Kolumbianische Aktivisten nehmen Glencore in die Kritik

Glencore stösst in Kolumbien auf Widerstand: Kohleabbau, der Landstriche unbewohnbar macht, und mutmassliche Verstrickungen mit der Armee gehören zu den vielen Punkten, welche dem Zuger Rohstoff-Konzern vorgeworfen werden. Ein Menschenrechtsanwalt und die Bewohnerin einer betroffenen Gemeinde präsentierten eine Gegendarstellung zu den Nachhaltigkeitsberichten, die das Unternehmen veröffentlicht hat.

Gegen Glencore auf Tour: Diana Fonseca und Rafael Figueroa aus Kolumbien. (Bild: Michel Schultheiss)

Glencore stösst in Kolumbien auf Widerstand: Kohleabbau, der Landstriche unbewohnbar macht, und mutmassliche Verstrickungen mit der Armee gehören zu den vielen Punkten, welche dem Zuger Rohstoff-Konzern vorgeworfen werden. Ein Menschenrechtsanwalt und die Bewohnerin einer betroffenen Gemeinde präsentierten eine Gegendarstellung zu den Nachhaltigkeitsberichten, die das Unternehmen veröffentlicht hat.

Nachhaltig und verantwortungsbewusst – mit diesen Attributen umschrieb kürzlich Glencore-CEO Ivan Glasenberg die Vorgehensweise des Rohstoffkonzerns in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dieser Darstellung will Diana Fonseca nicht zustimmen: Als Einwohnerin der kolumbianischen Gemeinde El Hatillo kennt sie die Konsequenzen der Kohleförderung, welche die Glencore-Tochtergesellschaft Prodeco dort betreibt, aus erster Hand.

Der Bergbau habe jede Menge Atemwegs-, Haut- und Augenerkrankungen bei den Leuten sowie verschmutztes Trinkwasser hinterlassen – kaum aber eine Lebensgrundlage für die Anwohner. «Die Ironie am Ganzen ist, dass wir drei grosse Minen, doch keine Arbeit haben», sagt sie.

Seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik

Diana Fonseca weilte am Donnerstag auf Einladung der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ASK) in Basel. Zusammen mit dem Anwalt Rafael Figueroa von der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation Pensamiento y Acción Social (PAS) ging sie an einer Info-Veranstaltung in der Pfarrei St. Clara auf die Problematik der Kohleförderung in ihrem Land ein. Dabei wurden die von Glencore seit 2010 veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte mit Fragezeichen versehen.

Schon seit Jahren steht das Unternehmen im Kreuzfeuer der Kritik. Die weltweit grösste Rohstoffhandelsgruppe mit Sitz in der Zuger Gemeinde Baar geht auf die Tätigkeiten des verstorbenen Investors Marc Rich zurück. Seit dem Börsengang und der Fusion mit dem Bergbauunternehmen Xstrata versucht der einst unnahbare Riese, sein Image in der Öffentlichkeit zu verbessern. So ist etwa der Nachhaltigkeitsmanager an Veranstaltungen von Kritikern präsent, um den Dialog zu suchen.

Dies sei noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, sagt Stephan Suhner von der ASK. Dennoch ist die Situation aus seiner Sicht alles andere als befriedigend. Dies verdeutlicht der «Schattenbericht», welcher von PAS und der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien letzten Monat nach vier Jahren Recherchearbeit veröffentlicht wurde. «Der Text soll eine zivilgesellschaftliche Gegensicht zum 2010 veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht von Glencore darstellen», meint Stephan Suhner.

Lebengrundlage zerstört

Die Schilderungen der eingeladenen Direktbetroffenen unterstreichen die Vorwürfe an die Adresse des Konzerns. Diana Fonseca, welche sich als Sprecherin der Gemeinde El Hatillo im nordwestlichen Departement Cesar engagiert, zeichnete die Entwicklung des Dorfes auf: Dem einst aus Kleinbauern und Fischern bestehenden 700-Seelen-Dorf sei etwa mit der Umleitung des Flusses sukzessive die Lebensgrundlage entzogen worden. Die Gemeinde ist nun von den Minen der drei Unternehmen Glencore, Drummond und Natural Colombian Resources (welche zu Goldman Sachs gehört) umgeben.

Von der versprochenen wirtschaftlichen Entwicklung hätten die Leute bis jetzt nicht viel gesehen, sagt Fonseca. Stattdessen habe sich der gesundheitliche Zustand der Leute massiv verschlechtert. Laut Fonseca haben nur ein paar wenige Leute eine Festanstellung, andere leben von sporadischen Arbeitseinsätzen, etwa als Lastwagenfahrer.

Die Stylistin und fünffache Mutter ist seit Jahren an den Verhandlungen für eine mögliche Umsiedlung beteiligt. Die Suche nach einem Ersatzort erweist sich als schwierig – es gibt kaum verfügbare Ländereien.

Keinesfalls möchte man aber den gleichen Fehler machen wie das Nachbarsdorf Plan Bonito. «Dort haben die Leute ihr Hab und Gut verkauft, konnten sich damit aber keine neue Lebensgrundlage aufbauen», sagt Fonseca.

Stattdessen wolle man Perspektiven für eine Lebensgrundlage. Ihr Einsatz ist kein Sonntagsspaziergang: Vor ihrer Abreise wurde Diana Fonseca mehrmals bedroht. Mit Flugblättern und anonymen Anrufen hätten Unbekannte diverse Einschüchterungsversuche unternommen, erzählt sie.

Die Mineros nennen die Baracken ohne Ventilation und Toiletten «Guantánamo».

Der Fall von El Hatillo stehe keineswegs isoliert da, sagt der Menschenrechtler Rafael Figueroa. Die Minen in Kolumbien würden etwa von Einheiten der kolumbianische Armee bewacht. Den Streitkräften wird vorgeworfen, zwischen 2007 und 2011 in mehrere Hinrichtungen involviert gewesen zu sein, was in zwei Fällen auch gerichtlich geahndet werden konnte. «Im Nachhinein werden diese dann als Kampfhandlungen mit Guerilleros dargestellt», erklärt Figueroa. Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen habe Glencore stets die Verantwortung von sich gewiesen – entsprechend gilt die Unschuldsvermutung.

Des Weiteren wird vermutet, dass das Unternehmen dem Staat noch etwa 100 Millionen Dollar für Lizenzgebühren schuldet, die in den vorherigen Jahren nicht bezahlt worden seien. Wie Figueroa sagt, habe Glencore nämlich erst 2012 deklariert, im Besitz der Minen zu sein. Nachdem dies der Staat festgestellt hat, leitete er ein Verfahren ein; ein diesbezüglicher Entscheid liegt jedoch noch nicht vor.

Dem Unternehmen werden auch Verstösse gegen die Vereinigungsfreiheit sowie gegen Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz vorgeworfen. Kranke Arbeiter müssten ihre Zeit etwa in fensterlosen Containern ohne Ventilation und Toiletten verbringen. Unter den Mineros haben sich diese Baracken den Spitznamen «Guantánamo» eingehandelt.

Ein vierter Punkt ist die Luftverschmutzung im Umfeld der Kohleminen, unter der zum Beispiel El Hatillo zu leiden hat. Zwischen 2008 und 2011 seien die Grenzwerte um das Doppelte überschritten worden, sagt Figueroa: «Obschon die Frist von drei Jahren verstrichen ist, steht noch nicht einmal ein Umsiedlungsplan für drei betroffene Dörfer.»

_
Glencore hat auf den «Schattenbericht» von PAS und der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien mit einer eigenen Darstellung geantwortet – diese finden Sie auf der Rückseite dieses Artikels.

Nächster Artikel