Lohnskandal weitet sich aus

Dass auf der Messbaustelle in einer Subunternehmerkette mehrere Hunderttausend Franken verschwanden, dürfte die verantwortliche Elektrofirma kaum überrascht haben. Denn schon auf der Baustelle Südpark verschwanden letztes Jahr auf diese Weise Gelder – beteiligt waren dieselben Firmen.

Ein Elektriker auf der Grossbaustelle der Messe Basel. (Bild: Michael Würtenberg)

Dass auf der Messbaustelle in einer Subunternehmerkette mehrere Hunderttausend Franken verschwanden, dürfte die verantwortliche Elektrofirma kaum überrascht haben. Denn schon auf der Baustelle Südpark verschwanden letztes Jahr auf diese Weise Gelder – beteiligt waren dieselben Firmen.

Mutmasslich über fünfzig Elektriker, die auf der Messebaustelle arbeiteten, haben mindestens zwei Monatslöhne nicht bekommen. Diesen wohl grössten Lohnskandal auf der Messebaustelle machte die TagesWoche letzte Woche publik. Den Stein ins Rollen gebracht hatte ein anonymes Mail an die Gewerkschaft Unia. Gegen hundert Elektriker warteten seit Dezember auf ihren Lohn, schrieb einer der Betroffenen. Generalunternehmer HRS, die Messe und die beteiligten Elektrofirmen bestätigten den Lohnskandal, schwiegen aber über das Ausmass. Gemäss gut informierten Quellen geht es um mehrere Hundertausend Franken, die in der Subunernehmerkette der Elektriker verschwunden sind.

Doch wie konnte so etwas passieren auf der von Messe-CEO René Kamm gemäss eigener Einschätzung «wahrscheinlich am besten geführten Baustelle, welche die Schweiz je gesehen hat»? Die Spur führt zunächst auf eine andere Basler Baustelle: den Südpark – wie die Messe ein Bau des Architekturbüros Herzog & de Meuron. Schon dort versickerte Geld. Auch damals führte die Zürcher Firma AZ Elektro zusammen mit einem zweiten Elektrogeschäft im Auftrag eines Generalunternehmers die Elektroarbeiten aus. Subunternehmer war auch damals die Zürcher Trigon Solutions. Und auch damals beklagten sich Elektriker, sie hätten ihren Lohn nicht bekommen, weil in der Subunternehmerkette Gelder verschwunden seien.

Die letzten in der Kette bekamen keinen Lohn

Die unterste Firma in der damaligen Kette, die Firma Innotec Group, listete in einem Brief im August 2012, welcher der TagesWoche vorliegt, sämtliche ausstehenden Zahlungen auf: total 172 000 Franken. Sie schrieb der AZ-Elektro: «Wir sind informiert, dass die Trigon Solutions (…) einen grossen Auftrag, der unsere Forderungen um einiges übersteigt, von der Firma AZ Elektro erhalten hat.» Die Firma habe die Trigon und deren Hintermänner betrieben. Doch obwohl sämtliche Baustellenrapporte vom zuständigen Bauleiter der AZ Elektro unterschrieben worden seien, warte die Innotec auf Ihr Geld. Jetzt sei die AZ Elektro verpflichtet, diese Forderungen direkt zu begleichen.

Die AZ Elektro schreibt der TagesWoche dazu: «Diese Aufstellung ist nicht nachvollziehbar, da sie sich in weiten Teilen auf Baustellen und Aufträge fremder Elektroinstallationsunternehmen bezieht. Ein Nachweis, dass die Forderungen der Innotec an die Trigon zu Recht bestehen, liegt uns nicht vor.»

Strafverfahren wegen Betrugs eröffnet

Vielleicht fällt es der AZ Elektro auch deshalb weniger schwer, der Firma Trigon Solutions AG zu vertrauen, weil deren Geschäftsführer Jörg Schneider früher bei der AZ Elektro gearbeitet hat. Hinter der Firma steht allerdings nicht nur Schneider sondern auch Dragan P. Ihm gehörten sämtliche Aktien und gegen ihn eröffente die Staatsanwaltschaft Zürich ein Strafverfahren wegen Betrugs. Diese Spur führt weiter nach Effretikon, zur Firma Interfactoring. Firmen können sich von dieser Rechnungen eintreiben lassen. Im Gegenzug bekommen sie auf die Rechnungssumme einen Vorschuss. Dragan P. habe der Rechnungsfirma gefälschte Rapporte und Rechnungen untergejubelt, auf welche er einen Vorschuss kassiert habe, erklärt Geschäftsführer Hansueli Bachmann auf Anfrage der TagesWoche. Die Rechnungsfirma macht einen Schaden von mehreren Hundertausend Franken geltend. Sie sind nicht die einizigen mit Forderungen an Dragan P. In dessen Betreibungsregisters sind Forderungen im Umfang von weit über einer Millionen Schweizer Franken aufgeführt.

Die Firma AZ Elektro schreibt dazu: «Über nicht im Handelsregister eingetragene Personen haben wir keine Kenntnisse. Wir haben auch keine Kenntnisse über mutmassliche Strafverfahren gegen eine solche Person. Herr Schneider war bis vor ca. fünf Jahren für einige Zeit bei der AZ Elektro AG beschäftigt. Ein Zusammenhang mit dieser Tatsache und der Zusammenarbeit mit seinen Akkordantenfirmen besteht nicht. Ihr Vorwurf, dass die Firma AZ Elektro AG mit der Trigon zusammenarbeitet, obwohl sie weiss, dass bei dieser Firma schon mehrfach Geld in der Subunternehmerkette versickert, ist in allen Teilen ungerechtfertigt und bestritten.» Und die Firma Trigon Elektro schreibt: «Auf der Baustelle Neubau Messe Basel wurde die Trigon Elektro AG von allen Instanzen, sprich Gewerkschaft, paritätische Kommission, Amt für Arbeit und Starkstrominspektorat (ESTI) projektbegleitend mehrfach überprüft und für gut geführt bestätigt, selbst Mindestlöhne und auch Zahlungsflüsse wurden hier nachgewiesen.»

«Preis war viel zu tief»

Inzwischen hat der Konkursrichter über die Trigon Solutions den Konkurs eröffnet. In die Lücke gesprungen ist die Trigon Elektro. Das dürfte kaum weitere Komplikationen verursachen, hat sie doch nicht nur fast denselben Namen, sondern auch denselben Geschäftsführer. Nicht ganz so einfach dürfte es für die AZ Elektro werden, ihren drei Partnerfirmen – der Alpiq InTec West AG, Swisspro NW AG und Schwarz+Partner AG – zu erklären, weshalb sie keine Vorbehalte gegen die Trigon als Subunternehmer angemeldet hat. Allerdings mussten die Elektrofirmen auch nach möglichst günstigen Subunternehmern suchen, wie ein Mitglied der Unternehmsleitung einer grossen Schweizer Elektro-Firma bestätigt: «Wir verzichteten darauf, uns um den Auftrag auf der Messebaustelle zu bewerben. Denn der Preis war nach unseren Berechnungen viel zu tief.»

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