericht des «Guardian» profitiert Roche am meisten vom Cancer Drugs Fund. Heikel ist, dass das Unternehmen eine bedeutende Rolle spielte bei der Entstehung des Fonds vor vier Jahren: Co-Vorsitzender der Untersuchung, die schliesslich zur Gründung des Fonds führte, war der Chef von Roche Products in Grossbritannien. Roche-Mediensprecher Nicolas Dunant entgegnet, dass die Steering Group, die für den Untersuchungsbericht verantwortlich war, Vertreter aus verschiedenen Interessengruppen umfasste, darunter Nice, NHS und Industrie. Dass ein Teil des Geldes im Cancer Drugs Fund für Roche-Arzneien ausgegeben wird, liege daran, dass Roche Marktführer bei Krebsmedikamenten ist.
Roche machte 2013 elf Milliarden Franken Gewinn. Dass dies überteuerten Medikamenten zu verdanken sei, bestreitet der Konzern.
Roches Konzentration auf die Krebsforschung sei auch der Grund, weshalb das Unternehmen seit 2008 nicht mehr dem Gewerbeverband Association of the British Pharmaceutical Industry angehört, denn die Onkologie bilde für diesen keinen Schwerpunkt. Der Verband handelt mit der Regierung den Preis von Medikamenten aus und setzte kürzlich eine Obergrenze für die Arzneimittel-Rechnung des NHS fest. Sollte die Rechnung höher ausfallen, muss die Industrie die Differenz wettmachen. Gemäss dem «Guardian» könne dies unter Umständen bedeuten, dass wegen der steigenden Kosten von Medikamenten, die über den Cancer Drugs Fund bezahlt werden, am Ende der Rest der britischen Pharmaindustrie für die hohen Preise von Roche aufkommen muss.
In der Schweiz wurden die hohen Medikamentenpreise letztes Jahr von der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle kritisiert. Die Zulassung und Überprüfung von Medikamenten auf der Spezialitätenliste (SL)weise erhebliche Mängel auf, heisst es im Bericht, was sich unter anderem daran zeige, «dass sich die Zahl der kassenpflichtigen Arzneimittel in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt hat und die Preise neuer Arzneimittel auf der SL konstant gestiegen sind».
Roche machte im letzten Jahr satte elf Milliarden Franken Gewinn. Den Vorwurf, dieses Ergebnis sei überteuerten Medikamenten zu verdanken, weist der Konzern zurück. Um die Risiken der Entwicklung neuer Medikamente tragen zu können, sei eine solide finanzielle Situation des Unternehmens unerlässlich.