Spass hat keiner mehr

Eine Business-Analystin der UBS gewährt einen Blick ins Innenleben der Bank: Ein Gigant, der nicht mir Krisen umzugehen gewohnt ist.

Die UBS reizt ihr Personal. Kann die Grossbank so erstarken? Eine Innensicht.

Banker sind scheue Geschöpfe. Sie wissen: Geld fühlt sich dort wohl, wo es dunkel ist und still. Sandra Schärer* hält nichts von Verschwiegenheit. Sie hält das Schweigen nicht mehr aus.

Schärer arbeitet als Business Analystin bei der UBS. Sie ist eine Art Übersetzerin an der Schnittstelle zwischen dem Informatikbereich und den Fachabteilungen. Sie erhält Aufträge, Software für den Wertschriftenhandel zu kreieren. Daraus modelliert sie Baupläne für die Techniker. Schärer sollte branchenüblich als «Quelle aus dem Innern der Bank» in ein Stimmungsbild einfliessen. Das lehnt sie ab. Sie ist aktives Mitglied der Zürcher Piratenpartei und fühlt sich der Transparenz verpflichtet.

Sie wird nicht mehr lange für die UBS arbeiten.

Ausgebildet wurde Schärer bei der Credit Suisse zur Bankkauffrau. Eine Zeit, erzählt sie, in der sie das Gefühl für Geld verloren hat. «Jeden Tag flies­sen Zigtausende Franken durch deine Hände, das tut nicht gut.»

Gärtchendenken bei der CS

Sie wechselte das Fach. Schrieb sich an der höheren Fachschule für Informatik ein. Die Welt der Algorithmen erschien ihr realer als die des grossen Geldverschiebens. Schärer wechselte den Arbeitgeber, stiess von der CS zur UBS. Sie kennt die beiden Grossbanken der Schweiz von innen. Es sind zwei unterschiedliche Philosophien und zu Beginn war Schärer sehr angetan von der UBS. Bei der CS, der kleineren der beiden Banken, schaute jeder für sich. «Das Gärtchendenken war sehr ausgeprägt.» Die UBS war eine andere Welt.

In der UBS flossen Zuständigkeiten und Prozesse ineinander. Die Struktur war elastisch. Die Teams, in denen sie arbeitete, veränderten sich von Projekt zu Projekt. Eine viel anspruchsvollere Form der Zusammenarbeit, aber auch eine erfüllendere und kreativere.

2008, nach der Subprimekrise und dem durch Steuermilliarden abgewendeten Kollaps der Bank, änderte sich die Stimmung. Das Selbstbewusstsein der Banker war weg. «Die Verunsicherung lähmt alle», erzählt Schärer. «Und die UBS hat ihre Mitschuld daran.» Die erfolgsverwöhnte Bank hat keine Erfahrungen mit Krisen. Sie schlägt wild um sich und trifft vor allem sich selber.

Um die Bank auf Kurs zu bringen, sollten alle mehr leisten. Der damalige Geschäftsführer Oswald Grübel erhöhte den Druck auf die Belegschaft, der schon immens war. Ein neues Qualifikationssystem wurde geschaffen. Es teilt in jeder Abteilung die guten von den schlechten Mitarbeitern. Auch wenn alle gut sind. Das Notensystem besteht aus fünf Stufen, wer zwei Jahre hintereinander zu den schwächsten zehn Prozent gehört, fliegt raus. «Da sind Nichtigkeiten für die Bewertung entscheidend, etwa wie oft du am Abend noch mit dem Team einen trinken gehst», erzählt Schärer. Das System wurde nach Kritik aus der Belegschaft mittlerweile leicht entschärft. Denise Chevret, Zentralsekretärin des Bankangestelltenverbands, hielt fest: «Aus Kollegen werden Konkurrenten.»

Das Sparprogramm der Bank, die im IT-Bereich mehrere Hundert Stellen abbauen will, tut ihr Übriges. «Erfahrenen Mitarbeitern wurde gekündigt, viele andere sehen sich nach einer neuen Stelle um. Jeder, der ein Angebot hat, geht», sagt Schärer. «Die Fluktuation ist beispiellos. Wer bleibt, tut das wegen des Geldes. Spass hat keiner mehr.»Der Verlust an Erfahrung im IT-Bereich führt dazu, dass Risiken nicht erkannt und behoben werden. «Wir stos­sen ständig auf Löcher in unseren Systemen, die missbraucht werden können.» Ein Fall wie der des Londoner Händlers, der mutmasslich begünstigt durch Lücken im Überwachungssystem 2,3 Milliarden Dollar verloren hatte, könne «jederzeit passieren».

Nicht nur weil sie zentrale Bereiche kleinspart, hält Schärer die Bekenntnisse der UBS-Führung, das Risikomanagement zu verbessern, für unglaubwürdig. «Die Komplexität ist längst zu gross geworden. Das ist allen klar in der Bank. Niemand blickt durch und vielen ist es ganz wohl dabei.»

*Name von der Redaktion geändert

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04/11/11

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