Rafael Waber macht aus dieser Wiese eine Shrimps-Farm

Vom Meer direkt auf den Teller ist der Traum jedes Crevetten-Liebhabers. In der Schweiz aber unmöglich – bis jetzt. Rafael Waber sorgt mit seiner SwissShrimp AG für Abhilfe.

SwissShrimp-Geschäftsführer Rafael Waber auf dem Feld, wo Ende 2018 die ersten Aargauer Shrimps «geerntet» werden sollen.

(Bild: zVg)

Vom Meer direkt auf den Teller ist der Traum jedes Crevetten-Liebhabers. In der Schweiz aber unmöglich – bis jetzt. Rafael Waber sorgt mit seiner SwissShrimp AG für Abhilfe.

In der Schweiz musste man bisher mit tiefgekühlten Import-Shrimps Vorlieb nehmen, die oft mit Antibiotika vollgepumpt, unter teils fragwürdigen oder mehrheitlich völlig intransparenten Bedingungen gezüchtet werden.

Für alle Crevetten-Liebhaber gibt es jetzt gute Neuigkeiten: 2018 schwimmen die kleinen Krustentiere in einer grossen Produktionsanlage im aargauischen Rheinfelden. Von dort finden sie dann auch den Weg zum Kunden: entweder direkt via ausgewählte Frische-Theken oder via Teller bei Spitzengastronomen.

Shrimps in Rheinfelden? So ganz ohne Meer?

Das geht, sagt Geschäftsführer Rafael Waber. Und wenn der Betrieb so läuft, wie er konzipiert und in der Pilotphase getestet wurde, sogar ziemlich gut. Die SwissShrimp AG gewann kürzlich den Jungunternehmerpreis für «ihre innovative und professionelle Arbeit im Bereich der Produktion von Shrimps, wo sie dank neuen Technologien und Synergien Aquakulturen ökologisch sinnvoll und nachhaltig betreiben können». 



Der sogenannte «Pacific white shrimp» wiegt zum Erntezeitpunkt etwa 35 Gramm und wird ausschliesslich frisch, als unverarbeitete Ware angeboten.

So sehen Rafael Wabers Crevetten aus: «Frisch, kugelschreiberlang und daumendick» sind sie, heisst es in der Broschüre. Sie werden unverarbeitet, also mit Kopf und Schwanz verkauft. (Bild: zVg)

Die grosse Produktionsanlage, die das Team der SwissShrimp AG plant, liegt in der Nähe der Schweizer Salinen AG. Durch deren Salzgewinnung entsteht Abwärme, die die Shrimps-Züchter für die Erwärmung des Crevetten-Beckens nutzen. Und auch das benötigte Salz zur Simulation des Meerwassers kriegt man somit gleich vom Nachbar.

Die Larven der Tiere bezieht das Start-Up aus Miami, beim weltweit zuverlässigsten Anbieter, wie Waber nicht ohne Stolz sagt. Diese verbringen 180 Tage in einer Aquakultur-Anlage, bevor sie abgefischt, im Eiswasser getötet und als Delikatessen verpackt werden.

Die Idee einer professionellen Shrimps-Zucht ist aber nicht neu. «2008 ist unser Projektinitiant und Mitgründer Thomas Tschirren in einem TV-Bericht auf ein niederländisches Shrimps-Projekt gestossen», erklärt Waber. Da habe alles angefangen.

Zwar gebe es in der Schweiz noch zwei andere Shrimps-Produzenten, diese seien aber beide sehr viel kleiner und befänden sich auf Landwirtschaftsgebiet. Und da gebe es Regeln: «Das Bundesamt für Landwirtschaft schreibt vor, dass Aquakultur ab einer bestimmten Grösse in die Gewerbe- und Industriezone gehört.»

«Es ist kein Gefühl: Ich weiss es»

Wenn man Waber über die SwissShrimp AG reden hört, merkt man, dass er das nicht zum ersten Mal macht: Die Formulierungen sitzen perfekt, er ist überzeugt von seinem Produkt, weiss, wovon er spricht. Als Geschäftsführer trifft er sich momentan mit potenziellen Investoren, die er als Aktionäre für die SwissShrimp AG gewinnen will.

Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der einjährigen Pilotphase im solothurnischen Luterbach helfen, seine Geldgeber zu überzeugen, sagt Waber. Noch seien zwar 10 Prozent der Aktien nicht gezeichnet. Finanziert sei die Anlage aber trotzdem, es gehe nur noch um einen Puffer: «Wir haben immer gesagt: Wenn wir acht Millionen zusammen haben, fangen wir an.»



Der Jungunternehmerpreis ist nicht der erste, den das Projekt rund um die Verantwortlichen von der SwissShrimp AG und die Schweizer Salinen AG erhalten haben.

Der Jungunternehmerpreis ist nicht der erste, den das Projekt rund um die Verantwortlichen von der SwissShrimp AG und die Schweizer Salinen AG erhalten haben. (Bild: zVg)

Waber ist vorsichtig und «einfach nicht blauäugig», wie er selber von sich sagt. «Ich habe das Gefühl…» — und korrigiert sich gleich – «nein, es ist kein Gefühl. Ich weiss, dass eine Produktion unter 15 Tonnen nicht sinnvoll ist.» Er habe alles durchgerechnet, Analysen gemacht und das Marktpotenzial eruiert.

Und obwohl Waber selbst weder Chemiker noch Lebensmitteltechnologe ist, wisse er genug über die einzelnen Bereiche der SwissShrimp AG, um Entscheidungen zu treffen. Dies, weil der Lead bei technologischen Details beim technischen Geschäftsführer und Mitgründer Michael Siragusa liege: «Ich will Moderator und Koordinator sein. So wie dieses Fitnessgerät, das Balance Board.»

Vom Lehrer zum Shrimps-Züchter

In Sachen Organisation und Koordination ist der 36-jährige Solothurner durch seinen Werdegang geschult: Er ist ursprünglich Oberstufenlehrer für Französisch, Deutsch und Mathematik. Dann stieg er bei der Marketingabteilung des Uhrenherstellers Rado ein («Ich wollte etwas bewegen, etwas vorwärts bringen»), wo er im mittleren Osten und Südamerika tätig war.

Er habe dort die «Welt der Marketingpraxis» kennen gelernt und sei verantwortlich gewesen für das visuelle Erscheinungsbild der Firma. Nach drei Jahren veränderten sich seine Aufgaben, es gefiel ihm nicht mehr und er kündigte, um ein zweijähriges Studium zum eidgenössisch diplomierten Marketingleiter zu beginnen — ein Lehrgang für Führungskräfte aus der Praxis. «Einen grossen Teil des Unternehmertums habe ich von dort mitgenommen.»

Die Zeit zwischen seiner Diplomierung und dem 1. Januar 2016, an dem sich das SwissShrimp-Team zum ersten Mal einen Lohn auszahlen konnte, war eine entbehrungsreiche. Während der Konzept- und Pilotphase schlug sich Waber mit Jobs als Lastwagenfahrer oder als McDonalds-Mitarbeiter durch. Seine damalige Freundin und heutige Frau unterstützte ihn finanziell.

«Ich habe ihr gesagt, dass ich das einfach machen muss. Wir mussten in dieser Zeit auf sehr viel verzichten», sagt Waber. Für das Shrimps-Projekt habe er fünf Jahre ehrenamtlich gearbeitet und es sei realistisch möglich gewesen, zu scheitern. Vielen Start-Ups passiere das, aber er ist sich sicher: «Jedes Projekt, das gut genug ist und eine Zielgruppe anspricht, die bereit ist, genug zu zahlen, kommt durch und erhält Investoren.»

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