Die grossen Pharma- und Chemiefirmen produzieren ausserhalb der Schweiz und verdienen ihr Geld hauptsächlich in den USA. Deshalb leiden sie kaum unter dem starken Franken.
Die Detailhändler darben, die Industrie streicht Stellen en gros und das Gewerbe klagt: Der starke Franken setzt der Schweizer Wirtschaft zu. Doch es gibt auch Ausnahmen. Viele Banken haben im ersten Halbjahr 2015 grosse Gewinne eingefahren und die hiesigen Pharma- und Chemiekonzerne scheinen von den Währungstumulten weitgehend unbeeindruckt.
So hat die Novartis zwar auf den ersten Blick Umsatzeinbussen von fünf Prozent zu verzeichnen, bereinigt man die Zahlen jedoch von den Währungseffekten, ist der Umsatz sogar um sechs Prozent gewachsen. Gleich sieht es bei der Konkurrentin Roche aus, deren Umsatz ebenfalls um sechs Prozent angestiegen ist. Dramatisch scheint die Entwicklung beim Saatguthersteller Syngenta, wo die Umsatzeinbusse zehn Prozent beträgt. Doch selbst hier hat wechselkursbereinigt ein Wachstum von immerhin drei Prozent resultiert.
Was unterscheidet diese Branche von Industrie und Detailhandel? Weshalb können die globalen Konzerne wachsen, wo andere Massenentlassungen bekanntgeben müssen?
Der BKB-Finanzanalyst Elmar Sieber beobachtet die Pharmariesen Roche und Novartis intensiv:
«Der wichtigste Markt für Pharmaprodukte sind die USA. Viel wichtiger als der Eurokurs ist deshalb aus Sicht von Roche und Novartis wie sich der Dollar zum Franken verhält. Denn ein grosser Teil der Kosten aus Forschung und Entwicklung fällt bei beiden Unternehmen in Schweizer Franken an, während der Umsatz vorwiegend in Dollar realisiert wird. Die Roche unterhält auch in den USA Forschungseinrichtungen und hat deshalb sogar von der Kursentwicklung profitieren können.»
So habe der SNB-Entscheid vom 15. Januar in den Bilanzen und Erfolgsrechnungen der Pharmakonzerne zwar Spuren hinterlassen, diese seien aber bei Weitem nicht so dramatisch wie in anderen Branchen, sagt Sieber.
Siebers Blick auf Roche und Novartis ist als Finanzanalyst naturgemäss derjenige des Anlegers. Und dort wird die Fitness eines Unternehmens nicht nur anhand der rohen Zahlen beurteilt. «Am wichtigsten ist die Tatsache, dass beide Unternehmen vielversprechende Produkte in ihrer Pipeline haben», sagt Sieber.
Schreckgespenst Abwanderung
Schwarzmaler prognostizierten nach dem 15. Januar, dass sich wegen des starken Frankens wohl manches Unternehmen nach einem neuen Standort im Ausland umsehe. Sieber hält diese Befürchtungen für übereilt. «Es besteht keine Gefahr, dass die grossen Pharmaunternehmen ihre Forschung im grossen Stil ins Ausland verlagern.»
Novartis-CEO Joseph Jimenez habe an der Halbjahreskonferenz gesagt, dass die Kompetenz und Loyalität der Forscher in der Schweiz die höheren Kosten problemlos wettmachen, erzählt Sieber. Ähnliches höre man auch von Jean-Paul Clozel, CEO von Actelion. Während etwa Forscher in den USA die Stellen rasch wechseln würden, könne man sich in der Schweiz darauf verlassen, dass Spezialisten ein Projekt bis zum Schluss begleiten und nicht beim nächstbesseren Lohnangebot abspringen.
Ähnlich optimistisch beurteilt Roland Armbruster, ebenfalls Finanzanalyst bei der BKB, die Situation bei der Syngenta. «Die Syngenta hat sich gut gehalten im ersten halben Jahr, auch wenn die Zahlen natürlich durch Wechselkurseffekte getrübt sind», sagt Armbruster. Davon bereinigt, könne man den Abschluss sogar als gut bezeichnen, «da Syngenta die Margen aufgrund des Effizienz- und Sparprogrammes erhöhen konnte.»
Syngenta will über 260 Millionen einsparen
Das liege auch daran, dass die Syngenta einen grossen Teil der Produktion im Ausland habe. «Das heisst, die Kosten sind mit dem Euro zusammen gesunken.» Darin liegt der grosse Unterschied zu vielen Schweizer KMU, die mit einem Schlag an Konkurrenzfähigkeit eingebüsst haben, als der Frankenkurs nach oben schnellte. Dies weil ihre gesamten Kosten in Franken anfallen und sie plötzlich 20 Prozent teurer wurden.
«Dieses Problem hat die Syngenta kaum, da die Produktionsstandorte mehrheitlich in den Verkaufsgebieten liegen. Das bedeutet, dass der Währungseffekt bei Syngenta lediglich ein Umrechnungsverlust und keine stark spürbare Einbusse an Konkurrenzfähigkeit darstellt», erklärt Armbruster. Dazu komme ein umfassendes Sparprogramm am Hauptsitz in Basel, welches weiter zur Reduzierung der Kosten in Schweizer Franken beitrage.
All dies hat dazu geführt, dass die Syngenta-Aktie im Januar kurzzeitig eingebrochen ist, sich jedoch innert weniger Wochen wieder vollständig erholt hat. Den temporären Kurssturz erklärt Armbruster wie folgt: «Ausländische Anleger realisierten ihre Währungskursgewinne mit dem Verkauf von Syngenta-Aktien. Erholt hat sich die Aktie, weil die Anleger davon ausgingen, dass der grosse Währungseffekt nur einmaliger Natur ist», sagt der Analyst.