Die südbadische Supermarktkette Hieber wird aufgefrischt – aber nicht zu sehr. Schliesslich ist sie überaus erfolgreich. Auch bei Kunden aus der Schweizer Nachbarschaft.
Aus «Hieber’s Frische Center» wird «Hieber – Mein Leben. Mein Laden», garniert mit einem neuen, schwungvoll geschriebenen H und einem roten Punkt. Mit diesem neuen Auftritt, so heisst es in der Einladung zur heutigen Pressekonferenz, sei der Generationenwechsel in der Firma abgeschlossen.
Die Firma, das ist eine regionale Supermarktkette in Südbaden, Teil des riesigen deutschen Einzelhandelskonzerns Edeka, der mit einem Umsatz von gegen 60 Milliarden Franken gut doppelt so gross ist wie die Schweizer Riesen Coop und Migros. Hieber, das ist auch eine wichtige Anlaufstation für viele «Einkaufstouristen» aus der Region Nordwestschweiz.
Und nicht nur: Wer schon einmal an einem Samstag die zwei Parkdecks der Hieber-Filiale am Lörracher Meeranerplatz besichtigte, weiss, dass die Region Nordwestschweiz offenbar bis in die Kantone Bern, Luzern und St. Gallen reicht.
Konsummaschine, Quartierladen und Spezialgeschäft in einem
Hieber ist eine Erfolgsgeschichte, die 1966 begann und sich heute als eine Kette von einem Dutzend Supermärkten präsentiert (wobei für einmal auch die «Lädeli» als solche mitgezählt werden), die mit einem gewaltigen Sortiment einen Umsatz von gegen 200 Millionen Franken erzielen (präzise Umsatzzahlen nennt Hieber nicht). Je nach Ladengrösse werden bis zu 48’000 Artikel angeboten.
Bei aller Grösse hat Hieber aber die Bodenhaftung nicht verloren. Als Kunde geht man im riesigen Angebot nicht verloren, stets ist eine Ansprechperson in Reichweite.
An den Fleisch-, Fisch-, Käse-, Brotständen findet man zwar auch abgepackte Ware, man kann sich aber auch bedienen und beraten lassen. Kurz: Hiebers Supermärkte sind irgendwie eine Mischung aus gut geölter Konsummaschine, Quartierladen und Spezialgeschäft.
Ausserdem gilt Hieber in vielerlei Hinsicht als Vorzeigebetrieb. Für die Gestaltung neuer Supermärkte hat das Unternehmen schon mehrfach die Auszeichnung «Supermarkt des Jahres» erhalten. Käse-, Fleisch- und Fischtheken einzelner Filialen erhielten Branchenpreise.
Musterbetrieb in der Edeka-Familie
Hieber gilt als sehr guter Ausbildungsbetrieb – und hat im letzten Jahr erstmals 30 Auszubildende aus Spanien in seine Filialen geholt. Auch in internationalen Vergleichen schneidet Hieber immer wieder gut ab. Und innerhalb der Edeka-Familie gilt Hieber als Musterbetrieb.
Das alles hängt damit zusammen, dass nicht nur die Firma Hieber heisst, sondern auch die Besitzerfamilie. Während vieler Jahre war es Jörg Hieber, der für seinen Laden stand (sehr häufig auch in einem seiner Läden), seit Anfang 2010 ist sein Sohn Dieter Hieber persönlich haftender Gesellschafter.
Der Gründer des Unternehmens, der eigentlich Metzger werden wollte und dann Konditor lernte, legte 1966 den Grundstein zur Supermarktkette – nur dass der erste «Supermarkt» ein 50 Quadratmeter grosses Lebensmittelgeschäft im badischen Steinen-Höllstein war, mit einer Wohnung für die junge Familie im ersten Stock.
Steiniger Anfang
Zusammen mit seiner Frau Anneliese bewältigte Jörg Hieber die zum Teil sehr mühsame, auch durch drastische finanzielle Engpässe gekennzeichnete Gründungsphase.
Erst Anfang der 1970er-Jahre begann der Aufbau der Hieber-Kette so richtig, wenn auch immer noch sehr bescheiden mit 240 Quadratmetern Verkaufsfläche in Lörrach-Salzert und 130 Quadratmetern in Binzen. In grössere Dimensionen stiess Hieber erst 1981 vor, als er seine erste selbst gebaute Filiale in Binzen eröffnen konnte.
Doch dann ging es Schlag auf Schlag weiter mit Betrieben in Lörrach (1988), Fahrnau (1990), Kandern (1993), Weil (1994), Schopfheim (1998), Rheinfelden (2001), Lörrach neu (2002), Wyhlen (2005), Grenzach (2007), Bad Krozingen (2011), Lörrach Umbau (2013). Hauptmerkmal der Expansion war: Die Verkaufsflächen wurden immer grösser, das Sortiment umfangreicher.
Der Konsument erlebt «den Hieber» als Verkaufsgeschäft mit hohem Qualitätsstandard, mit einer starken regionalen Verankerung vor allem bei den Frischprodukten, mit freundlichem und hilfsbereitem Personal. Im Sortiment wird nicht nur die geballte Einkaufsmacht des Edeka-Netzes sichtbar, sondern auch und vor allem die Handschrift der Besitzerfamilie, insbesondere des Gründers.
Schweizer Preise gehen nicht
Das Weinangebot zum Beispiel mit über 3000 Sorten, Schwergewicht auf der Region, ist nur schwer zu toppen – auch wenn Jörg Hieber verrät, dass er zuweilen nachschaue, wie Coop das Sortiment gestaltet. Dass das Brot, meist in der Region gebacken, einem hohen Standard genügt, kann man von einem gelernten Bäcker/Konditor fast erwarten.
Wie hoch Hieber den Qualitätsanspruch hängt, zeigte sich vor einigen Jahren, als Produkte aus der Schweizer Nachbarschaft mit entsprechender Kennzeichnung ins Sortiment aufgenommen wurden.
Dieses Experiment wurde freilich schnell wieder abgebrochen. Denn bei aller Freude an «Made in Switzerland»: Die Preise waren dann eben auch «Made in Switzerland». Und das geht mit deutschen Kunden einfach nicht. Auch wenn diese durchaus bereit sind, für gute Qualität etwas mehr zu bezahlen.
Rabatt für Schweizer Kunden
Deshalb ist Hieber nicht billig. Aber er ist preiswert. Und die Schweizer Konsumenten finden bei Hieber nicht nur ein Sortiment, das mit jenem von Coop und Migros locker wetteifern kann. Sie finden auch mehr Beratung als im durchschnittlichen Schweizer Supermarkt. Und sie finden – mit Ausnahme ganz weniger Produktgruppen – tiefere Preise. Besonders dann, wenn sie sich die deutsche Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen.
Das macht ihnen Hieber mit seiner Kundenkarte für Schweizer sehr einfach. Die grünen Steuerzettel werden an der Kasse mit der Schweizer Adresse direkt ausgedruckt, das Formular bekommt beim Grenzübertritt seinen Stempel – und beim nächsten Einkauf in einer Hieber-Filiale wird der entsprechende Betrag von der Rechnung abgezogen.
Ein hübsches Rabattsystem, das den Einkauf für Schweizer im Schnitt verbilligt. In Deutschland beträgt der Mehrwertsteuer-Satz auf den meisten Lebensmitteln sieben Prozent, auf Wein sogar 19 Prozent. Und auch bei Waschmitteln und Kosmetikprodukten, die im kleinen Grenzverkehr eine nicht unerhebliche Rolle spielen, ist der deutsche Mehrwertsteuer-Satz sehr viel höher. Kein Wunder, macht Hieber etwa einen Viertel seines Umsatzes mit Schweizerinnen und Schweizern.
Hieber ist auch mit der zweiten Generation auf Erfolgskurs. Die Auffrischung des Erscheinungsbildes markiert diesen Generationenwechsel. Umgestürzt wird aber nichts – oder nicht mehr, als in einem dynamischen Handelsgeschäft ohnehin dauernd geschieht.