Bei der Bank Coop wird die Haltung der Bankspitze zu den aufgeflogenen Kurstricksereien scharf kritisiert. So ahnungslos wie sich Bankpräsident Ralph Lewin gebe, könne er nicht gewesen sein. Im Interview bezieht der ehemalige SP-Regierungsrat Stellung.
Erst flog die Berner Regionalbank Valiant auf, dann die Basler Kantonalbank (BKB), vor Wochenfrist musste schliesslich auch die Bank Coop einräumen, rechtswidrig den eigenen Aktienkurs geschönt zu haben. Alle drei Institute handelten sich von der Finanzmarktaufsicht (Finma) eine schwere Rüge ein, mit Stützkäufen den eigenen Titel frisiert zu haben.
Bei der Bank Coop, eine Tochtergesellschaft der BKB, dauerten die Stützkäufe von 2009 bis 2013, getätigt wurden sie zumeist rund um wichtige Stichdaten wie die Publikation neuer Geschäftszahlen. Als Hauptverantwortlichen hat die Finma den im Sommer zurückgetretenen CEO Andreas Waespi ausgemacht.
Die von der Finma enttarnte Trickserei kostete bei der Valiant wie auch der BKB den Verwaltungsratspräsidenten den Job. Bei der Bank Coop muss allein Waespi Konsequenzen tragen, er wurde von der Finma mit einem dreijährigen Berufsverbot belegt. Verwaltungsratspräsident Ralph Lewin stellt sich auf den Standpunkt, nichts von den Manipulationen gewusst haben zu können.
Informationen aus dem Inneren der Bank stellen die Einzeltäter-These infrage. Mit diesen Vorwürfen haben wir den ehemaligen SP-Regierungsrat Lewin konfrontiert.
Ralph Lewin, nach der Finma-Untersuchung gegen die Valiant Bank wurde das Thema Stützkäufe mehrfach im Bankrat der Basler Kantonalbank diskutiert, weil auch die BKB den eigenen Titel künstlich hoch hielt. Sie waren auch damals schon Mitglied des BKB-Bankrats. Weshalb haben Sie während der Diskussionen in der BKB keine Erkundigungen zum Eigenhandel bei der Bank Coop eingeholt?
Ralph Lewin: Die Kursentwicklung der Bank Coop gab keinerlei Anlass zu vermuten, auch bei uns würden Stützkäufe getätigt. Valiant hat den Kurs auf einem gewissen Niveau gehalten, das sieht man das auf den ersten Blick. Bekanntlich versuchte die BKB den durch die US-Steuerproblematik eingetretenen Kursrückgang zu dämpfen. Dadurch ist der Eigenbestand an PS massiv angestiegen. Dieses Muster sehen Sie bei uns nicht. Unser Kurs hat sich stetig und langsam zurückentwickelt.
Kursverlauf BKB, Valiant und Bank Coop im Vergleich 2009 bis 2013
Auf den Chartverläufen der eigenen Titel lassen sich die Stützkäufe teilweise ablesen: bei der Valiant bis zum Oktober 2010, bei der BKB ungefähr Mitte 2010 bis Ende 2011.
Zwischen 2009 und 2011 wirkt der Kursverlauf der Bank Coop doch auch auffallend stabil?
Aus unserer Sicht ist die Situation nicht vergleichbar. Ausserdem hielt die Bank Coop maximal 5 Prozent an eigenen Titeln, zulässig wären 10 Prozent, die Menge und das Manipulationsrisiko erschien damit gering. Tatsache ist trotzdem: Wir waren zu wenig sensibilisiert, das räume ich ein. Wären wir alarmiert gewesen, hätten wir früher reagiert. Die entsprechenden Lehren haben wir gezogen.
Die Diskussion bei der BKB hätte Sie alarmieren müssen. Dort wurde sogar ein Rechtsgutachten bei der Kanzlei Homburger eingeholt, weil man wusste, wie heikel die Sache ist.
Damals ist niemand davon ausgegangen, dass irgendwelche Regeln verletzt wurden. Im Gegenteil, man war bestrebt, das Market Making gesetzeskonform zu regeln und durchzuführen. Bei Kenntnis der Finma-Rüge hatte die Bank Coop den entscheidenden Schritt bereits unternommen, nämlich den Handel mit eigenen Aktien komplett eingestellt.
«Rückblickend beurteilen wir unser Verhalten als zu wenig sensibel.»
Ihr einziger Indikator, ob die Bank Coop möglicherweise widerrechtliche Stützkäufe getätigt hatte, war der Kursverlauf?
Wir sahen damals keinen Grund anzunehmen, die Bank Coop würde etwas Unzulässiges betreiben. Wir hatten ein Reglement für den Handel in eigenen Aktien, das selbstredend nur zulässige Geschäfte vorsah. Von den nun von der Finma hauptsächlich gerügten Stützungskäufen auf gewisse Stichtage hin hatten wir im Verwaltungsrat keine Kenntnis. Aber nochmals: Das ändert nichts daran, dass wir unser Verhalten rückblickend als zu wenig sensibel beurteilen.
Es gab Revisionsberichte zum Eigenhandel. Fanden sich darin keine Hinweise zu Stützkäufen?
Ich werde einzelne Revisionsberichte nicht kommentieren. Was ich Ihnen sagen kann: Im Rahmen der Finma-Untersuchung wurden alle Fragen umfassend abgeklärt. Wir haben der Finma alles überstellt, was sie verlangte, wir haben nichts versteckt oder zurückgehalten. Und wir haben unsere Lehren gezogen und Mitte 2013 den Handel mit eigenen Aktien eingestellt.
«Über stattgefundene oder nicht stattgefundene Sitzungen werde ich nicht spekulieren.»
Es fällt schwer zu glauben, dass Sie in einem derart sensiblen und regulierten Gebilde wie einer Bank nicht genauer hingeschaut haben und Waespis Aktienkäufe solange unbemerkt geblieben sind.
Sie haben mich gefragt, wie ich es wahrgenommen habe und das habe ich Ihnen geschildert. Ich will es nicht schönreden: Wir hätten sensibler sein müssen. Aber die uns damals zur Verfügung stehenden Informationen sind nicht vergleichbar mit den heute vorhandenen. Heute wissen wir sehr viel über diese Fragen und haben die notwendigen Lehren gezogen.
Gemäss Informationen der TagesWoche fanden mehrere Gespräche zwischen Ihnen, Andreas Waespi und den damaligen BKB-Spitzen Hans Rudolf Matter und Andreas Albrecht zum heiklen Thema Stützkäufe und Kurspflege statt. Diese Gespräche wurden nicht protokolliert. Davon hat die Finma nichts erfahren.
Über stattgefundene oder nicht stattgefundene Sitzungen werde ich nicht spekulieren. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es bei uns immer ein Protokoll gibt, wenn Führungsgremien tagen. Gerügt wurde übrigens nicht Kurspflege, sondern Kursstützungen, insbesondere auf gewisse Stichtage hin. Davon hat der Verwaltungsrat erst im Rahmen der Untersuchung erfahren. Wie bereits vorher gesagt, liegt bei der Finma alles auf dem Tisch, die Behörde hat Ihre Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Fakten getroffen.
«Es kann keine Rede davon sein, wir hätten Waespi bewusst ans Messer geliefert.»
Laut internen Quellen hat die Bank Coop Waespi bewusst der Finma ans Messer geliefert.
Davon kann keine Rede sein. Die Finma definiert, was sie will, und dann werden diese Unterlagen geliefert, egal ob sie belastend oder entlastend sind. Sämtliche relevanten Protokolle, Reglemente, Mails, Telefonaufzeichnungen und Berichte haben wir geliefert. Die Finma hat unsere umfassende Kooperation ausdrücklich anerkannt.
Die Finma sah sich veranlasst, eine Untersuchung einzuleiten. Offenbar nahm sie andere Anzeichen wahr, als Sie.
Dazu kann ich mich nicht äussern. Wir haben eines Tages einen Brief erhalten, wonach die Finma den Handel mit eigenen Aktien bei verschiedenen Banken untersuche, und ankündigte, bei der Bank Coop Auskünfte einzuholen. Market Making und der Handel in eigenen Aktien sind komplexe Fragestellungen. Die Finma hat daher Ende 2013 in einem neuen Rundschreiben eindeutig geklärt, was zulässiges Verhalten ist und was nicht.
«Der Verwaltungsrat hat mir das Vertrauen ausgesprochen.»
Bereits nach dem Fall Valiant gab es ein entsprechendes Rundschreiben.
Leider war dies damals nicht so eindeutig formuliert. Im neuen Rundschreiben der Finma – das auf einer neuen Gesetzesgrundlage basiert – ist klar geregelt, welche Verhaltensweisen und Geschäfte zulässig sind und welche nicht. Das begrüssen wir sehr.
Sowohl bei der BKB wie auch bei der Valiant traten die Verwaltungsratspräsidenten nach der Finma-Untersuchung zurück. Nicht weil die Finma das verlangt hatte, sondern um das Vertrauen in die Bank wiederherzustellen und einen Neuanfang zu ermöglichen. Warum ziehen Sie nicht dieselben Konsequenzen?
Wir haben diese Frage im Verwaltungsrat behandelt, und das Gremium, das alle Fakten kennt, hat mir das Vertrauen ausgesprochen. Wichtig ist auch, wir stehen nicht am Anfang der Bewältigung des Problems, wir hatten unsere Lehren schon vorher gezogen
Aber die Verantwortung muss nur der damalige Bankdirektor Andreas Waespi tragen.
Andreas Waespi ist aus freien Stücken gegangen, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Verantwortung übernehmen kann man auf verschiedene Art und Weise. Ich bin nicht das Gesicht dieser Bank, das ist normalerweise der CEO. Aber ich stehe hin und stelle mich Ihren Fragen, denjenigen der lokalen Medien und der Tagesschau. Auch das heisst für mich, Verantwortung zu übernehmen.