Jetzt können Schweizer Konsumenten im Internet auf preisbarometer.ch die Preise von hunderten von Produkten grenzüberschreitend vergleichen. Die Sache ist umstritten.
Sie wollten sicher nicht «ein Schnäppchen-Portal» einrichten und zum grenzüberschreitenden Konsumtourismus anstiften. Das versicherten die Spitzen von vier Konsumentenorganisationen, als sie jetzt in Bern zusammen mit dem Chef des Eidgenössischen Büros für Konsumentenfragen, Jean-Marc Vögele, ihren «Preisbarometer» präsentierten. Wer indes im Internet unter www.preisbarometer.ch mehr als 50 Kosmetikprodukte anklicken kann, die in Deutschland 60 oder gar 70 Prozent günstiger zu haben sind als in der Schweiz, dürfte sich durchaus zu einem kleinen Ausflug über die Grenze verleiten lassen. Und die versammelten Konsumentenschützer betonten in Bern: Was die Konsumenten mit den Informationen aus ihrem Barometer machten, sei «ihnen überlassen».
Mehrere hundert Produkte verglichen
Verglichen würden auf der Webseite «Produkte des täglichen Bedarfs», sagte Michel Rudin vom Konsumentenforum: «Das was ein durchschnittlicher Konsument eben so einkauft.» Auch habe man darauf geachtet, «nur identische Produkte» zu vergleichen. Also etwa «keine Frischprodukte». Im Barometer seien vorerst nun Nahrungsmittel, Kosmetik , Kleider, Schuhe und Zeitschriften. In naher Zukunft würden aber auch Preisvergleiche bei Spielwaren, Elektrogeräten und Sportartikeln aufgeschaltet.
Verglichen werden die Preise hierzulande mit dem Niveau in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich. Dabei zeigt es sich, dass die grössten Differenzen mit Deutschland bestehen. Am kleinsten meist mit Österreich. Die grössten Unterschiede haben die Konsumentenschützer bei Zeitschriften geortet: Im Tessin etwa sind diese doppelt so teuer, wie in Italien.
Verglichen mit dem deutschen Billiganbieter Kaufland sind bei Migros und Coop aber auch die Lebensmittel um über 40 Prozent teurer. Kleider sind in der Schweiz durchschnittlich 29 Prozent teurer, als in den vier Nachbarländern. Und Schuhe auch immer noch um 17 Prozent. Insgesamt sind jetzt schon über 600 Produkte im Barometer. Und Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz sagt: «Die enormen Unterschiede kann man nicht erklären.»
Löhne und Mieten ausgeblendet
Auf den Vorhalt, dass eine Verkäuferin von Migros oder Coop in der Schweiz schon nur für ihre Miete mehr bezahlen müsse, als ihre deutsche Kollegin bei Kaufland brutto im Monate verdiene, gingen die Betreiber des Preisbarometers kaum ein. Dass in der Schweiz in jedem Preis 30 Prozent für die Grundrente (spekulativ erhöhte Boden- und Mietpreise) drauf sind, hatten sie bei ihren Vergleichen auch nicht berücksichtigt.
Stalder betonte: «Die Schweiz hat ein strukturelles Preisproblem.» Dass ausländische Anbieter der Schweizer Kundschaft nur wegen der hierzulande höheren Kaufkraft höhere Preise aufoktroyierten, sei inakzeptabel, betonte sie. Politik und Wirtschaft müssten gemeinsam für Remedur sorgen.
Kritik von links und rechts
In einer ersten Reaktion kritisierte SP-Wirtschaftspolitikerin und Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer (BL): Der Barometer sei «gut gemeint, aber zu kompliziert» und darum «verbesserungsfähig». Der Gewerbeverband warnte, der Barometer werde den Konsumtourismus anheizen, weil er etwa «die Fahrkosten über die Grenze» ausblende. Er schade dem Wirtschaftsstandort Schweiz. Dass der Bund das ganze noch mit 500’000 Franken subventioniere, sei inakzeptabel.
Kritisiert wird auch, dass die Vergleiche schon veraltet seien. Doch gibt es auf der Preisbarometer-Seite einen Link, mit dem Konsumenten und Konsumentinnen ihre eigenen Erfahrungen mit Preisdifferenzen laufend melden können.