Vertuschungsvorwürfe gegen die Basler Kantonalbank

Die Basler Kantonalbank hält den ASE-Betrugsskandal für beinahe abgeschlossen. Mit über 80 Prozent der Geschädigten sollen Vergleiche abgeschlossen worden sein. Doch jetzt droht eine Klage.

Der ASE-Betrug in drei Bildern. Wie der Finanzhai das Geld der Anleger vernichtete. (Bild: Nils Fisch)

Die Basler Kantonalbank hält den ASE-Betrugsskandal für beinahe abgeschlossen. Mit über 80 Prozent der Geschädigten sollen Vergleiche abgeschlossen worden sein. Doch jetzt droht eine Klage.

Im Büro der Aargauer Staatsanwaltschaft türmen sich die Akten. Die Ermittler prüfen die Dossiers von 800 Kunden, die im Anlagebetrug des ­Vermögensverwalters ASE ihr Geld verloren haben, einzelne davon umfassen manchmal 1000 Seiten. Die Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität wird schnell einmal kompliziert. Das Ziel der Strafverfolger: einem früheren Kundenbetreuer der Basler Kantonalbank, welche die Konten von 620 ASE-Kunden führte, strafrechtlich relevante Vergehen nachzuweisen.

In Basel, am Hauptsitz der Staatsbank, blickt man mit Sorge nach Aarau. Sollte sich der Verdacht auf Gehilfenschaft zur Veruntreuung erhärten, geriete das Institut in neue Schwierigkeiten, dann könnte es teuer werden. Derzeit steckt die BKB mitten in Vergleichsverhandlungen mit den Geschädigten – sollte der Bank eine stärkere Mitschuld nachgewiesen werden, müsste sie mehr Entschädigung entrichten.

Doch die Untersuchung geht nur schleppend voran, ein Ende sei nicht in Sicht, teilt die Stawa auf Anfrage mit. Dem Vernehmen nach bereitet den Ermittlern schon das Nachvollziehen der betrügerischen Vorgänge erhebliche Mühe, sie seien «ganz schön am Schwimmen», heisst es aus dem Umfeld der Stawa.

Entsprechend angetan waren sie auf der Amtsstelle, als vor einigen Wochen die Post eines ehemaligen ASE-Kunden einging, nennen wir ihn Huber. Darin aufgeführt: drei Fälle von interner Verschleierung von mutmasslich kriminellen Machenschaften. Dafür verantwortlich soll der im Fokus der ­Ermittlungen stehende ehemalige BKB-Banker G. sein, der mit der ASE betraut war. G., mittlerweile fristlos entlassen, habe aktiv an der Vertuschung mitgewirkt.

Kleinanleger hereingelegt

Die Bank dagegen erkennt in diesem Fall keine Besonderheiten. Es handle sich um einen typischen ASE-Betrug. Um zu klären, was daran gewöhnlich, was aussergewöhnlich ist, muss man zurückblicken.

Es war im März 2012, als sich ein nervöser Kunde bei der BKB meldete und wissen wollte, warum er nur noch 5000 Franken auf dem Konto habe, obwohl ihm die ASE zuvor ausgewiesen hatte, es seien noch 500’000 Franken. Die BKB erstattete Straf­anzeige, und im weiteren Verlauf kam einer der grössten Anlagebetrugsfälle der Schweiz zum Vorschein. Haupt­beschuldigter ist ASE-Geschäftsführer S., der bald darauf in Unter­suchungshaft gesetzt wurde.

ASE hatte zumeist Kleinanleger mit dem Versprechen gelockt, sie könnten mit Devisengeschäften bis zu 18 Prozent Rendite im Jahr erwirtschaften – ein abenteuerlicher Profit. Das anvertraute Vermögen landete auf mehreren Fremdwährungskonten bei der BKB, die als Depotbank funktionierte.

Versteckte Konten angelegt

Dann fing der Betrug an: Im Verborgenen liess die ASE jeweils wenig später ein Kanada-Dollar-Konto eröffnen. Mit fingierten Faxaufträgen – die Unterschrift des Kunden war gefälscht – saugte sie das Geld ab. Die Abflüsse fielen nicht auf, weil die Kunden immer nur jene Konten zu Gesicht bekamen, die im Plus waren. Die Bank durfte den Kunden gemäss Abmachung mit der ASE keine Auskunft geben, die gesamte Korrespondenz lief über den Vermögensverwalter. So sah der Kunde sein Vermögen stetig wachsen, während es in Wirklichkeit längst auf null war.

Die BKB wickelte die Zahlungen ab, eröffnete und führte die Konten. Ein lukratives Geschäft: Alleine zwischen 2007 und dem Ende der ASE verdiente die Bank so 12,8 Millionen Franken. Ein beträchtlicher Teil davon blieb in den Taschen der Banker in der Zürcher Private-Banking-Filiale hängen. Deren Entlöhnung bestand zu einem ungewöhnlich grossen Teil aus Boni. Heute ist das anders, die Verantwortlichen von damals sind entlassen oder auf andere Art verabschiedet worden, das Boni-System entspricht jenem des Basler Hauptsitzes.

Bericht bleibt unter Verschluss

Die Bank hat den ASE-Skandal auch intern aufgearbeitet, die Kanzlei Bär & Karrer erstellte im Auftrag einen Bericht. Dieser bleibt allerdings unter Verschluss, veröffentlicht wurde nur eine Zusammenfassung. Im Bericht stellt sich die Bank auf den Standpunkt, in der Spätphase, ab 2010, als sich die Anzeichen verdichteten, dass die ASE kriminelle Geschäfte betreibt, nicht schnell genug gehandelt zu haben. Ihrem ehemaligen Angestellten G. wirft sie vor, nicht hinterfragt zu haben, was ihm von der ASE aufgetragen worden war. Doch längst ist nicht klar, wer zu welchem Zeitpunkt welchen Auftrag ausgeführt hat.

Der ASE-Geschädigte Huber wollte zur Dokumentation seines Falles Details zu fragwürdigen Transaktionen auf seinen Konten erhalten; er wollte wissen, wer aus welchen Gründen was mit seinem Geld gemacht hat. Mehrfache Anfragen an den Rechtsvertreter der Bank, die Kanzlei Homburger, blieben unbeantwortet. Dabei geht es um den nachfolgenden Vorgang:

Rückdatiertes Konto

Am 26. September 2006 hatte Huber, so viel steht fest, seine ASE-Konten, die bislang auf den Namen seiner Firma lauteten, in Privatkonten umschreiben lassen. Das ist das Besondere an seinem Fall. Eröffnet wurden daraufhin von G. ordnungsgemäss vier neue Devisenkonten, aber kein Kanada-Dollar-Konto, das wird aus dem Kontenplan ersichtlich.

Das Kanada-Konto, das im Minus lag, wurde erst einen Tag später neu erstellt, damit es nicht auf dem Auszug auftaucht, den Huber zu Gesicht bekam. Noch am selben Tag wurde es vom BKB-Mitarbeiter einen Tag rück­datiert – ein Trick, damit die Buchhaltung aufgeht. G. muss also gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt, er muss, so sieht es Huber, an der Ver­tuschung wissentlich und willentlich mitgewirkt haben.

Die Bank kann darin kein Verschleierungsmanöver ihres ehemaligen Mitarbeiters erkennen, sie sieht im Fall Huber einen gewöhnlichen ASE-Fall. Das hat sie auch vor dem Bankenombudsmann geltend gemacht, der die Sachlage beurteilte, weil Huber mit dem Vergleichsangebot der BKB unzufrieden war. Die Vermittlung scheiterte: Die BKB will nur rund 20 Prozent der Schadenssumme bezahlen, zu Nachbesserungen ist sie nicht bereit – nicht nur aus finanziellen Gründen.

Die Vergleichsangebote sind vorsichtig austariert, in den meisten Fällen ist die Entschädigungssumme gerade so hoch, dass sich die Kunden murrend damit abfinden. Dahinter verbirgt sich nicht nur die Absicht, die Kosten tief zu halten. Spricht die Bank im Einzelfall zu viel Geld, könnte das als Zugeständis einer grösseren Mit-Verantwortung gewertet werden. Zurzeit rechnet die Bank, dass sie mit den 50 Millionen Franken für die Entschädigungen durchkommt, was ungefähr der Hälfte der veruntreuten Summe bei der BKB entspricht. Über 80 Prozent der Geschädigten sollen das Vergleichsangebot mittlerweile angenommen haben.

Bemerkenswerter Deal

Es sind zumeist jene Kunden, die von den beiden Kanzleien Werder Vigano und Fischer & Partner vertreten werden. Dass sich so viele ASE-Opfer dort versammeln, ist erstaunlich. Das liegt auch daran, dass die grossen spezialisierten Schweizer Kanzleien bereits im Sold der Bank standen: ­Vischer fiel wegen der Nähe zu Bankratspräsident Andreas Albrecht weg, Bär und Karrer band die BKB mit der Untersuchung des ASE-Skandals ein; Homburger übernimmt die Rechtsvertretung für die Bank in den Skandalfällen ASE und USA.

Was Fischer nun tat, um die ASE-Geschädigten zu gewinnen, ist bemerkenswert. Die Geschädigten konnten sich billig einkaufen, bezahlten nur 3000 Franken als Pauschale. Obendrauf werden allerdings 12 Prozent der gesprochenen Entschädigungssumme fällig. Die Advokatur wusste also: Je mehr Vergleiche sie abschliesst, desto höher fällt ihr Profit aus.

Bank bezahlt die Anwälte der Geschädigten

Klagen vor Gericht können Jahre dauern und sind von ungewissem Ausgang. Die Advokatur riet deshalb ihren Mandanten, auf das Vergleichs­angebot der Bank einzusteigen. Diese erhöhte für die Kunden die Anreize auf eine ausser­gerichtliche Einigung noch, indem sie gemäss Informationen der Tages­Woche die Hälfte des Honoraranteils der Advokatur übernimmt. Die BKB sagt, dass sie bei einer Einigung die Anwaltshonorare voll vergütet, es handle sich aber im Durchschnitt um 3 Prozent der Schadenssumme. Zum Deal mit Fischer will die BKB nichts sagen, auch die Kanzlei nimmt dazu keine Stellung

Die Strategie der Bank ist einfach: Sie drückt aufs Tempo. Sie will möglichst schnell möglichst viele Vergleiche abschliessen. Kunden, die viel Geld verloren haben, in der Regel über eine Million Franken, kommt sie entgegen. Denn diese sind eher gewillt, vor Gericht zu ziehen, da sie bei einem unbefriedigenden Vergleich auf viel Geld verzichten müssen.

Auch Huber hat abgewogen, was ihm eine Klage bringt, was sie ihn kostet. Nun prüft er mit seinem Anwalt die letzten Einzelheiten – er will vor Gericht gehen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 20.12.13

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