Die meisten Steuerzahler sind jetzt schon «gläsern»

Das «Bankgeheimnis» oder der «Informationsaustausch» in Steuersachen sind Probleme einer kleinen Minderheit: Wer in der Schweiz einen Lohnausweis hat oder Ausländer ist, kann steuermässig meist nichts verheimlichen.

Das Ueberparteiliche Komitee lanciert die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» am Dienstag auf dem Bundesplatz in Bern. (Bild: PETER SCHNEIDER)

Das «Bankgeheimnis» oder der «Informationsaustausch» in Steuersachen sind Probleme einer kleinen Minderheit: Wer in der Schweiz einen Lohnausweis hat oder Ausländer ist, kann steuermässig meist nichts verheimlichen.

«Auch mein Lohnausweis geht elektronisch vom Computer im Eidgenössischen Personalamt direkt zur Steuerverwaltung des Kantons Bern», sagt ein hoher Funktionär im Finanzdepartement (EFD) von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Und das Lohnbüro im selben Departement bestätigt, dass dieser Automatismus für die meisten der 36’000 eidgenössischen Funktionäre und Funktionärinnen gilt.

Von der Bundeslohnsumme, die insgesamt immerhin 4,5 Milliarden Franken jährlich beträgt, kann somit kein Rappen vor dem Fiskus versteckt werden. Der Grund dafür heisst ELM, was für «Einheitliches Lohn Meldeverfahren» steht. Ein elektronisches System namens Swissdec, ermöglicht zudem den «automatischen Informationsaustausch» (AIA) zwischen Arbeitgebern und Steuerämtern über den Verdienst der Lohnabhängigen.

An dieses System, mit dem auch die Suva, die AHV, die Eidgenössische Steuerverwaltung und das Bundesamt für Statistik arbeiten, werden ab Anfang 2014 alle Kantone angeschlossen sein. Solothurn, Luzern, Bern, beide Basel, Waadt, Wallis, Neuenburg, Jura und Fribourg haben in ihren Steuergesetzen den automatischen Austausch zwischen den Lohnbüros der Betriebe und den Steuerämtern schon geregelt.

AIA gilt für Lohnabhängige so oder so

Die automatische Kommunikation der detaillierten Lohndaten zu den Steuerbeamten gilt somit auch für Bundesangestellte, die aus Freiburg oder Solothurn in ihr Büro nach Bern pendeln. Und für Lohnabhängige in Kantonen, wie etwa Zürich, die fehlender kantonaler Gesetze wegen noch nicht mit Swissdec arbeiten, macht es faktisch keinen Unterschied: Legen sie den ausgedruckten Lohnausweis ihrer Steuererklärung nicht bei, kommt diese postwendend zwecks Nachbesserung zurück.

Das ist die Grundlage jener «grossen Steuerehrlichkeit» der Schweizerinnen und Schweizer, die von allen Bundesräten immer so gelobt wird: 90 Prozent der Werktätigen im Land zahlen ihre Steuern korrekt, gestützt auf ihren Lohnausweis. Und auch die Mehrheit der restlichen 10 Prozent – vorab Inhaber von kleinen Betrieben, haben kaum Möglichkeiten ihre finanziellen Verhältnisse hinter dem Bankgeheimnis zu verstecken.

Viel Lärm um reiche Minderheit

Wenn das grundsätzlich unbestrittene Bankgeheimnis in der Schweiz weiterhin Schweizer Steuerdelinquenten schützen soll, wie dies nun sogar eine Initiative der Bürgerlichen (siehe Kasten unten) verlangt, so wäre das nur im Interesse einer kleinen, aber reichen Minderheit von Schweizerinnen und Schweizern. So klein diese Minderheit, so gross jedoch ihr politischer Einfluss: Seit Jahren verteidigen Bundesrat und Parlament jedenfalls die fiskalische Renitenz und Intransparenz dieser Leute mit viel Energie.

Bei den hier ansässigen und arbeitenden Ausländern sind die Verhältnisse noch extremer. Für Hunderttausende von Grenzgängern und Beschäftigten ohne Niederlassung C gilt nicht nur der automatisch dem Steuerbüro zugestellte Lohnausweis, sondern zusätzlich die «Quellensteuer»: Diesen Leuten ohne Schweizer Pass werden die Kantons- und Bundessteuern durch ihre Arbeitgeber direkt vom Lohn abgezogen. Und weil die Verteilung dieser beträchtlichen Gelder ab dem 1. Januar 2014 über das Swissdec-System passiert, haben sich ihm nun alle Kantone angeschlossen.

Für grosse Debatten im In- und heikle Probleme mit dem Ausland sorgt derweil eine verschwindend kleine Minderheit von Deutschen, Franzosen oder US-Bürgern: Entweder weil sie bei Schweizer Banken ihre Millionen vor den Steuerbehörden ihrer Heimatländer verstecken. Oder aber weil sie gestützt auf sogenannte «Pauschalarrangements» mit den Kantonen ihre enormen Einkommen und Vermögen nur zu einem kleinen Satz versteuern müssen. In Zürich und weiteren Kantonen hat das Volk dieser Ungleichbehandlung schon einen Riegel geschoben. Eine entsprechende Initiative gegen diese Arrangements ist auf eidgenössischer Ebene hängig.

Die Bürgerlichen wollen das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern

Das Timing ist nicht schlecht: Mitten in der Aufregung um den Steuerdeal mit den USA lanciert ein überparteiliches Komitee mit Exponenten aus CVP, FDP und SVP die Initiative «Zum Schutz der Privatsphäre». Das Argumentarium ist dabei breit gefasst – gegen den gläsernen Bürger, gegen einen überwachenden Staat, für die liberale Gesellschaft. Im Grunde geht es den bürgerlichen Politikern aber einzig um das Bankgeheimnis der in der Schweiz wohnhaften Menschen.

«Unsere Steuermoral ist so hoch, weil der Staat seinen Bürgern vertraut», sagte SVP-Nationalrat Alfred Heer bei der Präsentation der Initiative. «Signale aus dem Bundeshaus zeigen nun, dass es in eine andere Richtung gehen soll. Und das verhindern wir: Wir wollen keine Steuerschnüffelbehörde, wir wollen keinen Staat, der seine Bürger verdächtigt.»

Es gehe bei der Festsetzung des Bankgeheimnisses nicht darum, Steuerbetrüger zu schonen, sagte FDP-Fraktionschefin Gabi Huber. Bei einem begründeten Verdacht könne weiterhin gegen Steuersünder ermittelt werden. Aber nur bei einem begründeten Verdacht.

«Wir schlagen mit dieser Initiative einen Nagel ein», sagte Huber, deren Partei mit der letzten Initiative einen üblen Absturz erlebte: Die Bürokratie-Stopp-Initiative kam mangels Unterschriften nicht zusammen. Das dürfte im aktuellen Fall nicht geschehen: Neben den grossen bürgerlichen Parteien unterstützt auch der Gewerbeverband die Idee.

Die Initianten haben nun 18 Monate Zeit, um die nötigen 100’000 Unterschriften zu sammeln. Ziel sei es, die Unterschriften bereits Ende 2013 beisammen zu haben, sagte CVP-Nationalrat Gerhard Pfister.

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