Guy Lachappelle, Direktor der Basler Kantonalbank, weist Vorwürfe zurück, er sei in den ASE-Anlagebetrugsfall verstrickt. Hans Ringger, früherer Topbanker bei der Zürcher Filiale der Bank, hatte gegenüber der Aufsichtsbehörde Finma entsprechende Aussagen gemacht. In der ASE-Affäre haben hunderte BKB-Kunden ihr Geld verloren.
Hans Ringger, der frühere Zürich-Chef der Basler Kantonalbank, behauptet in seinen Aussagen gegenüber der Aufsichtsbehörde Finma, der grösste Teil des Profits der BKB am Geschäft mit dem Vermögensverwalter ASE Investment AG sei nach Basel geflossen und nicht in der Zürcher Filiale geblieben. Stimmt diese Aussage?
Das stimmt in dieser Form nicht. Insbesondere die für das Kreditgeschäft Verantwortlichen, die er anspricht, haben nicht davon profitiert. Was stimmt: Der Ertrag aus dem Geschäft floss in den Gesamtertrag der Bank, einzelne Personen haben aber nicht davon profitiert. Im Gegenteil: Der bonusrelevante Teil ist in Zürich angefallen. Deshalb haben wir ja gesagt, wir passen das Vergütungsmodell in Zürich an.
Hans Ringger spricht von vier Millionen Franken, die das ASE-Geschäft der Bank zu den besten Zeiten eingebracht haben soll – davon seien drei Millionen Franken nach Basel gegangen. Ist das falsch?
Das Geld ist in den Gesamtertrag eingeflossen. Der Eindruck, den er erweckt, besagt, dass die ASE-Erträge zugunsten von mir geflossen seien oder bei den Mitarbeitern im Kreditgeschäft einen Bonus ausgelöst hätten. Das ist falsch.
«Wenn Herr Ringger die Ziele für unrealistisch gehalten hat, hätte er sie nicht annehmen dürfen.»
Nun sollen aber die Zürcher Banker von Basel aus unter Druck gesetzt worden sein, ambitiöse Ziele erreichen zu müssen. Vielleicht schaute Ringger deshalb nicht genau genug hin bei der ASE.
Das ist für mich schwierig zu beurteilen. Nicht ich war der Vorgesetzte Ringgers, sondern Hans Rudolf Matter (Vorgänger Lachappelles als Chef der BKB, die Red.). Ob und wie viel Druck auf der weichen Ebene ausgeübt worden ist, was für Gespräche geführt wurden, das kann ich nicht beurteilen. Wenn Herr Ringger die Ziele für unrealistisch gehalten hat, hätte er sie nicht annehmen dürfen.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit der ASE beschäftigt?
Das war im Oktober oder November 2010. Meine Stelle bei der BKB habe ich am 1. Oktober 2010 angetreten.
Worum ging es damals?
Das darf ich nicht beantworten.
«Wir wussten nur einen kleinen Teil des Ganzen.»
Was war Ihre Einschätzung des Geschäftsmodells der ASE?
Man muss aufpassen, was man mit Geschäftsmodell meint. In unserer Wahrnehmung hatten wir es mit einem externen Vermögensverwalter zu tun, der Kunden hatte, die bei uns in Zürich ein Depot unterhielten. Wir wussten nur einen kleinen Teil des Ganzen. Im Nachhinein stellte sich das als Problem heraus, dass niemand den Überblick hatte. Überschreitungen auf Kundenkonten sind per se nichts Aussergewöhnliches. Das betrügerische Modell hinter dem Geschäftsmodell der ASE haben wir erst anderthalb Jahre später erkannt, als sich ein Kunde an uns wandte.
War es ein Zufall, dass man all die riskanten Geschäfte der Zürcher Filiale überlassen hat, weit weg vom Hauptsitz in Basel?
Das weiss ich nicht. Die Kontrolle lag beim früheren CEO. In Zürich waren sie bis zu diesem Zeitpunkt auch sehr erfolgreich. Es war eine Beziehung zwischen Herrn Matter und Herrn Ringger und Herrn Ringger und seinen Mitarbeitern.
«Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich die Beziehung zur ASE nicht beenden können.»
Hans Ringger behauptet, er habe in der Regel mit Ihnen oder Ihrem Vorgänger als Kreditchef der BKB, Urs Genhart, zu tun gehabt. Es habe ein regelmässiger Austausch stattgefunden.
Den gab es schon. Aber wenn Ringger behauptet, die Betreuung der ASE fand in Basel statt, ist das schlicht falsch. Ich war ab 1. Oktober 2010 für das Kreditgeschäft der Bank zuständig. Die Verantwortung für den Kunden lag immer direkt beim Kundenbetreuer. Die Kontrollinstanz war sein direkter Vorgesetzter, Herr Ringger, darüber stand der CEO. Ob eine Kundenbeziehung aufgelöst wird oder nicht, konnte nie das Kreditgeschäft bestimmen. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich die Beziehung zur ASE nicht beenden können. Der zuständige Bereichsleiter, Herr Ringger oder der Kundenbetreuer konnten das. Das weiss Herr Ringger auch.
«Ich war derjenige, der unglaublich Druck gemacht hat, dass man die Probleme mit ASE lösen muss.»
Also gab es nie einen mündlichen Austausch zwischen Ihnen und Hans Ringger, in dem Sie darauf gedrängt haben, die ASE müsse als Kunde gehalten werden?
Im Gegenteil. Ich war derjenige, der unglaublich Druck gemacht hat, dass man die Probleme mit der ASE lösen muss. Ich selber konnte Herrn Matter oder Herrn Ringger nur meine Empfehlungen abgeben.
Wann realisierten Sie, dass die ASE zum Problem werden könnte?
Im Kreditgeschäft gehören Überschreitungen zum Tagesgeschäft. Jeder Kunde hat das irgendwann einmal, ebenso Firmenkunden. Zum Kreditgeschäft gehört es, diese Probleme mit dem Kunden zu lösen. Das wollte ich tun. Doch am Schluss muss der Chef des zuständigen Kundenberaters Druck ausüben und den Entscheid treffen, sich von einem Kunden zu trennen, wenn die Vorgaben nicht erfüllt sind.
Er habe das gar nicht selber entscheiden können, sagt Hans Ringger.
Das ist natürlich Unsinn. Herr Ringger war verantwortlich und konnte entsprechend entscheiden.
«Wir hatten ja immer den Eindruck, einen guten Kunden vor uns zu haben und keinen Betrüger.»
Weshalb liess es der Hauptsitz, Ihre Abteilung zu, dass der Auftrag an die ASE, auf jedem Kundenkonto müssen 50’000 Franken liegen, immer weiter verzögert und nach und nach abgeschwächt wurde?
Es wurde nicht abgeschwächt. Im Gegenteil, ich habe Druck gemacht, das Problem transparent zu lösen. Wir hatten ja immer den Eindruck, einen guten Kunden vor uns zu haben und keinen Betrüger. Sonst hätten wir sofort reagiert. Das lief mit der ASE nicht anders als mit einem KMU. Bei Überschreitungen sucht man gemeinsam eine Lösung – und dies mit Nachdruck, wenn es zu lange dauert.
«Ich habe darauf vertraut, dass alles sauber abgeklärt wurde.»
Als die Zeitschrift «K-Tipp» 2010 von seltsamen Vorgängen auf dem Konto eines ASE-Kunden berichtete, hätten Sie die Filiale in Zürich auf den Kopf stellen können.
Man hat den «K-Tipp»-Artikel an Ringger geschickt zur Abklärung. Mein Vorgänger hat ebenfalls verschiedene Abklärungen gemacht, er hat einen Bericht geschrieben, und das Fazit fiel positiv aus. Der ASE-Chef konnte glaubhaft machen, es laufe eine Verleumdungskampagne gegen ihn. Heute wissen wir – das haben wir auch immer gesagt –, dass wir die Abklärungen von einer unabhängigen Instanz hätten machen lassen müssen. Als ich im Herbst 2010 kam, war die Arbeit meines Vorgängers meine Ausgangslage. Er war ein verdienter Profi im Kreditgeschäft. Ich hatte keine Zweifel, dass etwas nicht stimmt. Ich habe darauf vertraut, dass alles sauber abgeklärt wurde.
Im Fokus der Machenschaften der ASE steht der ehemalige BKB-Mitarbeiter G., der für die ASE in Zürich zuständig war. G. habe eine unantastbare Position gehabt, auch in Basel, heisst es.
Bei uns ist niemand unantastbar. G. war der Untergebene von Herrn Ringger, damit waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt.
Die TagesWoche hat noch über einen weiteren BKB-Mitarbeiter berichtet: Kundenberater C. wurde mit dem Vorwurf entlassen, dass er die Täuschungsmanöver der ASE unterstützt habe. In der Stellungnahme der Bank, anlässlich des Abschlusses der Untersuchung durch die Kanzlei Bär und Karrer, steht aber geschrieben: «Die BKB hat keine Anzeichen, dass ihre Mitarbeitenden im Zusammenhang mit der ASE gegen Strafbestimmungen verstossen haben.» Wie passt das zusammen?
Wir haben diesen Berater nicht gekündigt, sondern wir haben den Antrag gestellt, dass man den Mann freistellt, und vorzeitig pensioniert, da er sich nicht an die internen Richtlinien gehalten hat. Die Staatsanwaltschaft ist derzeit daran, die strafrechtlichen Verantwortungen abzuklären. Bis das passiert ist, gehen wir von der Unschuldsvermutung aus.
Unseres Wissens hat der Mitarbeiter nicht nur interne Richtlinien verletzt, sondern ASE-Kunden vorsätzlich Falschinformationen gegeben.
Dazu äussere ich mich nicht. Mitarbeiter, auch ehemalige, geniessen Persönlichkeitsrechte, die wir respektieren.
Die BKB vermittelt das Gefühl, sie sei vom Fall ASE überrascht worden. Hätte man nicht früher ahnen müssen, dass bei diesen Geschäften etwas nicht stimmt?
Wir haben mehrfach gesagt, die BKB hätte die Rechts- und Reputationsrisiken höher gewichten müssen. Das war unser Fehler.
«Leider erkennt man bei gerissenen Betrügern nicht immer sofort, wann eine Firma auf die schiefe Bahn gerät.»
Aber eine seriös arbeitende Vermögensverwaltungsfirma gerät doch nicht von einem Tag zum anderen ins Schlingern?
Ich kann Ihnen versichern: Sobald wir bemerkten, dass etwas nicht stimmt, haben wir sofort reagiert. Leider erkennt man bei gerissenen Betrügern nicht immer sofort, wann eine Firma auf die schiefe Bahn gerät. Nachdem wir festgestellt hatten, dass Kontoauszüge gefälscht worden waren, haben wir aber sofort eine Strafanzeige eingereicht.
Gab es nicht sehr früh Anzeichen dafür, dass da faule Geschäfte liefen?
Das Problem war, dass all unsere Instanzen zuerst ein Kreditproblem vermuteten. Was wir zugeben müssen, ist: Die BKB hat diese Geschäfte damals zu wenig sorgfältig untersucht. Wir haben aber dafür Verantwortung übernommen, was auch in den Vergleichsverhandlungen mit den geschädigten ASE-Kunden berücksichtigt wird. Ich möchte Ihnen aber ganz klar sagen: Wir haben derzeit keinen Grund zur Annahme, dass sich einer unserer BKB-Mitarbeiter in kriminelle Machenschaften verwickelt hat.
Erwarten Sie im Fall ASE noch weitere unangenehme Überraschungen?
Das Strafverfahren läuft noch. Der Staatsanwalt ermittelt unseres Wissens nicht gegen die BKB. Die Rolle der BKB ist insofern geklärt, und das Finma-Verfahren ist abgeschlossen.
«Seit Herbst 2012 müssen externe Vermögensverwalter ein Assessment absolvieren.»
Neben der ASE arbeiten Sie mit anderen externen Vermögensverwaltern zusammen. Mit wie vielen eigentlich?
Bis vor kurzem waren es an die hundert, von der Hälfte haben wir uns inzwischen getrennt.
Weil die Zusammenarbeit mit diesen Firmen zu gefährlich wurde?
Nein, nicht gefährlich! Aber wir haben nach dem Fall ASE Vorkehrungen getroffen. Seit Herbst 2012 müssen externe Vermögensverwalter ein Assessment absolvieren. Die Zusammenarbeit mit Firmen, die das Verfahren nicht bestehen respektive nicht bestanden haben oder sich dem Verfahren nicht unterwerfen wollten, wurde eingestellt.
Mit weiteren heiklen Fällen ist also nicht zu rechnen?
Ich glaube, wir haben heute alles gemacht, um weitere Fälle zu verhindern. Ich kann natürlich keine Garantie abgeben, dass all unsere Vermögensverwalter sauber arbeiten. Es ist ja so, dass der Vermögensverwalter den direkten Kontakt mit den Kunden hat und nicht wir. Wir prüfen aber die Vermögensverwalter im Rahmen unserer Möglichkeiten minuziös.
Im Finma-Protokoll gibt es einige eingeschwärzte Stellen. Handelt es sich hier um weitere Vermögensverwalter, die unter Verdacht stehen?
Das Protokoll ist mir nicht bekannt. Im Moment haben wir zum Glück keine Untersuchung mehr! Der Finma-Untersuchung in Sachen ASE ist abgeschlossen.
Es gibt Stimmen, die meinen, dass riskante Geschäfte in der Vermögensverwaltung gar nicht Aufgabe einer Kantonalbank seien. Was sagen Sie dazu?
Die Geschäfte mit der ASE waren für die Kunden riskant, weil die ASE sie offenbar hintergangen hat. Es ist nicht die Aufgabe einer Kantonalbank, ihren Kunden zu sagen, wer ihr Vermögen zu verwalten hat. Unsere Kunden können bestimmen, wer ihr Vermögen verwalten soll – das galt auch für alle ASE-Kunden.
Hans Ringger kritisiert die BKB scharf. Die Bankführung habe ihn zu gefährlichen Machenschaften angehalten und ihn dann schliesslich als Bauernopfer fallen gelassen.
Das ist seine persönliche Sicht. Mit der Realität hat dies nichts gemeinsam.