Weil Kontrolleure mehrfach Arbeiter erwischten, die zu Dumpinglöhnen den grössten Schweizer Sportanlass aufbauten, verschärfte die Zentrale Paritätische Kontrollstelle umgehend ihre Kontrollen beim Tennisturnier Swissindoors und wurde wieder fündig.
Am Donnerstagmorgen früh rückt eine Truppe Kontrolleure aus. Einsatzort ist die Baustelle der grössten Sportveranstaltung der Schweiz, das Tennisturnier Swissindoors. Ausgerüstet mit einer Liste mit Namen von Verdächtigen stossen die Kontrolleure schon bald auf die ersten angeblich selbständigen Messebauer, die sie verdächtigen, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. Und dies im dritten Jahr in Folge, weshalb die Kontrolleure umgehend ihre Kontrollen verschärfen und auf den Abend ausdehnen: Tatsächlich entdecken sie ungarische Messebauer, die angeben, für einen der Sponsoren des Turniers zu einem Stundenlohn zwischen sechs und acht Franken zu arbeiten. Dabei handelt es sich offenbar um den Stand von Nespresso, einem der Hauptsponsoren, wie die «Tagesschau» soeben in ihrer Hauptausgabe den Primeur der TagesWoche ergänzte. Nespresso hat den Auftrag an ein Subunternehmen vergeben, welches wiederum die ungarischen Messebauer beauftragte.
Bereits letztes Jahr begleitete die TagesWoche die Angestellten der Zentralen Paritätischen Kommission (ZPK) auf Ihrem Kontrollgang der Aufbauarbeiten des Tennisturniers Swiss Indoors. Sie prüfen im Auftrag des Staates, der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, ob die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, also die flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr greifen.
Angeblich Selbständige erinnern sich nicht an ihre Firmenadresse
Auch schon damals stiessen die Kontrolleure auf ungarische Messebauer, die zu Protokoll gaben, sie arbeiteten auf eigene Rechnung und verdienten anständig. Als Selbständige müssen sie sich weder an Gesamtarbeitsverträge noch an Mindestlöhne halten. Doch angereist waren die sechzehn angeblichen Subunternehmer gemeinsam mit drei Bussen. Sie übernachteten auf Rechnung der auftraggebenden Firma gemeinsam in einem Hotel im Elsass. Bei der Befragung konnten sie sich teilweise nicht einmal an die Adresse ihrer eigenen Firma erinnern.
Neun Monate dauerte es, bis die Kontrolleure der Zentralen Paritätischen alle Umstände geklärt und die Beweise gesichert hatten. Doch dann war der Fall für die Kontrollstelle klar: Die Ungarn waren Scheinselbständige und arbeiteten zu Dumpinglöhne von teilweise weniger als fünf Franken. Zum Vergleich: Gemäss Kontrollstelle wäre laut Gesamtarbeitsvertrag ein Mindestlohn von rund dreissig Franken geschuldet. Insgesamt seien die in der Schweiz geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen bei der Swiss Indoors Ausgabe 2011, aber auch schon 2010 auf «massivste Weise nicht eingehalten worden», so das Fazit der Kontrollstelle.
Swiss Indoors fühlt sich nicht betroffen
Die von Swiss Indoors mit dem Aufbau eines Teils des Turniers beauftragte Messefirma Uniplan hatte an die Ungarn einen Teilauftrag für etwas über 20 000 Euro weitergegeben. Doch allein schon deren Unterkunft und Reise hätte gemäss Berechnungen der Kontrolleure die Hälfte dieser Summe verschlungen.
Swiss Indoors will sich zu diesem Fall nicht äussern. Nur so viel: «Nach Kenntnis der Swiss Indoors laufen in dieser Angelegenheit weiterhin Gespräche zwischen der ZPK und Uniplan. Weil die Swiss Indoors AG davon nicht betroffen ist, kann sie sich zum Inhalt dieser Gespräche nicht äussern.» Und die Firma Uniplan lässt ausrichten: «Die Uniplan setzt alles daran, die gesetzlichen und behördlichen Minimalstandards einzuhalten und die Subunternehmer ebenso dazu anzuhalten. Dies wird jeweils auch vertraglich festgehalten. Die Uniplan Switzerland AG bestreitet, in irgendeiner Weise gesetzliche oder behördliche Bestimmungen verletzt zu haben. Sie hat sich jederzeit an die geltenden Bestimmungen gehalten und toleriert Verletzungen arbeitsrechtlicher Minimalbestimmungen in keiner Weise.»
Bei ihren Abklärungen nach der letztjährigen Ausgabe der Swiss Indoors stiess die ZPK auch noch bei deutschen Messebauern auf ähnliche Missstände, weshalb die Kontrollstelle von der mit dem Aufbau der Infrastruktur beauftragten Messebaufirma Uniplan inklusive Kontrollkosten eine Nachzahlung von über 100 000 Franken verlangt. Auf Anfrage der TagesWoche kündigt die ZPK an, diesen Betrag notfalls vor Gericht einzufordern.
Artikelgeschichte
Bericht ergänzt mit weiteren Details, über welche die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens berichtete.