«Geben wir auf? Nein!»

Seit Montag wird im aargauischen Dättwil bei Baden gestreikt. Rund die Hälfte der Belegschaft des Spar-Tankstellen-Shops hat die Arbeit niedergelegt, hält die Türen geschlossen und 70 Streikbrechern stand. Ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Der Spar-Tankstellenshop in Baden Daettwil wird seit Montag 03.06.13 bestreikt. Eine Angestellte ruht sich neben einem Unterstützungsplakat aus. 06.06.13, Baden-Dättwil, Andreas Bodmer (Bild: Andreas Bodmer)

Seit Montag wird im aargauischen Dättwil bei Baden gestreikt. Rund die Hälfte der Belegschaft des Spar-Tankstellen-Shops hat die Arbeit niedergelegt, hält die Türen geschlossen und 70 Streikbrechern stand. Ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Auf einer Decke neben der Zapfsäule lümmelt eine Handvoll junger Frauen, eine von ihnen pustet in eine Trompete. Andere sitzen an einem Campingtisch – darauf Schokoladenkuchen und Chips. Friedliche Szenen, könnte man meinen, doch die Lage ist angespannt. Den vierten Tag in Folge streiken die Angestellten des Spar-Tankstellen-Shops in Baden Dättwil für mehr Lohn und weniger Überstunden.

Tags davor um dieselbe Zeit sah es hier anders aus: Unter lautem Gejohle verliess der Bereichsleiter der Spar-Filialen Marcel Hofmann mit siebzig mitgebrachten StreikbrecherInnen das Gelände. Streikende, Mitglieder der Gewerkschaft Unia und weitere solidarische Personen – darunter der Badener SP-Nationalrat Cédric Wermuth – hatten ihnen den Zutritt zum Tankstellenshop verwehrt. Unverrichteter Dinge musste Hofmann mit seinen Leuten wieder abziehen.

Eine Pattsituation

Nun herrscht Patt. «Wir bieten Hand für Verhandlungen», sagt Pascal Pfister, Leiter des Industrie- und Tertiär-Teams der Aargauer Unia und bis vor Kurzem Vizepräsident der SP Basel-Stadt, «aber nicht unter Vorbedingungen.» Die Vorbedingung, die die Spar-Leitung stellt, ist der Stopp des Streiks. Doch darauf will sich die Gewerkschaft, wollen sich die streikenden Angestellten nicht einlassen. Auf die Anzeige der Spar-Geschäftsleitung wegen Nötigung und Hausfriedensbruch will die Aargauer Staatsanwaltschaft vorerst nicht reagieren, Zwangsmassnahmen sind aus ihrer Sicht «unverhältnismässig».

Am sonnigen Donnerstagnachmittag scheitert erneut ein Verhandlungsversuch. Leben kommt in die Szene, als Gewerkschaftssekretär Kurt Emmenegger an den Campingtisch tritt. «Immer ist es dasselbe Spiel. Wir bieten einen Verhandlungstermin an, um halb vier, um zwanzig vor vier melden sie, dass sie nicht verhandeln, so lange wir streiken», ruft der Gewerkschaftssekretär. «Geben wir deswegen auf?» – «Nein!», schallt es vielfach zurück.

3600 Franken für eine Vollzeitstelle

Zehn der 21 Mitarbeitenden machen beim Streik mit. Nicht mit von der Partie sind unter anderem Angestellte, die sich noch in der Probezeit befinden, sowie zwei Lehrlinge. Letzteren hat die Unia gemäss Pascal Pfister nahegelegt, nicht zu streiken. Die Angestellten, so Pfister weiter, seien von sich aus an die Unia herangetreten. Eine Vollzeitstelle wird im Tankstellen-Shop in Dättwil mit 3’600 Franken entlöhnt, schlimmer als den Lohn jedoch, empfinden die Angestellten die zu kleinen personellen Ressourcen – und die damit verbundene hohe Zahl an Überstunden.

Snezana Maksiomvić, stellvertretende Filialleiterin und Streikführerin sagt: «Mir persönlich geht es nicht um den Lohn, sondern darum, dass wir mit so wenig Personal nicht über die Runden kommen. Egal wie schnell und gut jemand arbeitet, die Zeit reicht nicht, um alles zu bewerkstelligen.» Der ständige Stress, die vielen Überstunden, das sei es, was ihnen am meisten zusetze, sagen auch andere Angestellte.

«Lieber ohne Arbeit, als unter solchen Bedingungen.»

Spar-Angestellte

Dass ihnen fristlos gekündigt werden könnte – wie es die Geschäftsleitung nach zwei Tagen Streik angedroht hatte – sei ihnen von Beginn an bewusst gewesen, sagen die Streikenden. Und ja, toll sei das natürlich nicht. Aber, sagt eine von ihnen, «lieber ohne Arbeit, als unter solchen Bedingungen.»

Die Spar-Gruppe weist die Vorwürfe der Belegschaft als «unhaltbar» zurück. Derweil hat sich auf den Social-Media-Kanälen ein Shitstorm zusammengebraut und über fünfzig Nationalräte und Nationalrätinnen haben einen Aufruf unterzeichnet, der die Spar-Shop-Betreiber auffordert, sich unverzüglich an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Unia verteilte in weiteren Deutschweizer Spar-Shops Flugblätter. Ob sich weitere Shops dem Streik anschliessen werden, bleibt offen. Glauben die Streikenden Dättwil an einen Erfolg? Den Kampfgeist haben sie jedenfalls noch nicht verloren: «Es wird hart. Aber wir sind härter.»

Update, Freitag 7. Juni, 12.30 Uhr:

Der «Blick» berichtet von einer superprovisorischen Verfügung des Bezirksgerichts Baden, wonach die Gewerkschaft Unia und die streikenden Spar-Angestellen widerrechtlich den Tankstellen-Shop in Baden-Dättwil besetzen.

Die Gewerkschaft Unia hat derweil via Twitter diesen «Spar Streik Rap» verbreitet:

[Red.]

Nächster Artikel