Hoher Preis für billige Kleider

Kleiderkonzerne wie H&M, C&A, Vögele, Tommy Hilfiger, Nike, Puma, Adidas sind nicht nur für Ausbeutung, sonden auch für viele Tote und Verletzte verantwortlich.

Hinterbliebene trauern nach einem Fabrikbrand in Savar Ende November 2012. (Bild: ANDREW BIRAJ)

Kleiderkonzerne wie H&M, C&A, Vögele, Tommy Hilfiger, Nike, Puma, Adidas sind nicht nur für Ausbeutung, sonden auch für viele Tote und Verletzte verantwortlich.

Überlebende Arbeiterinnen und Verwandte der über hundert Toten und zweihundert Verletzten in Bangladesch trauern nicht nur, sondern sie sind auch wütend. Die abgebrannte 9-stöckige Kleiderfabrik Tazreen Fashion ist eine von unzähligen Fabriken in Bangladesch und in Pakistan, in denen ausgebeutete Frauen ohne Rechte zu Hungerlöhnen ihre Leben aufs Spiel setzen.

Brände in diesen geschlossenen Gefängnisfabriken gibt es immer wieder. Im Frühjahr starben 29 Arbeiterinnen in einer Fabrik, die Kleider für Tommy Hilfiger herstellt. In Pakistan starben im September bei einem Fabrikbrand 260 Menschen. Nach Angaben ARD-Magazins «Panorama» sind in den vergangenen Jahren mehr als 700 Menschen bei Bränden in Nähstuben in Fernost ums Leben gekommen. «Panorama» hat am 6. Dezember 2012 in einer erschütternden Reportage himmelschreiende Zustände in Pakistan aufgedeckt und die Zusicherungen der Konzerne als Schönrednerei entlarvt.

Bedingungen von Sklavenarbeit

In China sind die Mindestlöhne für junge Arbeiterinnen und Arbeiter mit 180 Dollar pro Monat fast fünfmal höher (!) als in Bangladesch mit 37 Dollar pro Monat, und mehr als dreimal höher als in Pakistan mit 53 Dollar pro Monat. Das zeigt eine Statistik der Weltbank. Die Inflation in Bangladesch und in Pakistan ist erst noch dreimal höher als in China. Kein Wunder, dass es immer wieder zu verzweifelten Protesten kommt, die jedoch mit Gewalt erstickt werden.

Eine besondere Schande: Zulieferfirmen mancher Konzerne wie Nike, Puma oder Adidas zahlten zuweilen nicht einmal die erwähnten gesetzlichen Mindest-Hungerlöhne. Das hat die in London domizilierte NGO «War on Want» vor Ort festgestellt. Bangladesch ist heute das zweitgrösste Exportland für Kleider und Schuhe. 80 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Diesen wichtigen Textilsektor überwacht die Regierung nach Angaben der New York Times (NYT) mit Hilfe von hohen Militärs, der Polizei und dem Geheimdienst.

Es gibt im Land abgetrennte «Export Processing Zones», in denen die normalen Gesetze nicht gelten. Befehlshaber seien aktive oder pensionierte Militärs und in manchen dieser Zonen würden ehemalige Berufssoldaten für «Ordnung» sorgen. Das schrieb die New York Times vor kurzem in einem Bericht aus Bangladesch. Gewerkschaften sind de facto verboten. Arbeiter, die sich für ihre Rechte einsetzen wollten, wären schikaniert worden und auch schon gefoltert und ermordet, berichtete die NYT. Täter seien noch nie festgenommen worden.

Konzerne spielen scheinheilig die Unschuldigen

Vorwürfe, Sklavenarbeit zu dulden, Mindestlöhne nicht einzuhalten, die Gesundheit unzähliger Arbeiterinnen zu gefährden und gewerkschaftliche Arbeit zu verhindern, weisen die internationalen Konzerne mit wohl klingenden Erklärungen zurück: Sie würden lokale Standards strikt einhalten, die Mindestlöhne überschreiten und internationale Sozial- und Umweltnormen einhalten. Die Fabriken würden regelmässig kontrolliert und zertifiziert. Alle Zulieferfirmen müssten die Standards schriftlich garantieren. Alle legen die Hand aufs Herz und versichern, dass es in ihren Fabrikationsstätten nur menschenwürdige Arbeitsbedingungen gäbe. «Wir reden nicht nur von Verantwortung, wir übernehmen sie auch», versichert der C&A-Konzern auf seiner Website. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen dessen Billigware aus Bangladesch und Pakistan kaufen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Doch von «Verantwortung übernehmen» kann häufig keine Rede sein.

Die Realität sieht total anders aus

Für die «NZZ am Sonntag» steht fest, dass die Konzerne tatsächlich zum Rechten sehen könnten, wenn sie nur wollten. Die Zeitung kommentierte etwas sarkastisch: «Die bekannten Mode-Ketten wie C&A, H&M, Wal Mart oder Vögele sind dank ihrer Nachfragemacht fähig, den Einkaufspreis einer Jeans auf unter fünf Euro zu drücken. Sie sollten also auch einen Notausgang und minimale Arbeitsstandards durchsetzen können.»

Das Magazin «Panorama» sieht das Übel «vor allem bei der Gier westlicher Konzerne, die offenbar die Preise drücken und den Druck an die Zulieferer weitergeben». Die Konzerne lassen massenweise Kleider in Bangladesch und Pakistan fertigen, ohne dort vor Ort die Arbeitsbedingungen selber zu kontrollieren. Für die «Kontrollen» beauftragen sie korrupte Drittfirmen, welche Gefälligkeits-Zertifikate und -Prüfberichte ausstellen. «Panorma» hat dies am Beispiel der abgebrannten Fabrik in der pakistanischen Stadt Karachi dokumentiert. Prüfberichte «bestätigten», dass «beim Brandschutz alle Regeln eingehalten» würden, «Notausgänge offen stehen» und «Feuerlöscher vorhanden» seien. Als die Fabrik letzten September brannte, kamen 260 Menschen ums Leben. Notausgänge waren nicht vorhanden oder verriegelt. Auch sämtliche Fenster waren vergittert. Feuerlöscher gab es keine.

Überlebende berichteten, dass sie ohne Arbeitsvertrag angestellt waren. In Werbefilmen verkündete «Nachhaltigkeitsprogramme» und «Verhaltenskodex» entpuppten sich als zynische Beruhigungspillen, die das Papier nicht wert sind.

Wenn eine Jeans nur zwei Franken mehr kosten würden Eine Jeans, hergestellt in Asien (Bangladesch, Pakistan, Indien, China), darf in der Produktion Kosten von 4 Euro nicht überschreiten. In den weniger als 4 Euro sind alle Kosten, die anfallen, enthalten: Die Fabrik- und Nebenkosten, die Maschinen, das Material, die Lohn- und Lieferkosten. Diese Jeans werden im Handel zum Beispiel bei KIK für 9,99 Euro, in einer Boutique für ab 100,00 Euro bis – je nachdem, welches Label darauf angebracht ist – über 1000 Euro verkauft. Das heißt, die Marge des Handels geht von 100% bis weit über 1000% je Jeans.

Dieser Artikel erschien erstmals auf Infosperber.

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